Sebastian Vettel kassierte an den vergangenen Formel-1-Wochenenden jeweils Strafen durch die Rennleitung. Vor allem die Zeitstrafe von fünf Sekunden für die Kollision mit Mercedes-Pilot Valtteri Bottas in Le Castellet wurde von einigen Konkurrenten und Experten als zu gering empfunden. F1-Chefkritiker Jacques Villeneuve überraschte in Österreich mit seiner Meinung darüber, ob die Entscheidung der FIA richtig war.

"Nein, natürlich nicht", erklärte der Weltmeister von 1997 im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass er Vettel für seinen Fehler beim Start des Frankreich GP gar nicht erst bestraft hätte. "Du versuchst etwas, du bremst, du machst einen Fehler. Shit happens", erläuterte er seine Sicht der Dinge.

Piloten wie Max Verstappen oder Kevin Magnussen beziehen für ihre Aktionen regelmäßig Schelte von Villeneuve, der bei ungestümen Manövern schnell den erhobenen Zeigefinger zückt. Vettels misslungener Überholversuch fällt für ihn aber in eine andere Kategorie. "Es war ein Fehler und kein Harakiri oder kein dreckiges Fahren", sagte der 47-Jährige.

"Das ist, wo man die Linie ziehen sollte. Und nicht bei der Frage, ob jemand einen Unfall ausgelöst hat. Wenn du willst, dass die Fahrer racen, werden Unfälle passieren. Das Problem ist nur, wenn es dreckig wird oder jemand es mit Harakiri versucht", meint Villeneuve, der die Diskussion auch gleich zum Anlass nahm, Kritik an den Stewards anzubringen.

Villeneuve: FIA zeigte bei Vettel-Strafe keine Beständigkeit

"Ich verstehe nicht, warum sie Vandoorne nicht bestraft haben", nahm er Bezug auf die Kollision zwischen dem McLaren-Piloten und Pierre Gasly in der zweiten Kurve des Rennens auf dem Red Bull Ring. "Es war dasselbe wie bei Vettel und Bottas." Tatsächlich waren die Konsequenzen für Gasly und Bottas unterschiedlich, denn der Toro-Rosso-Pilot trug in Österreich weniger Schaden davon.

"Nur weil das andere Auto nicht kaputtgegangen ist, gab es keine Strafe. Das ist falsch", so Villeneuve, der gleich das nächste Fallbeispiel anführte. "Verstappen gegen Kimi war dasselbe. Er hat ihn am rechten Hinterrad berührt und Kimi flog nicht ab. Deshalb gab es keine Strafe. Das ist, was hier nicht richtig läuft. Entweder sprichst du eine Strafe aus oder nicht."

Laut ihm zeigten die Strafen an den vergangenen beiden Wochenenden wieder einmal die Unbeständigkeit der FIA auf. Konsequent wäre für ihn gewesen, die Berührung zwischen Verstappen und Räikkönen genau so zu behandeln wie die zwischen Vettel und Bottas: "Du darfst niemandem ans Hinterrad fahren, denn Vettel ist ja wie wir wissen jemandem ans Hinterrad gefahren."

Formel 1 2018: Österreich Grand Prix Analyse (52:01 Min.)

Villeneuve plädiert für mehr Racing in der Formel 1

Der Kanadier erwartet von den Stewards eine klare Linie ungeachtet jeglicher Konsequenzen für den Unfallgegner: "Die Regeln müssen klar sein. Entweder darfst du racen und dich berühren, oder eben nicht. Es gibt das Eine oder das Andere. Aber keine graue Linie, bei der du manchmal ja und manchmal nein sagst." Er selbst sprach sich für mehr Racing und weniger Eingreifen oder Ahnden durch die Rennleitung aus.

"In Le Castellet haben sich viele beschwert, dass die Strafe für Vettel nicht hoch genug war und dann wird Vandoorne hier gar nicht bestraft. Das ist für mich okay, Verstappen nicht zu bestrafen war meiner Meinung nach auch richtig. Aber in Frankreich war es dasselbe." Rennleiter Charlie Whiting erklärte in Spielberg, dass die FIA derzeit versucht eine so klar wie mögliche Linie zu fahren.

"Wenn wir versuchen würden alle Konsequenzen eines Vorfalls zu bewerten und gegen die Bestrafung abzuwägen, könntest du sagen: Kein Schaden, kein Foul", so Whiting. Die Fälle aber derart individuell zu behandeln ist derzeit nicht vorgesehen: "Es ist etwas, worüber wir nachdenken aber nichts, das wir momentan anwenden." Ein derartiges Vorgehen würde außerdem auch seine Nachteile mit sich bringen.

"Es ist immer eine Frage des Blickwinkels. Es wäre schön, das unter manchen Umständen so handhaben zu können, vor allem wenn es eindeutig ist. Aber manchmal ist es nicht eindeutig, und egal welches System du zur Bestrafung anwendest, du wirst leider immer unterschiedliche Meinungen hören. Die Stewards geben ihr Bestes, um beständig zu sein."

Vettels Österreich-Strafe für Villeneuve in Ordnung

Beim anderen Vergehen von Sebastian Vettel war Villeneuve mit der FIA überraschend einer Meinung. "Es war egal welche Konsequenzen es hatte. Er hat ihn geblockt", so über das Manöver des Ferrari-Piloten im Q2, durch welches Renault-Fahrer Carlos Sainz auf einer schnellen Runde behindert wurde. Vettel erhielt dafür eine Grid Penalty von drei Positionen. "Du kannst ja nicht eine Stunde diskutieren, ob es Folgen hatte oder nicht", so Villeneuve.

"Er hat ihn blockiert und damit war es klar. Die Regeln sind klar. Damit weiß jeder Bescheid und die Fahrer müssen in Zukunft mehr in ihre Spiegel schauen anstatt einfach nur auf die Ansagen ihrer Teams zu warten."