Lewis Hamilton steht kurz vor der Krönung zum unumstrittenen Formel-1-König von Großbritannien. Noch ein Sieg auf der Insel, dann ist der Mercedes-Fahrer nicht nur absolut der siegreichste britische F1-Fahrer der Geschichte, hat nicht nur die meisten WM-Titel, sondern auch die meisten Heimrennen gewonnen.

Ein Sieg in Silverstone am Sonntag wäre Hamiltons sechster an dieser Stelle, noch dazu der fünfte in Folge auf dem ehemaligen Flugplatz. Auch für Hamilton selbst wäre das die Krönung. "Ich bin sehr dankbar, in dieser Lage zu sein und hier in Silverstone ein sechstes Mal gewinnen zu können. Nicht viele konnten das. Und es ist für mich das speziellste Rennen von allen. Die Fans sind hier immer unglaublich, es sind einfach so viele und jetzt haben wir auch noch bestes Wetter", schwärmt der Local Hero.

Lewis Hamilton: Was doch nicht umbringt …

Doch wie gut sind die Voraussetzungen wirklich? Ist ein Lewis Hamilton in Großbritannien-Normalform, also Überform, auch 2018 genug? Immerhin setzte es zuletzt in Spielberg eine schallende Ohrfeige für Mercedes. Doppelausfall. Der erste seit drei Jahren. "Es war natürlich ein schwieriges Wochenende. Aber was dich nicht umbringt, macht dich stärker", stellt Hamilton per Sprichwort klar.

Mercedes sei immer schon besonders gut darin gewesen, aus Niederlagen zu lernen, besser zu werden. Das sei dieses Mal gar mehr denn je der Fall. "Der Teamgeist ist stärker als er es je war. Diese Erfahrungen zu machen, damit umzugehen, hat uns als Team mehr zusammengeschweißt, als in jedem anderen Jahr zuvor", sagt Hamilton. "Ich spüre im Team einfach eine großartige Energie. Es war eine schmerzvolle Erfahrung, ja. Aber sie macht uns stärker." Auch er selbst sehe inzwischen das Positive. "So habe ich mich daran erinnert, wie leidenschaftlich ich bin. Auch das Team. Der Wille zum Sieg ist noch immer da!"

Hamilton: Nervosität wegen Defekten wird im Team bleiben

Dass die Defekte von Spielberg sich gleich in Silverstone wiederholen könnte befürchtet Hamilton nicht im Ansatz. Er sei voll überzeugt, Mercedes habe alles schnell behoben. "Die Leute haben hart gearbeitet und schnell reagiert", versichert Hamilton. In Silverstone setzt Mercedes bei Werksteam und allen Kunden modifizierte Benzinpumpen ein, um der Lage Herr zu werden. Ohnehin könne er sich davon nicht ablenken lassen, seine Herangehensweise ändern. so Hamilton. "Als Fahrer, als Athlet kannst du dir nicht erlauben, dein Wochenende davon beeinflussen zu lassen. Ich gehe mit der gleichen Mentalität in das Wochenende wie immer und gehe davon aus, dass das Auto zuverlässig sein wird."

Formel 1 2018: Brennpunkte vor dem Großbritannien GP (06:58 Min.)

So sei es auch beim Team, gibt sich Hamilton überzeugt. "Aber wir sind alle Menschen und deshalb wird es sicher jeder einzelne im Team irgendwie im Kopf haben, eine gewisse Nervosität spüren", so Hamilton. Menschlich. Gutes Stichwort. Das ist auch Hamiltons abschließendes Fazit zu dem seinem Ausfall in Österreich vorausgegangen groben Strategiefehler bei Mercedes.

Hamilton: Ärger über Strategie-Team verflogen

Der gewaltige Ärger am Funk? Längst abgehakt. Im Gegenteil. Hamilton schwärmt sogar von der Truppe um James Vowles: "Ich denke wirklich, dass ich das beste Strategie-Team hinter mir habe. Allein wie viele Siege ich mit dem Team erzielt habe - wir haben sehr, sehr viel öfter gewonnen als wir versagt haben. Und niemand ist perfekt. Der Sport ist einfach nicht so. Perfekt sein, geht nicht. Sonst wäre es vielleicht auch zu langweilig."

Das zeige auch die Konkurrenz. Immerhin habe auch Ferrari und auch Red Bull 2018 auf diese Art schon Punkte verloren. "Der Druck und die Menge an Informationen und Simulationen nehmen nun einmal stetig zu. Und es sind harte Entscheidungen für die Teams. Manche sind leichter, manche schwieriger. Und manchmal ist auch die leichtere die falsche", so Hamilton.

Hamilton: Deshalb 2018 so viele Höhen und Tiefen

Zugenommen hat der Druck Hamilton zufolge vor allem aus einem Grund: 2018 sei der Kampf an der Spitze noch enger als 2017, noch dazu mit Red Bull um einen Gegner reicher. Genau das würde auch die erheblichen Performance-Schwankungen erklären. "So ist einfach mehr Druck drauf und du musst auch aus dir als Fahrer mehr herauspressen", erklärt Hamilton.

Noch dazu sei es bisher viel darum gegangen, einmal mehr Auto und Reifen voll zu verstehen. Beides sei mitverantwortlich für die Ups and Downs. "Aber wir haben über das Jahr viel verbessert und dem Team wird immer klarer, wie Reifen und Auto funktionieren", sagt Hamilton. Ob er deshalb auch wieder eines seiner berüchtigten Momenti gewinnen könne? "Es ist unmöglich vorherzusagen, wie die Saison weitergeht", winkt Hamilton ab.

Mercedes mit Update in Silverstone unschlagbar?

Helfen könnte dem Briten jedenfalls das massive Mercedes-Update von Spielberg. Das geriet angesichts der Ausfälle fast in Vergessenheit. Doch zuvor hatte Mercedes regelrecht dominiert, der Konkurrenz das Fürchten gelehrt, wie Hamilton vorher selbst gehofft hatte. In Silverstone sollte der Kurs dem Mercedes-Paket dank des extremen Vollgas-Anteils nun nur noch mehr entgegen kommen.

"Ich denke, dass die beiden Strecken aber schon sehr ähnlich sind. Wenn du dir die Kurvengeschwindigkeiten in Spielberg im mittleren und letzten Sektor ansiehst, dann ist es schon ähnlich", relativiert Hamilton. In Silverstone werde es zuvorderst ohnehin erst einmal darum gehen, die Reifen in den unfassbar schnellen Kurven wie Copse, Maggotts und Becketts am Leben zu halten.

In Silverstone sind es unterdessen einmal mehr die speziellen dünneren Pirelli. Für den neuen Asphalt, um Überhitzen vorzubeugen. Vorteil Mercedes, die mit den 0,4 Millimeter dünneren Pneus schon in Spanien und Frankreich geherrscht hatten? Hamilton winkt ab: "Ich merke da gar keinen Unterschied. Für mich fühlt es sich komplett gleich an." Dass Mercedes in Spielberg mit den klassischen Reifen unter Blasenbildung litt – mehr als Ferrari – lässt Hamilton nicht gelten. "Ich habe die Reifen auch mal hart ans Limit gepusht, weil ich eine Position gewinnen musste!"