Als einer, nein als der schwärzeste Tag in der silbernen Mercedes-Geschichte wird der erste Juli 2018 in die Formel-1-Historie eingehen. Zumindest wenn es nach den eigenen Aussagen der Verantwortlichen beim F1-Weltmeister nach dem ultimativen Debakel beim Österreich GP in Spielberg geht.

"Für das Team und mich ist das der schmerzvollste Tag der letzten sechs Jahre. Auf diese Art und Weise durch unsere eigenen Fehler und Zuverlässigkeitsprobleme einen möglichen Doppelsieg zu verlieren, tut einfach nur höllisch weh", findet Teamchef Toto Wolff selbst in der offiziellen Presseaussendung des Teams ganz klare Worte.

Wolff: Schlimmer denn je, Mercedes musste unbedingt liefern

"Es gibt keine Worte dafür. Für mich ist das der schwerste Tag in meiner Mercedes-zeit. Viel schwerer noch als Barcelona 2016, weil einfach alles schief gelaufen ist, in einem Rennen, das gut laufen sollte. Bei der Strategie hatten wir einen Blackout", ergänzt der Österreicher am RTL-Mikrofon.

Ein Rennen, das gut laufen sollte. Der wichtigste Aspekt für das neue Maximum auf der Schmerz-Skala bei Mercedes. Immerhin hatte Wolff erst vor dem Rennen noch gemahnt - nicht zum ersten Mal - aus eben solchen Grands Prix, solchen, bei denen Mercedes auf dem Papier unschlagbar ist, endlich auch einmal das Optimum machen zu müssen. Noch dazu war das berüchtigte Doppel-Aus um Hamilton/Rosberg in Spanien vor zwei Jahren verschmerzbar, ein Tropfen auf den heißen Stein, dominierte Mercedes die Formel 1 damals ohnehin nach Belieben.

Mercedes' Fehlerserie erlebt neues Hoch

Zurück in die Gegenwart: Zu viele Gelegenheiten ließ Mercedes bereits liegen. Ob Hamilton in Australien (Strategie), Bottas in China (Strategie), in Bahrain (Taktik), oder ganz allgemein in Kanada (erwartete Überlegenheit nicht bestätigt). Die Liste des silbernen Patzer und schlechten Performances wird immer länger.

Nun eben auch noch Spielberg. Das dringend einmal einen Big Point bringen sollte, ehe vor der Sommerpause mit Hockenheim und Ungarn erwartete Ferrari-Strecken kommen. Und auch zu versprechen schien. Aber Fehlanzeige. Sogar das Gegenteil. Ferrari übernahm mit Doppelpodium gegen Doppelausfall die WM-Spitze. Entsprechend herrscht bei Mercedes erneut richtig miese Stimmung.

Österreich-Debakel bei Mercedes: Keine Entschuldigungen mehr

"Heute gibt es keine Entschuldigungen. Wir waren nicht zuverlässig genug, wir haben nicht die richtige Strategie-Entscheidung getroffen, unsere Starts waren nicht gut genug und wir sind nicht bestmöglich mit den Reifen umgegangen", fast Chefrenningenieur Andrew Shovlin die Liste des Versagens schonungslos zusammen. Ebenfalls offiziell in der Aussendung zum Rennen.

"Bis Silverstone haben wir also viel zu tun und wir müssen uns voll darauf konzentrieren, die heutigen Schwachstellen zu beheben. Heute ist einer der härtesten Tage, die wir je als Team an einer Rennstrecke erlebt haben", ergänzt Shovlin.

Wolff: Grausamkeit hat uns brutal erwischt

Den Finger in die Wunde legen - das können sie bei Mercedes. Zumindest das zeugt in Österreich von Größe, tat es schon zuvor, etwa in Kanada. Ausreden sucht niemand. Irgendwie aber auch klar - die helfen nicht weiter.

"Motorsport kann grausam sein, sehr grausam. Heute hatte wir die ganze Grausamkeit gegen uns und es hat uns brutal erwischt. Wir haben es gerade erst besprochen", schildert Wolff am Abend bei seinem persönlichen Heimrennen, als er sich auch noch der schreibenden Presse stellt. "Wir haben einen Fehler gemacht", gibt Wolff freiheraus zu, was allerdings ohnehin sehr offensichtlich ist.

Wolff verteidigt Chefstratege Vowles: Den Mumm musst du erstmal haben

Immerhin waren es nicht nur die Defekte. Vor allem auch die einmal mehr völlig verbockte VSC-Phase ist Mercedes anzukreiden. "Das VSC kam raus. Wir hatten eine halbe Runde, um zu reagieren. Wir haben es nicht getan. Das ist Fakt. Und so haben wir das Rennen verloren", sagt Wolff. Chefstrategie James Vowles entschuldigte sich dafür noch während des Rennens schon sogar höchstpersönlich per Funkspruch an Lewis Hamilton, nahm die Verantwortung auf seine Kappe.

Änderungen - auch personeller Art - will Wolff bei Mercedes ob der nächsten Schlappe jedoch nicht vornehmen. Dabei hatte er schon in Kanada Konsequenzen angekündigt. "Wir müssen nichts ändern. Wir müssen verstehen, warum ein Fehler geschieht und die Situation analysieren. Das ist das Wichtigste", sagt der Teamchef. Seinen am Österreich GP gescheiterten Chefstrategen nimmt Wolff in Schutz. "James ist für mich einer der Besten ever. Es braucht Mumm, sich zu stellen und vor Millionen Menschen zu sagen, dass es dein Fehler war, um so noch das beste Ergebnis zu retten."

Genau dazu habe Vowles Wolff zufolge nämlich beigetragen. So habe er Hamilton beruhigt. Der Weltmeister war zuvor völlig außer sich, wütete am Funk über das neuerliche Strategie-Debakel. "Es ist nicht der einzige harte Tag, dem wir uns je stellen mussten", erinnert auch Shovlin an frühere Fehler. Zu viele Fehler in einem so engen WM-Kampf wie 2018. "Wir wissen, wie man Probleme behebt und wir sind immer gestärkt daraus hervorgegangen", meint der leitende Mercedes-Ingenieur jedoch. "Jetzt bleiben uns ein paar Tage, um uns neu zu sortieren und diese Schwierigkeiten vor Silverstone zu lösen."

So sieht es auch Wolff. "Ein Doppelausfall in Folge von Zuverlässigkeitsproblemen liegt uns schwer im Magen, aber wir wissen aus schmerzhafter Erfahrung, dass wir aus den schwierigen Tagen am meisten lernen. Wir werden uns in den nächsten Tagen wiederaufrichten, aus unseren Fehlern lernen und erhobenen Hauptes nach Silverstone reisen", sagt Wolff. Ein wenig klingt es schon nach Durchhalteparole.

Mercedes: Neuer Motor doch nicht kugelsicher?

"Es war kein normaler Tag. Einer, den wir hoffentlich schnell vergessen können", meint Lewis Hamilton in ähnlichem Tonfall. Dafür müsse Mercedes nun jedoch viel tun. "Ich werde keine Lügen erzählen. Wir müssen auf allen Gebieten arbeiten. Das Auto war toll, wir waren die schnellsten. Aber dann zwei verschiedene Fehler zu haben, ist sehr, sehr ungewöhnlich und wir können es uns nicht leisten, Punkten wegzuschmeißen. Wir müssen jetzt eine kugelsichere Methode finden, um mit der Strategie nach vorne zu kommen, denn wenn unser Auto durchgehalten hätte, hätte es eigentlich ein leichter Sieg werden sollen …"

Doch hat es eben nicht einmal durchgehalten. Zwei Defekte, noch dazu das Wasserleck bei Bottas in Frankreich, on top ein Ausfall bei Motorenkunde Force India in Le Castellet. Alles nach dem großen Power-Unit-Upgrade. Wurden die Qualitätsprobleme zu früh als ausgeräumt abgehakt? Nein, widerspricht die Mercedes-Liga geschlossen. "Keine der Probleme heute hatte etwas mit der Zuverlässigkeit des Motors selbst zu tun", versichert Wolff. "Wir hatten ein Hydraulikkeck an der Lenkung bei Valtteri und einen Abfall von Benzindruck bei Lewis, was aber mit dem Benzinsystem zu tun hatte."

Unter dem Strich jedoch völlig egal. Ausfall ist Ausfall. "Und jeder im Team spürt den Schmerz", sagt Hamilton. "Das war definitiv das schlechteste Wochenende für eine lange, lange Zeit, wie ich mich erinnere."