Am Rennwochenende des Grand Prix von Frankreich 2018 macht im Formel-1-Fahrerlager die nächste wilde Geschichte über Streit im Hause McLaren die Runde. Nachdem die britische Daily Mail vergangene Woche über Querelen in Woking berichtete, wird es jetzt noch absurder: Die Chefetage soll die Überstunden des Personals lediglich mit Schokoriegeln vergütet haben - und das nicht einmal mit besonders hochwertigen.

"Wir haben rund um die Uhr gearbeitet, Blut und Wasser geschwitzt, und sie geben uns Freddo-Riegel im Wert von 25 Pence (umgerechnet 28 Eurocent, Anm. d. Red.)", zitiert die Daily Mail einen namentlich nicht genannten McLaren-Mitarbeiter. "Das Management gibt sie den Abteilungsleitern, die sie unter den Mitarbeitern ihrer Teams aufteilen. Jeder bekommt genau einen."

Anlass für diesen Bonus sollen die in den vergangenen Wochen im Werk angeordneten Extraschichten gewesen sein, mit denen McLaren versucht die auch in der Saison 2018 mit dem MCL33 bestehenden Performance-Defizite im Eiltempo abzubauen. "Wir haben alle 24/7 gearbeitet um die Deadlines einzuhalten", so der Mitarbeiter, laut dem die Chefetage im Mai zwei Wochen ansetzte um das Spanien-Upgrade zu fertigen.

McLaren-Mitarbeiter sollen Prototypen aus Holz bauen

"Wir haben es rechtzeitig geschafft. Also wurde an alle involvierten Mitarbeiter eine Woche später Freddo ausgeteilt, als Bonus. Den Abteilungsleitern ist es peinlich sie auszuhändigen", erklärt er weiter. Obendrein soll diese Praxis nichts Neues gewesen sein: "Wir haben auch letztes Jahr einen Freddo bekommen, nachdem wir das Auto fertiggestellt hatten."

Vor wenigen Tagen machte die Nachricht über einen Aufstand in Woking die Runde, bei dem sich Mitarbeiter an Ex-Teamchef Martin Whitmarsh gewendet haben sollen um mit dem Handeln der Teamführung zu intervenieren. Die soll laut dem Informant die Mitarbeiter unter anderem dazu aufgefordert haben, selbst Prototypen aus Holz anzufertigen, sofern sie Ideen zur Verbesserung des problematischen MCL33-Chassis haben.

"Das zeigt, wie ahnungslos sie sind", so der Mitarbeiter, der das Klima bei McLaren als vergiftet beschreibt. "Sie haben uns in der Besprechung nach Kanada gesagt, dass sie wissen, was mit dem Auto nicht stimmt, aber nicht, wie es behoben werden kann. Dann fragen sie uns, während sie selbst sechsstellige Gehälter bekommen."

Formel 1 2018: Erste Eindrücke vom neuen Frankreich GP (06:21 Min.)

McLaren-Mitarbeiter haben keinen Respekt mehr vor Boullier & Co.

Racing Director Eric Boullier, Chefingenieur Matt Morris, Chief Operating Officer Simon Roberts und Operations Director David Probyn sollen im Fokus der Kritik stehen. Das Quartett soll von den Mitarbeitern als "die Unantastbaren" betitelt werden. "Wir haben keinen Respekt für sie übrig. Die Leute beginnen die Nachbesprechungen zu boykottieren, weil sie ein Witz sind. Wir würden gerne streiken, aber die Menschen haben Angst um ihre Jobs", so der Informant.

Boullier wurde in der Teamchef-PK am Freitag des Frankreich-Rennwochenendes auf die wilden Geschichten rund um seinen Rennstall angesprochen."Wir übernehmen alle unsere Verantwortung", so der Franzose, der den Skandal um den Schokoriegel nicht ernst nehmen konnte. "Es gab diese Geschichte über das Schoko-Gate, die ganz lustig zu lesen ist", erklärt er, gibt dabei allerdings auch zu, dass die Stimmung beim Personal teilweise gekippt ist.

Boullier: Ich weiß nicht, was das Problem dieser Leute ist

"Es gibt vielleicht einige, die ein wenig verärgert sind." Etwas, das in seinen Augen in der Arbeitswelt aber kein außergewöhnliches Phänomen ist. "In einer Firma gibt es immer Leute, die mit Entscheidungen einverstanden sind oder eben nicht. Speziell wenn es vielleicht Fehler in der Kommunikation gab", so Boullier, der jederzeit für einen offenen Diskurs zur Verfügung stehen will: "Ich weiß nicht, was das Problem dieser Leute ist. Aber ich denke, wir haben sie dazu eingeladen über ihre Probleme zu sprechen."

Boullier selbst wollte die Diskussion gegenüber den Medien nicht weiter breittreten, was ihm angesichts der bohrenden Fragen der Journalisten nicht leicht fiel. "Das ist natürlich eine interne Angelegenheit. Also müssen wir intern diskutieren und schauen, was los ist und weshalb diese Person unglücklich ist", so der Teamchef, der es begrüßt hätte, wenn der Informant aus seinen Reihen ebenfalls diesen Weg eingeschlagen hätte, anstatt, wie er es ausdrückt, "hintenrum darüber zu reden."

Seine eigene Position wurde von CEO Zak Brown stets gestärkt. Boullier geht davon aus, auch beim Heimrennen des Teams in Silverstone und darüberhinaus im Amt zu sein. "Natürlich, unser Projekt ist eine lange Reise", so der 44-Jährige. Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der ebenfalls in der Pressekonferenz anwesend war, nahm die Schokoriegel-Story auf die Schippe: "Wir haben gewaltigen Nachschub an Red Bull, den wir nach einem guten Ergebnis sogar an Renault schicken. Freddos sind nicht so unser Ding."

Ein Sprecher von McLaren relativierte die Geschichte um den Schokoriegel. "McLaren hat mit die loyalsten und dienstältesten Mitarbeiter in der gesamten Motorsportindustrie. Unserer Teamführung ist es gestattet, ihre Leute mit spontanen, pfiffigen oder lustigen Geschenken zu belohnen, wann auch immer sie das Gefühl haben, das ein Job oder eine Aufgabe eine extra Anerkennung oder Belohnung verdient. Das war nur ein Beispiel dafür, neben vielen anderen die sich tagtäglich zutragen", erklärt er gegenüber der Daily Mail.