In deiner Karriere hattest du ein paar schwierige Phasen zu bewältigen. Zuerst das Aus im Red-Bull-Juniorprogramm, dann tat sich die Chance als Mercedes Testfahrer auf und war bald wieder zu Ende, dann
Brendon Hartley unterbricht: Bei Mercedes war ich Simulator-Entwicklungs-Testfahrer, aber eine Chance auf die Formel 1 gab es da nicht wirklich...

Danach hattest du diese tolle Zeit bei Porsche und dann ging dort das WEC-Programm zu Ende ... welche Situation in deiner Karriere war für dich am Schwierigsten?
Brendon Hartley: [denkt nach] Ich glaube, den Platz bei Red Bull Mitte 2010 zu verlieren. Weil damals wusste ich nicht, wie meine Karriere weitergehen wird. Ich habe hart gearbeitet, um hierher zurückzukommen. Es hat viele Jahre gedauert, viele Anrufe gebraucht, viele verschiedene Gelegenheiten... das war wahrscheinlich die schwierigste Zeit, weil ich nicht genau wusste, wie weitergeht. Ich habe ein paar Jahre für Mercedes gearbeitet, dann mit Langstreckenrennen angefangen... aber anfangs nichts zu wissen, das war hart. Gleichzeitig habe ich mich davon nicht runterziehen lassen, habe sehr hart gearbeitet und bin positiv geblieben. Dann hat letztendlich alles funktioniert. Ich denke, das ist die Story meiner Karriere. Ich habe nicht aufgeben, und war sehr entschlossen, erfolgreich zu sein.

Was genau hast du vom Rauswurf aus dem Red-Bull-Junior-Programm gelernt, wie hast du darauf reagiert?
Brendon Hartley: Ich glaube, das war nicht nur ein Ding. Ich habe viel über mich selbst gelernt. Als ein junger Mensch lernst du viel über Erfolg und Scheitern, gerade im Sport. Wie du damit umgehst, wie du davon lernst, wie du mit dem Druck umgehst. Was macht mich glücklich, was hilft meiner Leistung. Das kommt nicht einfach so, das kommt durch Erfahrung. Jeder Fahrer wird dir sagen, dass er seit dem Beginn seiner Karriere viel gelernt hat. Ich denke es ist normal, dass du von deinen Erfahrungen lernst. Besonders auf diesem Level. Jeder in diesem Fahrerlager ist gut darin, von guten und von schlechten Erfahrungen zu lernen.

Trotz Auswechsel-Gerüchten: Brendon Hartley geduldig beim Autogramme-Schreiben in Montreal, Foto: Sutton
Trotz Auswechsel-Gerüchten: Brendon Hartley geduldig beim Autogramme-Schreiben in Montreal, Foto: Sutton

Wie kam das Ende im Red-Bull-Programm damals?
Brendon Hartley: Als ich 2010 wegging, war es ziemlich klar, dass ich die Leistung nicht brachte, und nicht zufrieden war, und viele andere Dinge. Das war auch der Punkt, von dem an ich versuchte, das Rennfahren viel mehr zu genießen und Wege zu finden, wie man ein Sportler auf hohem Level sein kann. Ich denke, jeder wird in seiner Karriere durch etwas Ähnliches gehen, und ich habe viel aus Fehlern gelernt.

Hattest du einen Plan B?
Brendon Hartley: Nein.

Kannst du uns etwas über deinen Hintergrund erzählen? Motorsport ist so teuer, viele die hier sind, haben es finanziell gar nicht nötig, überhaupt zu arbeiten. Wie sah es bei dir aus?
Brendon Hartley: Meine Familie ist ein kleines Familienunternehmen, in dem mein Vater, mein Bruder, meine Mutter und noch ein Angestellter Rennmotoren bauen. Ich hatte nie auch nur den Traum, in Europa Rennen zu fahren. Ich hatte tolle Unterstützer in Neuseeland, um dort in der Toyota Racing Series und in der Formel Ford zu fahren. Aber meine Eltern waren da über Karts und Formel Ford hinaus, wo wir alles selbst gemacht haben, nicht in der Position, um etwas beizusteuern.

Ich hatte viel, viel Glück, dass ich aus der Toyota Racing Series raus von Red Bull übernommen wurde. Es war eigentlich eine einfache E-Mail an Helmut Marko damals, wir hatten den Kontakt von jemandem in Neuseeland, der mich entdeckt hatte. Wir fragten um 10.000 bis 15.000 Euro an und bekamen einen Red Bull Young Driver Vertrag zurück. Ich musste nur nach Estoril und die Young Driver Search machen, was ich tat. Das kam eher aus dem Nichts.

Ich habe die Schule verlassen, das Zuhause verlassen. Ich habe die Schule nicht abgeschlossen, um den Traum von der Formel 1 zu verfolgen. Ich hatte keinen Plan B, aber das war vielleicht einer der Gründe, warum ich nach dem Ende mit Red Bull 2010 keine andere Option sah außer tief in die Sache reinzugehen, mir anzuschauen was ich anders machen kann, und es zu versuchen.

Aber wenn es keinen Plan B gibt, du nicht weißt, wo du das Geld herbekommt... Hast du keine Existenzängste?
Brendon Hartley: Nein, meine Frau arbeitete als Kellnerin, und ich begann für Mercedes als Simulatorfahrer zu arbeiten. Ich habe auch als Fahr-Trainer gearbeitet. Es ist ja nicht so, dass ich nur rumgesessen bin und nichts getan habe. Damit verdiente ich ein bisschen Geld. So sind wir durchgekommen, und mit ein paar kleinen Sponsoren in Neuseeland. Gemeinsam mit meinen Unterstützern haben wir das Geld für die richtigen Gelegenheiten aufgebracht. Ein paar waren LMP2, ein paar Gratis-Cockpits hier und da. Bevor ich wieder ein Paydriver im Langstreckensport wurde, und dann endlich ins Porsche-LMP1-Programm kam.

Ich glaube, ich bin in der Minderheit, und bin einer jener Fahrer, die nicht mit ganz viel Geld der Familie im Hintergrund gekommen sind. Aber ich sehe diese Leute nicht anders. Mein Geld kam von Red Bull, das von jemand anderen kam als vom Vater.

Letztendlich braucht jeder Geld, egal woher es kommt...
Brendon Hartley: Ja. Ich hatte viel Glück mit Red Bull, schon von einem frühen Alter an. Und auch mit ein paar guten Unterstützern in Neuseeland.

Bei dir ging es in deiner Rennfahrer-Karriere immer um alles. Wie gehst du mit Druck um?
Brendon Hartley: Ich glaube, du musst den Druck irgendwie akzeptieren. Ich weiß, dass ich unter Druck bessere Leistungen abliefere, auch im täglichen Leben. Es hilft mir, wenn ich ein Zeitlimit habe, dann schaffe ich Dinge viel effizienter. Ich nehme an, es gibt viele Rennfahrer mit ähnlichen Eigenschaften. Das ist ein Teil vom Rennfahren. Der meiste Druck kommt auch von uns selbst, wir wollen die bestmögliche Leistung bringen. In der Formel 1 schauen viel mehr Leute zu, viel mehr Medien, Teamchefs, und ein riesiges Team. Das kann definitiv mehr Druck aufbauen. Aber Erfahrung hilft definitiv. Du wirst darin immer besser.

Helmut Marko entscheidet bei Red Bull über Karrieren, Foto: Sutton
Helmut Marko entscheidet bei Red Bull über Karrieren, Foto: Sutton

Wie kamst du nach dem Ende des Porsche-Programms wieder auf Helmut Marko? Es gibt da ja dieses bekannte Telefonat...
Brendon Hartley: Zuallererst hatte ich nicht erwartet, dass das LMP1-Programm endet. Das war sehr enttäuschend. Ich dachte, vielleicht gibt es Chancen beim Testen, ich war mir nicht sicher, wen Red Bull beim Young Driver Day in Budapest einsetzt ... es war nur ein oder zwei Wochen vor dem Test, da habe ich Helmut angerufen. Die Nachricht war einfach: Wenn es eine Gelegenheit gab, war ich da und bereit. Ich habe nicht erwartet, dass ich noch in dem Jahr mein Formel-1-Debüt geben würde. Als ich den Anruf machte, habe ich das nicht erwartet.

Die Abfolge der Ereignisse war ziemlich einzigartig, das Timing war perfekt. Genau zum Auslaufen des LMP1-Programms kam die Gelegenheit in der Formel 1. Ich hätte es nicht planen können. Ich glaube, es gibt viele Momente in meiner Karriere, die so ähnlich waren. Die erste Gelegenheit für mich als 15-Jährigen war so ähnlich, das hätten wir nicht planen können, das Red Bull genau da nach einem Fahrer mit einer gewissen Erfahrung sucht. Timing ist immer wichtig. Zumindest habe ich den Anruf gemacht, viele andere hätten das sicher nicht gemacht.

Dr. Helmut Marko ist kein einfacher Mensch. Wenn ich etwas von ihm will, gehe ich mit einer ordentlichen Portion Respekt und vielleicht auch ein wenig Angst rein. Hattest du Angst?
Brendon Hartley: Bei diesem Anruf? Da war ich nicht nervös, weil ich nichts zu verlieren hatte. Ich war ein Weltmeister, hatte gerade Le Mans gewonnen. Ich hatte nichts zu verlieren. In den früheren Tagen, wenn da die Anrufe von Helmut kamen, ging der Puls nach oben. Besonders in den frühen Tagen. Das war nie ein guter Anruf, er rief normalerweise nach schlechten Ergebnissen an. Aber ehrlich, er hat mir so viele Chancen gegeben und ich habe eine gute Beziehung zu ihm. Er kann hart sein, ist aber immer fair.

Wie war die Beziehung, nachdem du aus dem Red-Bull-Junior-Programm geflogen bist?
Brendon Hartley: Es war okay. Ich war im Red-Bull-Junior-Programm für fünf Jahre und respektierte, dass sie mir diese riesige Gelegenheit gaben. In dem Moment war ich nicht glücklich und habe die Leistung nicht gebracht. Ich war nicht bitter, habe es verstanden und weitergemacht. Dann habe ich versucht, das Beste daraus zu machen - dass ich in Europa war, die Erfahrung hatte. Und es ist ganz gut gelaufen.

Es hört sich blöd an, aber war es am Ende gut, dass das WEC-Programm von Porsche auslief? Sonst hättest du die Formel-1-Chance nicht bekommen...
Brendon Hartley: Ich glaube, das ist schwer zu beantworten. Ich habe es geliebt, in Le Mans zu fahren. Ich habe das Projekt geliebt, habe die Leute dort geliebt. Das Timing der Gelegenheit war natürlich perfekt, das hätte ich nie planen können. Ich kann nicht hier sitzen und sagen, dass ich glücklich bin, dass das Programm vorbei war.

Der Aufwärtstrend in Monaco blieb für Brendon Hartley nach dem Crash mit Charles Leclerc unbelohnt, Foto: LAT Images
Der Aufwärtstrend in Monaco blieb für Brendon Hartley nach dem Crash mit Charles Leclerc unbelohnt, Foto: LAT Images

Dann lass es mich anders formulieren: Was ist besser? In der Formel 1 zu fahren, aber einfach nur ohne Chancen auf Siege mitfahren, oder in der WEC zu fahren und dort um die Meisterschaft und den Le-Mans-Sieg zu fahren?
Brendon Hartley: Le Mans hat in meinem Herzen noch immer einen besonderen Platz. Ich will nicht lügen, das ist noch immer das Rennen, wo ich in der Startaufstellung die einzigartigsten Gefühle hatte. Die ganze Vorbereitung, die lange Woche vorher, die ganze Arbeit von 12 Monaten für dieses eine Rennen ... es ist eine sehr besondere Atmosphäre bei diesem Rennen, die ich sonst nirgends erlebt habe. Das soll die Formel 1 nicht abwerten, aber Le Mans ist für mich etwas Besonderes. Für Porsche in Le Mans am Start zu stehen. Ich nehme an, das Gefühl bei meinem Formel-1-Debüt in Austin war ähnlich. Aber ich habe definitiv eine besondere Verbindung mit Le Mans.

Es gab vor diesem Wochenende das Gerücht, dass dich Toro Rosso schnellstmöglich ersetzen will. McLaren-Junior Lando Norris stand im Raum, erhielt aber angeblich keine Freigabe. Du willst Gerüchte nicht kommentieren, aber fühlst du in dieser Situation jetzt besonderen Druck?
Brendon Hartley: Nicht wirklich. Ich will auch die bestmögliche Leistung bringen. Ich weiß, was ich im Hintergrund leiste. Ich weiß, dass ich die Fähigkeiten habe, hier zu sein und einen guten Job in der Formel 1 zu machen.

Wie sieht es jetzt mit einem Plan B aus?
Brendon Hartley: Ich bin absolut fokussiert auf den Job, für den ich bezahlt werde. Und für den ich einen Vertrag habe. Ich weiß, was in meinem Vertrag steht.

Bis zum Jahresende?
Brendon Hartley: Ja.