In der Formel 1 der späten 1970er und frühen 1980er Jahre war Frankreich an allen Fronten der Königsklasse eine feste Größe. Nebst den etablierten Piloten wie Didier Pironi oder René Arnoux kamen auch die Teams von Ligier und Renault zu dieser Zeit richtig in Fahrt. Letztere hatten 1977 den ersten Turbomotor in der Geschichte der F1 entwickelt und starteten mit ihrem Werksengagement in den Folgejahren richtig durch.

Zur Saison 1981 verstärkte sich der Autohersteller mit dem französischen Nachwuchstalent Alain Prost, welches die Equipe sogleich in ihren ersten WM-Kampf führen sollte - allerdings nicht ohne einen Gegenwind des etablierten Teamkollegen Arnoux. "Es war die typische Situation", erklärt Prost Jahre später in einem Interview mit Sky UK. "Er war einige Jahre vor mir da und dann kam der junge Typ."

Prost hatte 1980 im Alter von 25 Jahren für McLaren debütiert und war gleich darauf von Renault verpflichtet worden. Der sieben Jahre ältere Arnoux fuhr hingegen schon seit 1977 für die Marke und gehörte seit 1979 neben Renaults Turbo-Pionier Jean-Pierre Jabouille zum Formel-1-Aufgebot der Franzosen. "Du hast immer diesen Generationenkonflikt", so Prost, der dem erfahreneren Teamkollegen mit seinem Speed schnell gefährlich wurde.

"Ich war vielleicht etwas schneller als er. Zwar nicht immer, aber durchaus konstant", so Prost, der bemerkte, dass Arnoux sich in seinem Revier bedroht sah. "Er fühlte sich nicht gut dabei." Trotz des Konkurrenzdenkens pflegte man auf der Rennstrecke aber einen kollegialen Umgang. "Wir hatten auf der Strecke nie ein Problem, denn wir blieben immer professionell. Aber es gab trotzdem immer eine gewisse Spannung", so Prost, der bei der Arbeit außerhalb des Cockpits vom Teamkollegen die kalte Schulter gezeigt bekam.

1981: Prost übertrumpft Teamleader Arnoux mit drei Siegen

"Abseits der Strecke war es schwierig, mit ihm zusammenzuarbeiten", fügt der erfolgreichste französische Pilot der Geschichte an, dem der Wechsel zu Renault nach kurzer Zeit seinen ersten Triumph in der Formel 1 beschert. Ausgerechnet beim Großen Preis von Frankreich in Dijon fuhr Prost bei seinem 19. Start in der Königsklasse erstmals als Sieger über den Zielstrich.

"Renaults Engagement war eine gute Chance, die Formel 1 in Frankreich größer zu machen. Und mein Sieg war natürlich wichtig, denn ich war ein junger Typ, hatte zu dieser Zeit ein gutes Image und war auch für die Zukunft ein potentieller Sieger", so Prost, der die Weltmeisterschaft 1981 mit zwei weiteren Siegen in Zandvoort und Monza als Fünfter abschloss. Auf Weltmeister Nelson Piquet fehlten lediglich drei Punkte.

Arnoux hingegen blieb sieglos und wurde mit elf Zählern lediglich Neunter in der WM. "Es schien so, als ob alles super lief - vor allem mit einem großen Werk wie Renault im Rücken. Es sieht so aus, als ob du ganz einfach bis nach ganz oben durchstarten kannst. Aber so einfach ist es nicht", erklärt Prost. Tatsächlich fiel ihm die Arbeit mit den Landsleuten nicht so leicht, wie es sich anhörte.

Prost lief Arnoux bei Renault mit Siegen sofort den Rang ab, Foto: Sutton
Prost lief Arnoux bei Renault mit Siegen sofort den Rang ab, Foto: Sutton

Kurioses Geständnis von Prost: Konnte mit Franzosen nicht arbeiten

"Für mich ist es immer viel schwieriger gewesen, mit Franzosen zu arbeiten. Ich bin von meiner Mentalität her eher pragmatisch veranlagt, wie die Briten", so Prost. "Manchmal versuchte ich den Leuten bei Renault Ratschläge zu geben, wie man Dinge unkomplizierter angehen kann. Aber keiner verstand das, wenn du jung bist und nach einem Jahr schon zu dieser großen Maschine Renault, einem Konstrukteur, wechselst."

"All diese Erwartungen. Wenn du gewinnst, bist du ein Gott und wenn nicht, bist du ein Nichts. Das ist nicht einfach. Du beginnst den Druck zu spüren, den du als junger Rennfahrer nicht erwartet hast." Auf seine Leistungen auf der Strecke schien sich das jedoch nicht niederzuschlagen. Denn nach dem denkbar knapp verpassten WM-Erfolg eröffnete Prost die Saison 1982 mit zwei Siegen bei den ersten Rennen in Südafrika und Brasilien.

Arnoux hatte seine Rolle als Teamleader nach der Leistung im Vorjahr längst an den neuen Star im Team verloren und auch menschlich wurde es nicht besser. "Wenn ihr nicht dieselbe Denkweise und Professionalität an den Tag legt, spreizt sich die Schere immer weiter", so Prost. Ein Umstand, der wenig später beim Heimrennen in Le Castellet zur völligen Eskalation führen und Prost das Leben in seiner Heimat im wahrsten Sinne des Wortes zur Hölle machen sollte.

Renault-Teamorder: Arnoux soll für Prost geopfert werden und spielt nicht mit

Beim Heimrennen des Teams setzte Renault das Auto von Arnoux auf die immer stärker werdenden Brabham BMW von Nelson Piquet und Riccardo Patrese an. Der Nummer-zwei-Fahrer sollte nach dem Willen der Teamführung für Prosts Titelchancen geopfert werden. "Es war eine einfache Teamorder", so Prost. "Sie sagten René, dass er mehr Boost bekommt und die Brabhams damit jagen soll."

Der Plan sah vor, dass die Motoren der Konkurrenz auf dem mit der damals noch 1,8 Kilometer langen Mistral-Geraden materialmordenden Circuit Paul Ricard unter dem Druck von Arnoux' aufgedrehtem Motor eingehen. "Ihm wurde gesagt, dass er, wenn wir Glück haben und sie ausfallen, und er vor mir führt weil er den Boost-Vorteil hat, mich vorbeilassen soll, weil ich die WM anführe", erklärt Prost den Plan im Detail. "Und René sagte, dass es für ihn in Ordnung und kein Problem sei."

Die Taktik ging auf. Schon in der achten Runde verabschiedete sich der BMW-Turbo im Heck von Patrese, 15 Umläufe später war auch für Piquet Feierabend. Allerdings war das auch schon alles, was an Renaults Plan funktionierte - denn Arnoux hielt sich nicht an seinen Teil der Abmachung. "Sie zeigten ihm das Pitboard, doch er entschied sich dazu es nicht zu tun", sagt Prost, der die Ziellinie als Zweiter mit fast 20 Sekunden Rückstand überquerte.

Arnoux holte sich beim Frankreich GP in Le Castellet 1982 seinen einzigen Heimsieg in der Formel 1, Foto: Sutton
Arnoux holte sich beim Frankreich GP in Le Castellet 1982 seinen einzigen Heimsieg in der Formel 1, Foto: Sutton

Prost von Landsleuten angefeindet: Brennende Autos zwingen ihn zur Flucht in die Schweiz

Was nach einem internen Zwist zwischen zwei Teamkollegen aussah, wurde schnell zu einem nationalen Politikum. "Das Problem begann nach dem Rennen", so Prost. "Ich stellte fest, dass ich von allen als der Badboy gesehen wurde. Ganz Frankreich war für René", erklärt der heute 63-Jährige, der beteuert, dass die Teamorder nicht seine Idee war: "Ich selbst hatte überhaupt nichts gesagt oder gefordert. Es wurde von Renault entschieden."

"Es ging nur um Sport und dann kam so etwas Unfassbares dabei heraus", so Prost, der sich in der Folge nicht nur mit persönlichen Anfeindungen seitens einiger Fans auseinander setzen, sondern auch um seine Gesundheit fürchten musste. "Ich entschied mich damals aus Frankreich wegzuziehen, denn innerhalb von ein paar Monaten wurden mir zwei Autos vor der Haustür abgefackelt und jedes Rennwochenende bekam ich seltsame Nachrichten, in denen mir Unfälle vorhergesagt wurden."

"Das war die schlimmste Situation in meinem Leben. Ich konnte es wirklich nicht fassen und verstand nicht, wie es dazu kommen konnte", so Prost, der in die Schweiz flüchtete. "Ich dachte zuerst an England, Italien oder Spanien. Aber dann entschied ich mich für die Schweiz, weil die Immigration einfacher war und ich näher bei meinen Eltern war. Das war der einzige Grund, es ging nicht um Steuern."

Die Weltmeisterschaft 1982 schloss Prost mit zehn Punkten Rückstand auf Weltmeister Keke Rosberg als Vierter ab. Die Aktion Arnoux' hatte ihm nicht die WM gekostet. Es war die mangelnde Zuverlässigkeit des Renault-Triebwerks, welche das Team nach wie vor nicht im Griff hatte. In den darauffolgenden Jahren wurde Prost in Frankreich mit vier WM-Titeln und legendären Duellen mit Ayrton Senna zum Nationalhelden.

Prost wurde in Frankreich nach Renaults misslungener Teamorder brutal angefeindet, Foto: Sutton
Prost wurde in Frankreich nach Renaults misslungener Teamorder brutal angefeindet, Foto: Sutton

Prost hat Franzosen ihren Hass nicht vergessen

Vergessen hat er seinen Landsleuten die Anfeindungen jedoch nie. "Was mir damals widerfahren ist, hat mich bis heute geprägt. Ich habe dieses Gefühl auch jetzt manchmal noch. Klar, nun ist es fantastisch, denn jeder mag mich und für sie ist alles vergessen und alles kein Problem. Aber sie wissen nicht, wie jemand in solch einer Situation leidet, vor allem wenn er in der Öffentlichkeit steht. Das ist sehr schwierig.

Die Beziehung zu Arnoux erholte sich nicht mehr, eskalierte dafür jedoch auch nicht, wie es bei anderen Teamkollegen - teilweise mit tragischen Folgen - der Fall war. Für Prost wiesen die Querelen mit Arnoux einige Parallelen zu dem wohl fatalsten teaminternen Krieg der Formel-1-Geschichte auf. "Didier und Gilles haben auch gekämpft", nimmt er Bezug auf das Duell der Ferrari-Teamkollegen Pironi und Villeneuve im Jahr 1982.

Prost: Arnoux-Krieg war wie Villeneuve vs. Pironi bei Ferrari

"Aber Didier hat sich nicht an die Regeln gehalten und Gilles war deshalb völlig erzürnt. Es war genau wie das, was zwischen mir und René passiert ist. Gilles fühlte sich angegriffen, weil er bei Ferrari und in Italien ein Gott war und nicht die volle Rückendeckung vom Team erhielt", meint Prost. Pironi hatte damals in Imola gegen eine Teamorder verstoßen und den nicht mehr im Renntempo fahrenden Villeneuve überholt um das Rennen zu gewinnen.

"Wir waren damals sehr gut befreundet", so Prost über seine Beziehung zu Villeneuve. "Er war der Fahrer, mit dem ich zu dieser Zeit am meisten unternommen habe. Er hat mich in dieser Zeit fast jeden Tag angerufen, manchmal sogar zweimal am Tag. Das war vor dem Wochenende in Zolder, da war er immer noch völlig außer sich." Beim Qualifying für den Grand Prix von Belgien verunglückte Villeneuve auf seiner verbissenen Jagd nach Pironis Bestzeit tödlich, als er nach einem Missverständnis mit Jochen Mass kollidierte.

"Was in Zolder passiert ist, ist nur wegen diesem Kampf geschehen. Er konnte nicht akzeptieren, dass Didier ihn besiegt hatte. Er hatte diese Wut mit im Cockpit und wollte ihn im Qualifying unbedingt schlagen. Das war wirklich schlimm", so Prost, der in Anbetracht der Rivalität zu Arnoux froh war, dass es bei ihnen nicht einen derart tragischen Ausgang nahm. Arnoux verließ Renault Ende 1982 in Richtung Ferrari. Prost wechselte zur Saison 1984 zu McLaren. Der Rest ist Geschichte.