Die Formel 1 macht zur siebten Station im Kalender 2018 Halt in Frankreich. Auf dem Circuit Paul Ricard in Le Castellet feiert die Königsklasse ihre Rückkehr in die Grande Nation. Die 40 Kilometer außerhalb von Marseille gelegene Rennstrecke gilt als Vorreiter des modernen GP-Kurses und blickt trotz langer Abwesenheit auf eine umfangreiche Historie in der Formel 1 zurück.

Im April 1970 eröffnet, setzte die Anlage in Le Castellet zur damaligen Zeit neue Maßstäbe im Streckendesign. Als permanente Rennstrecke mit Kerbs und Auslaufzonen bot sie im Vergleich zu den damals üblichen Kursen auf öffentlichen Straßen, wie zum Beispiel in Rouen oder Clermont-Ferrand, deutlich mehr Sicherheit. Hinzu kam eine fortschrittliche Boxenanlage sowie eine Infrastruktur mit einem Gewerbegebiet sowie einer Start- und Landebahn für Flugzeuge.

Im darauffolgenden Jahr gastierte die Formel 1 erstmals auf dem Circuit Paul Ricard, der in seiner ursprünglich 5,842 Kilometer langen Konfiguration vor allem für die Mistral-Gerade bekannt war. Das 1,8 Kilometer lange Vollgasstück endete mit der ultraschnellen Signes-Kurve, welche unter den Piloten berüchtigt war. Gleichzeitig bedeutete dieser Streckenabschnitt maximale Belastungen für das Material. Motorplatzer waren in Le Castellet keine Seltenheit.

Formel 1, Frankreich GP 2018: Die Rennstrecke in Le Castellet

Das Formel-1-Streckenlayout des Circuit Paul Ricard in Le Castellet, Foto: Grand Prix de France
Das Formel-1-Streckenlayout des Circuit Paul Ricard in Le Castellet, Foto: Grand Prix de France

Turbo-Ära sorgt für Ende der Mistral-Gerade

In der Turbo-Ära eskalierten auf der Mistral die Topspeeds. Marc Surer wurde 1985 im Brabham BMW mit sagenhaften 338 km/h gemessen und stellte damit einen neuen Rekord auf. Nigel Mansell hingegen flog im Qualifying mit seinem Williams ab, nachdem bei über 300 km/h ein Reifen hochgegangen war. Der Brite war in der Auslaufzone von Signes in die Fangzäune geflogen. Einer der Pfeiler streifte ihn am Kopf. Mansell hatte Glück im Unglück und musste lediglich das Rennen mit einer Gehirnerschütterung auslassen.

Ein Jahr später war das Ende des ersten Layouts und damit auch das der Mistral-Gerade besiegelt. Elio de Angelis verunglückte bei Testfahrten tödlich, als er den Heckflügel seines Brabham BT55 bei der Anfahrt auf die Verrerie-Kurven verlor. Der Italiener überlebte zunächst den Aufprall, bei dem das Fahrzeug über die Leitplanken geschleudert wurde und Feuer fing. Es gelang ihm daraufhin jedoch nicht, sich aus eigener Kraft aus dem Wrack zu befreien.

Da bei den Testfahrten ein Mangel an Streckenpersonal herrschte, verzögerte sich die Bergung des Piloten im schweren Folgen. Beim Unfall selbst trug de Angelis nicht mehr als ein gebrochenes Schlüsselbein sowie Verbrennungen am Rücken davon. 29 Stunden nach dem Unfall verstarb er im Krankenhaus jedoch an einer Rauchvergiftung im Alter von nur 28 Jahren.

Motorschäden waren in Le Castellet früher an der Tagesordnung, Foto: Sutton
Motorschäden waren in Le Castellet früher an der Tagesordnung, Foto: Sutton

Ecclestone kauft Le Castellet auf und erschafft Testgelände

Die Formel 1 wich daraufhin auf das 3,812 Kilometer lange Club-Layout aus, welches die Mistral-Gerade auf einen Kilometer stutzte. Die Verrerie-Passage wurde dabei umfahren. Der letzte von insgesamt 14 Großen Preisen in Le Castellet wurde 1990 ausgetragen. Danach zog die Formel 1 von 1991 bis 2008 nach Magny-Cours.

Nach dem Tod des Initiators der Rennstrecke, dem Industriellen Paul Ricard, kaufte F1-Zampano Bernie Ecclestone die Anlage 1999 auf. Gemieden wurde der Circuit Paul Ricard von der Königsklasse in dieser Zeit aber nicht. Die in Südfrankreich durchgehend milden Temperaturen sowie die Infrastruktur machten den Kurs von Anfang an zu einer der beliebtesten Teststrecken in der Formel 1.

Ecclestone erkannte dies und erschuf mit einigen Umbauarbeiten eine noch besser für Testfahrten geeignete Anlage, die über einige Jahre als Paul Ricard High Tech Test Track bekannt war, bevor der Name wieder auf Circuit Paul Ricard geändert wurde. In den vergangenen Jahren wurde der Kurs aufgrund der strengen Testbeschränkungen in der Formel 1 hauptsächlich für Reifentests von Pirelli genutzt.

Im Dezember 2016 folgte die Bekanntgabe, dass die Formel 1 für den Frankreich GP ab 2018 nach Le Castellet zurückkehrt. Insgesamt bietet der Kurs in seiner heutigen Form eine Auswahl von 167 möglichen Streckenverläufen. Angefangen bei 0,826 Kilometer bis zur vollen Länge von 5,861 Kilometern. Die Formel 1 nutzt 2018 letzteres Layout.

Le Castellet war als Teststrecke in der Formel 1 seit jeher äußerst beliebt, Foto: Bumstead/Sutton
Le Castellet war als Teststrecke in der Formel 1 seit jeher äußerst beliebt, Foto: Bumstead/Sutton

Formel 1, Frankreich 2018: Eine Runde in Le Castellet

Dieses verfügt über insgesamt 15 Kurven. Neun davon sind Links, sechs Rechtskurven. Nach dem Start erwartet die Piloten mit 590 Metern ein langer Weg bis zur ersten Passage, dem Verrerie-S. Auf Start/Ziel befindet sich zudem eine von zwei DRS-Zonen, 115 Meter nach der letzten Kurve darf der Flügel geöffnet werden. Danach folgt eine kurze Gerade, bevor es in die Virage de l'Hotel geht. Hier beginnt ein ziemlich enger Abschnitt, auf dem viel mechanischer Grip gefragt ist.

Nach einer Rechts-Links-Rechts-Kombination folgt eine weitere Rechtskurve, welche die Piloten auf die Mistral-Gerade führt. Hier gibt es die andere DRS-Zone. Die Topspeeds sollen im Bereich von etwa 330 km/h liegen. Nach einem Kilometer wird die Gerade von den Kurven acht und neun unterbrochen, welche den zweiten Sektor einleiten.

Streckendaten Circuit Paul Ricard
Länge:5,861 km
Runden:53
GP-Distanz:310,633 km
Kurven:15
Seite Pole Position:Links
Weg bis Kurve 1:590 m
Länge Boxengasse:595 m
Zeit in Box bei 80 km/h:26,7 s

Danach folgt der zweite Teil der Mistral-Geraden, welche in die mit deutlich über 250 km/h immer noch extrem schnelle Signes mündet. Nach dieser zehnten Kurve beginnt der dritte und letzte Sektor, der von einer langen Rechtskurve mit zwei Scheitelpunkten eingeläutet wird, nach der die Geschwindigkeiten wieder etwas heruntergehen. Turn 12 ist eine nach außen hängende 180-Grad-Linkskurve.

Danach folgt mit der langen und problemlos mit Vollgas zu durchfahrenden Kurve 13 der Sprint auf die letzte Passage. Diese besteht aus einer mittelschnellen Linkskurve und einer engen sowie langsamen Rechtskurve, welche die Piloten zurück auf Start-und-Ziel führt. Dort gibt es die zweite DRS-Zone. Der Highspeed-Charakter der Anfangsjahre hat durch die Schikane auf der Mistral zwar gelitten, mit 70 % Vollgasanteil bleibt Paul Ricard aber eine Motorenstrecke.

Neue Rennstrecke bedeutet viel Simulatorarbeit für die Teams

Für den Großteil der Formel 1 ist der Circuit Paul Ricard Neuland. Zwar können einige der Teams und Fahrer auf Erfahrungswerte von den Reifentests zurückgreifen, doch bei der Vorbereitung auf das Rennwochenende spielen die Simulatoren der Teams bei einer neuen Rennstrecke eine noch etwas größere Rolle.

Die Software von Mercedes verfügt zum Beispiel über ein lasergescanntes 3D-Modell der Rennstrecke, wie es seit einigen Jahren auch schon bei der Entwicklung von Rennsimulationen für den privaten Bereich verwendet wird. So können die Fahrer schon vorab Anbrems- sowie Einlenkpunkte verinnerlichen. Im Simulator macht sich der Pilot aber nicht nur mit der Strecke vertraut, er legt auch den Grundstein für das Setup.

Bei einem vertrauten Kurs wird was das angeht auf Daten aus der Vergangenheit zurückgegriffen. Im Falle eines neuen Austragungsortes werden im Simulator hingegen unterschiedliche Setups ausprobiert, um zum Beispiel die Flügeleinstellung festzulegen. Dazu werden im Simulator viele Runs mit unterschiedlichen Setups gefahren. Schon hier ist für die Ingenieure zu erkennen, welche Einstellungen in der Realität die beste Basis bieten.

Technikdaten Circuit Paul Ricard
Vollgasanteil:70 %
Benzinverbrauch:Mittel
Topspeed:ca. 330 km/h
Max. g-Kräfte:4,1 (Turn 11)
Gangwechsel pro Runde:46
Anbremsen mit über 2 g:6 Mal
Anbremsen mit über 4 g:2 Mal

Ebenfalls berücksichtigt wird, wie das Material von der Strecke beansprucht wird. So kann das Team im Simulator herausfinden, wie viel Bremskühlung nötig sein wird. In Le Castellet erwartet Mercedes in dieser Hinsicht keine großen Belastungen. Allerdings hat auch der Simulator seine Grenzen.

Die finale Balance und detaillierte Angaben darüber, wie sich das Auto in den unterschiedlichen Passagen verhalten wird, können erst in der Realität bestimmt werden. All dies hängt letztendlich von den Reifentemperaturen ab. Zwar greift Mercedes im Simulator auch auf Wetteraufzeichnungen und entsprechende Temperaturen zurück, doch am Rennwochenende zählen auch Intuition und Erfahrung.