Die Formel 1 überraschte mit der dritten DRS-Zone für den Grand Prix von Großbritannien 2018 in Silverstone. Sie schickt die Piloten mit offenem Heckflügel geradewegs durch die Kurven eins und zwei. Noch nie wurde das System seit seiner Einführung im Jahr 2011 in einer Kurve erlaubt. Einige Fahrer sind angesichts dieses Experiments skeptisch. Andere hingegen sind gespannt auf den Ritt auf Messers Schneide.

"Es ist etwas verwirrend. Ich bin mir nicht sicher, was damit beabsichtigt wird", zählt Ferrari-Pilot Sebastian Vettel zu denjenigen, die ihre Zweifel angesichts dieses Unterfangens haben. Die Kurven eins und zwei, namentlich Abbey und Farm, werden von den Formel-1-Piloten im achten Gang mit 300 km/h durchfahren. Mit geöffnetem Heckflügel und demzufolge ohne Downforce auf der Hinterachse wird die Passage zu einem Drahtseilakt.

"Es ist etwas tricky und ich weiß nicht, ob wir das mit offenem DRS hinbekommen oder nicht. Wir müssen es ausprobieren, mit dem neuen Asphalt und den passenden Reifen", so Vettel. Der WM-Leader fürchtet außerdem, dass einige Autos technisch nicht dazu in der Lage sein werden. "Wenn irgendwer in der Lage ist das zu machen, dann wohl wir von den großen Teams mit dem meisten Anpressdruck."

Er fürchtet, dass es für die Leistungsdichte kontraproduktiv ist: "Ich weiß nicht, ob sie das Grid noch mehr auseinanderreißen wollen. Aber ich bin mir sicher, dass einige mit weniger Downforce als wir wahrscheinlich mehr Probleme damit haben werden." Landsmann Nico Hülkenberg stimmt Vettel zu, gibt aber auch zu bedenken: "Die drei Top-Teams fahren sowieso in ihrer eigenen Welt. Demnach ändert sich für mich nicht viel."

Hamilton schickt Verstappen vor - der hat sowieso Bock drauf

Mercedes-Pilot Lewis Hamilton nahm die Neuerung mit Humor und kündigte an, der Konkurrenz beim Experimentieren mit dem offenen Heckflügel den Vortritt zu lassen. "Ich bezweifle, dass Kurve 1 mit DRS offen geht. Aber lassen wir es zuerst mal Max ausprobieren", flachste der Lokalmatador in der Pressekonferenz. Was er nicht wusste: Der Red-Bull-Fahrer hat sich längst für den Pilotversuch gemeldet.

"Ich werde es definitiv versuchen", so Verstappen, dessen Selbstvertrauen spätestens nach dem Sieg in Österreich wieder unerschütterlich wie eh und je sein sollte. Der andere Wiederauferstandene im Feld namens Romain Grosjean ist im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com weniger risikobereit. "Ich werde nicht der Erste sein, der es versucht", so der Franzose. Verstappen-Teamkollege Ricciardo hingegen hat eher Sorge wegen der Reifen.

"Der Scheitelpunkt ist ziemlich kurz und scharf. Du musst einfach versuchen nicht zu scharf einzulenken, versuchen dem Auto beizubringen dass es jetzt ohne DRS einlenken muss anstatt es damit zu überraschen. Aber wenn wir dabei quer gehen und Geschwindigkeit abbauen und dabei auch noch die Reifen vernichten, könnte es auch langsamer sein", so der Australier, der davon ausgeht, dass es sich bei erfolgreicher Ausführung lohnen wird.

Der offizielle von der FIA für Silverstone 2018 herausgegebene Streckenverlauf inklusive DRS-Zonen, Foto: FIA
Der offizielle von der FIA für Silverstone 2018 herausgegebene Streckenverlauf inklusive DRS-Zonen, Foto: FIA

Fahrer glauben nicht an Überholmöglichkeit durch Silverstone-DRS

"Wenn es uns gelingt wird es ein Vorteil sein, da nicht jeder dazu in der Lage sein wird", ist er sicher. Ricciardo glaubt, dass bis zu zwei Zehntel drin sind. Force-India-Pilot Esteban Ocon zählt zu denjenigen, die das Experiment bereits bei der Vorbereitung im Simulator wagten. "Es ist natürlich nicht einfach", so der Franzose. Neben der Frage nach der fahrerischen Herausforderung wirft die DRS-Zone aber noch weitere auf.

An der Funktion als Überholhilfe scheiden sich in diesem Fall die Geister. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand die Kurve Vollgas mit offenem DRS hinter einem anderen Auto durchfahren wird. Deshalb verstehe ich nicht wirklich, ob es als Überholhilfe gedacht sein soll", erklärt Renault-Pilot Carlos Sainz. "Jeder wird das DRS im Rennen vor der Kurve schließen."

Die Fahrer sehen es vor allem als zusätzliches Spannungselement im Qualifying. "Es wird interessant, denn es kann bei einigen Teams einen Einfluss auf das Qualifying haben, wenn sie nicht genügend Anpressdruck haben und dann vom Gas gehen müssen und plötzlich das DRS verlieren", so Sergio Perez.

DRS-Verwirrung: Fahrer wissen nicht wann Schluss ist

Der Mexikaner machte sich aber schon Gedanken darüber, wie er das DRS taktisch einsetzen kann. "Wenn du es verlierst, kannst du es auch wieder zurückbekommen", erklärt er gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass er für mehr Downforce auf der Hinterachse den Heckflügel unter Umständen auch kurz absichtlich wieder in seinen Normalzustand versetzen könnte.

"Du könntest Vollgas auf die Kurve zufahren, das DRS deaktivieren, in der Passage voll auf dem Gas bleiben und es danach wieder aktivieren. Denn du solltest sicherstellen, in einer DRS-Zone keine Zeit zu verlieren." Eine nette Theorie von Perez, die mit dem Blick auf die offizielle Streckenkarte der FIA aber nicht nur beim Betrachter Zweifel aufwirft.

Dort ist die DRS-Zone nur über die Distanz der Start- und Zielgerade eingezeichnet. Auch Kimi Räikkönen ist was ein Herumspielen mit dem DRS in den Kurven eins und zwei bis hin zu Kurve drei skeptisch. "Endet es vor Kurve eins oder erst vor Kurve drei?", so der Iceman. "Es ist mit den Kurven nicht so klar wie wenn es geradeaus geht."