Schon im Vorfeld schimpften einige Piloten über den Frankreich GP. Nicht darüber, dass er im Kalender ist, sondern darüber, dass er auf der falschen Rennstrecke stattfindet. Die meisten Fahrer lieben Magny Cours, können Paul Ricard hingegen recht wenig abgewinnen.

Doch tatsächlich ist es für die Formel-1-Piloten noch das kleinste Übel. Sie haben schnell begriffen, dass der Circuit Paul Ricard durchaus Spaß macht. Viele schnelle Kurven, viele technisch anspruchsvolle Passagen. Außerdem haben sie nicht die Probleme der Normalsterblichen: den Verkehr.

Auslaufzonen, Farben-Konfusion & Überhol-Horror

Doch von vorne: Die Strecke macht den Piloten nun Spaß. Dem TV-Zuschauer hingegen weniger. Die lackierten Auslaufzonen sehen grauenhaft aus, es fällt extrem schwer, die einzelnen Passagen auseinanderzuhalten. Dazu verwirren die zahlreichen Streckenvarianten. Dazu ist die Streckencharakteristik extrem überholfeindlich.

Formel 1 2018: Erste Eindrücke vom neuen Frankreich GP (06:21 Min.)

Das alles hat einen einfachen Grund: Paul Ricard ist keine Rennstrecke. Das Konzept war 1999, als Hermann Tilke mit seinem Team damit begann, ganz klar: In Le Castellet sollte eine Hightech-Teststrecke entstehen.

F1-Autos kaum zu erkennen: Tribünen in weiter Ferne

Die asphaltierten Auslaufzonen waren damals revolutionär. Sie sind nur so überdimensioniert, weil bei Testfahrten möglichst wenig kaputt gehen soll. Die unterschiedlichen Farben der Linien haben übrigens sogar eine Bedeutung: In den heißen Asphalt walzten Tilkes Spezialisten spitzen Split ein. Der ist noch deutlich griffiger als der Asphalt. Die blauen Zonen bieten Extra-Grip, die roten Linien bedeuten noch einmal eine Steigerung.

Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath beim Rundgang um den Circuit Paul Ricard, Foto: Motorsport-Magazin.com
Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath beim Rundgang um den Circuit Paul Ricard, Foto: Motorsport-Magazin.com

Motorsport-Magazin.com ging im Training selbst um die Strecke, um sich ein Bild davon zu machen. Doch selbst von den Fotografen-Plätzen verlieren sich die Autos im Linien-Wirrwarr. Die Tribünen in den Kurven sind noch weiter weg. Denn Tribünen gab es auf der Teststrecke ebenfalls nicht.

Als Teststrecke perfekt, als Rennstrecke eine Katastrophe

Was für eine Teststrecke perfekt ist, ist für eine Rennstrecke eine wahre Katastrophe. Die Streckencharakteristik ist überhaupt nicht auf Überholen angelegt, ganz im Gegenteil: Um die Aerodynamik ausgiebig testen zu können, baute man viele schnelle Kurven. Gift für gutes Racing.

Die vielen Streckenvarianten sind ebenfalls für Testfahrten perfekt, verschiedene Dinge können hier ausprobiert werden. Im Rennbetrieb verwirren sie nur. Doch das ist noch das kleinste Übel.

Kastrierte Mistral-Gerade Gift für Überholaction

Viele meinen, man hätte die Strecke immerhin noch ein bisschen Racing-freundlicher gestalten können, indem man die Mistral-Gerade nicht mit der Schikane kastriert hätte. "Dann wäre die Gerade mit 1,8 Kilometern fast so lang wie in Baku", erklärt Tilke, der an den letzten Umbauarbeiten und auch an der Neuasphaltierung nicht mehr beteiligt war. "Dann hätte man noch auf eine andere Variante der anschließenden Rechtskurve ausweichen können und hätte so vielleicht mehr Überholmöglichkeiten."

Außerdem wäre dann die Aero-Abstimmung deutlich spannender, fast so wie am alten Hockenheimring, als man den Kompromiss aus wenig Luftwiderstand für die ewig langen Geraden und viel Abtrieb für das Motodrom finden musste. Dann wäre vielleicht auch die schnelle Signes-Rechts am Ende der Mistral-Geraden eine echte Herausforderung.

On top: Verkehrschaos ohne Ende

Die Strecke an sich ist das eine Übel für die Formel 1. Doch die Verkehrssituation trieb schon am Freitag viele in den Wahnsinn. Das war absehbar. Und auch hier ist der Grund ganz einfach: Eine Teststrecke braucht keine Infrastruktur für 65.000 Zuschauer. Ein Grand Prix war in Le Castellet seit dem Umbau zur Jahrtausendwende schlicht nicht angedacht - und dabei hätte es mit dem derzeitigen Setup auch bleiben sollen.