Die dritte DRS-Zone war das am heißesten diskutierte Thema vor dem Start der Formel 1 des Rennwochenendes in Silverstone. In den Trainings am Freitag fielen die Experimente der Teams wie erwartet sehr unterschiedlich aus. Tatsächlich schafften manche die Highspeed-Passage selbst mit offenem Heckflügel problemlos. Bei anderen war es ein Ritt auf der Rasierklinge. Für Romain Grosjean endete dieser mit Kleinholz. Die Frage nach Sinn oder Unsinn bleibt.

"Das ist der Max ab der ersten Runde mit Vollgas gefahren", erklärte Dr. Helmut Marko gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass Red Bull wie angekündigt gleich in die mit offenem DRS ans Limit ging. Sowohl der Niederländer als auch Teamkollege Ricciardo waren mit dem RB14 selbst bei dem riskanten Unterfangen sicher unterwegs. "Es den ganzen Weg durch Turn 1 und 2 offen zu haben ist ein Spaß", so der Australier.

Doch nicht nur Red Bull schaffte den Drahtseilakt erfolgreich. "Das DRS in den Kurven eins und zwei war interessant. Es war ein super Gefühl dort mit Vollgas unterwegs zu sein", sagte Renault-Pilot Carlos Sainz. So gut wie jedes Team probierte es mindestens ein Mal aus. Bei Toro Rosso fiel das Fazit weniger positiv aus: "Du versuchst beim Einlenken so sanft wie möglich zu sein, um das Auto nicht zu destabilisieren. Aber wenn du bei 300 km/h fühlst wie das Heck rumkommt...", so Pierre Gasly, der es nach einem Versuch bleiben ließ.

Für den im Vorfeld erwarteten Abflug sorgte im ersten Training letztendlich Grosjean. "Ich habe das DRS etwas später als in der vorherigen Runde geschlossen", erklärte der Franzose, dass er bei seinem Unfall ursprünglich gar nicht vorgehabt hatte, mit offenem DRS durch Turn 1 zu fahren. "Der Luftstrom hat sich nicht rechtzeitig wieder stabilisiert und so hatte ich hinten keinen Anpressdruck." Sein Fazit: "Es ist für uns unmöglich. Wir sollten nicht einmal daran denken."

Mercedes mit kreativem DRS-Einsatz, Ferrari zeigt sich unbeeindruckt

Grosjean war aber nicht der einzige Pilot, der diese Erkenntnis erlangte. Andere flogen zwar nicht ab, hatten aber dennoch ein Grosjean-Erlebnis. "Ich habe es ein Mal probiert und wäre fast wie Romain geendet", sagte dessen Haas-Teamkollege Kevin Magnussen gegenüber Motorsport-Magazin.com. Umso beeindruckender fand er die Darbietung von Red Bull: "Was Red Bull da gemacht hat war unglaublich. Für uns ist das nicht einmal annähernd möglich."

Ferrari war bei der ganzen Angelegenheit wenig experimentierfreudig. Sebastian Vettel probierte es zwar aus, fand jedoch: "Für uns hat es nicht viel geändert. Auf einer Runde ist es für alle dasselbe." Teamkollege Kimi Räikkönen ließ es hingegen gleich ganz bleiben. "Ich habe den Flügel im Training zu gelassen. Ich finde, es ist zu tricky ihn offen zu lassen und es macht bei der Rundenzeit keinen großen Unterschied", so der Iceman.

Ein Team ging die DRS-Zone auf die eigene Art und Weise an. Sowohl Lewis Hamilton als auch Valtteri Bottas machten Gebrauch von der Möglichkeit, das DRS zu schließen und wieder zu öffnen. "Wir fahren die erste Kurve mit Vollgas und machen in der zweiten das DRS auf", so Hamilton.

Laut Reglement darf das DRS zwar nur auf der Start- und Zielgeraden aktiviert werden, doch sofern der Fahrer nach dem zur Aktivierung definierten Bereich das Gas nicht zumacht oder bremst, kann er das DRS mit dem Knopf am Lenkrad nach Belieben schließen und öffnen. Das gebrannte Kind Grosjean erklärte gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass er auch das für keine gute Idee hält: "Das ist auch sehr riskant."

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Hamilton kritisiert DRS-Zone: Sinnlose Übung, eigentlich nur gefährlich

Hamilton hatte vor der Variante mit dem zwischen Turn 1 und 2 gesplitteten DRS auch versucht beide Passagen mit geöffnetem Flügel zu fahren. Der Weltmeister war davon aber nicht überzeugt. "Es ist nicht schwierig. Aber es ist eine sinnlose Übung und eigentlich nur gefährlich", so der Brite.

"Wir durften DRS früher überall nutzen und mussten es selbst aktivieren und deaktivieren. Das haben sie uns verboten, weil viele sich gedreht haben", erinnert er an die Anfänge des Drag Reduction Systems. Hamilton sagte außerdem, dass er seine Zweifel am Vortag in einem internen Briefing schon angebracht hatte.

"Ich habe Ron (Meadows, Mercedes Team-Manager, Anm. d. Red.) gesagt, dass er zu Charlie (Whiting, Rennleiter, Anm. d. Red.) gehen und ihm sagen soll, dass es Unfälle geben wird", so der Mercedes-Pilot. "Es ist einfach unnötig dort so durchzufahren. Wir kommen zwar alle klar, aber wenn jemand es im Qualifying macht, wird er abfliegen", fügte er an.

Mittelfeld-Teams wollen es im Qualifying noch einmal wissen

Im Qualifying erwarten allerdings einige der Mittelfeld-Teams, dass die Kombination auch für sie mit offenem Flügel möglich sein könnte. "Wir haben am Freitag viel Sprit im Auto. Im Qualifying wird es weniger sein, dann versuchen wir es vielleicht nochmal", so Gasly trotz seiner schlechten Erfahrungen im Training. Ob mit viel oder wenig Benzin an Bord, ein Problem bleibt bei der ganzen Angelegenheit: Die Reifentemperatur.

"Ich bin mir nicht sicher ob es dann schneller geht, weil du viel Energie durch die Reifen leitest", ist Magnussen auch beim Qualifying-Trimm mit leichtem Auto skeptisch. "Wenn du viel Downforce wie Red Bull hast, sieht es stabil aus. Sie leiten nicht so viel zusätzliche Energie in den Reifen. Aber für uns ist das etwas, das wir berücksichtigen müssen."

Die Hinterreifen sind es, die ohne Anpressdruck auf der Hinterachse in der schnellen Passage ans Limit gebracht werden. Schießt die Temperatur einmal durch die Decke, ist der Zeitverlust in der darauffolgenden Kombination mit den langsamen Kurven drei und vier vorprogrammiert. "Der Gewinn bei der Rundenzeit fällt sehr gering aus. Das Risiko ist es nicht wert", so Gasly-Teamkollege Brendon Hartley.