Formel 1 Kanada 2018: Brennpunkte zum Rennen in Montreal (06:49 Min.)

Die Formel-1-Saison 2018 nimmt so richtig Fahrt auf. Durch Daniel Ricciardos zuletzt zum Sieg gerettete MGU-Katastrophe in Monaco haben der Australier, Sebastian Vettel und Lewis Hamilton jetzt je zwei der bisher sechs F1-Rennen gewonnen. Der Dreikampf gewinnt damit auch bei den Teams an Schärfe.

Doch kann Red Bull Racing jetzt auch beim Kanada GP mit Ferrari und Mercedes mithalten? Mögliches Zünglein an der Montreal-Waage: Renault bringt ein Update für die Power Unit. Doch das ist längst nicht der einzige Brennpunkt auf dem Circuit Gilles Villeneuve.

Brennpunkt #1: Zurück zum Duell Ferrari gegen Mercedes?

Der Stadtkurs in Monaco war ganz klar Red-Bull-Land. Alle Sessions dominierten nur die Bullen. In Montreal erwarten die Teams jetzt aber ganz andere Herausforderungen: Der Circuit Gilles Villeneuve wartet mit der nach Shanghai zweitlängsten echten Geraden des F1-Rennkalenders auf, ist ein Stop&Go-Kurs, der aber nicht nur hohe Ansprüche an Power, sondern auch Bremsen und Traktion stellt. Somit deutet einiges darauf hin, dass es wieder zum Duell Ferrari gegen Mercedes kommt statt auf einen Dreikampf hinausläuft.

"Ich denke, dass unser Auto dort etwas besser sein wird. Klar wird es wieder eng zwischen den drei Teams, aber auf dem Papier sollten wir dort besser sein (als in Monaco, Anm. d. Red.)", meint Mercedes-Pilot Valtteri Bottas entsprechend optimistisch. Der Teamkollege des Finnen übt sich in größerer Vorsicht. "Es ist definitiv ein Dreikampf, sagt Lewis Hamilton.

Den leichten Favoritenstatus schieb der Formel-1-Weltmeister zu Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. "Ferrari ist meiner Meinung nach noch immer am stärksten. Ihr Auto war schnell, es hat schon die ganze Saison ziemlich gut funktioniert", erklärt der Brite. Doch legt Hamilton zwischen eigentlich mahnenden Zeilen auch der Scuderia den Finger in die Wunde: "Sie haben ein paar Mal den Ball fallen gelassen, woraus wir Kapital geschlagen haben. Also sind wir jetzt weiter vorne als wir es wären, wenn jeder denselben Job gemacht hätte."

Doch Red Bull selbst ist nach dem zweiten Saisonsieg nur noch mehr angestachelt - auch für Kurse, die auf dem Papier nicht so stark aussehen. "Wir haben ein sehr starkes Auto, das haben wir das ganze Wochenende (Monaco, Anm. d. Red.) gesehen. Daniel war immer der schnellste Fahrer jeder Session, hatte Pole, hat gewonnen und trotz Problemen gewonnen", sagt Teamchef Christian Horner.

Brennpunkt #2: Was kann das Renault-Update für Red Bull?

Damit nicht genug. In Kanada soll Red Bull on top noch eine Performance-Spritze verpasst bekommen. Renault hat für Montreal ein Motoren-Update angekündigt. "Bei Red Bull wird ein motorenseitiges Upgrade kommen, also wird es interessant werden, ihre Performance zu sehen", warnt Lewis Hamilton. "Ich denke, dass sie über das Jahr immer stärker werden werden." Doch wie viel bringt das Update überhaupt. Schlägt es krasser ein, als die Franzosen selbst erwarten? Kann das Upgrade Red Bull in Kanada richtig beflügeln?

Renault zweifelt selbst an Wundern und rätselt gar, ob Red Bull das neue Paket überhaupt einsetzen will. Hintergrund: Vor allem Ricciardo liegt seit seinem Defekt im Training in China nicht mehr im normalen Wechselzyklus, auch bei Verstappen läuft es spätestens seit Monaco nicht mehr regulär. Doch bei Red Bull selbst scheint sich diese Frage überhaupt nicht zu stellen. Aus drei Gründen.

Grund eins: Red Bull lechzt nach Erfolg. "Wir hatten schon immer gutes Chassis, die Probleme hatten wir immer nur am Samstag. Wenn wir da besser sind, können wir konkurrenzfähig sein. Wenn wir im Q3 etwas mehr Leistung bekommen, können wir Mercedes und Ferrari öfter die Stirn bieten", so Horner. Grund zwei: Red Bull muss die Zukunft klären. Wechseln die Bullen für 2019 zu Honda? Möglich. Doch die Zeit drängt. Umso essentieller eine letzte Standortbestimmung: Wie viel besser wird der Renault-Antrieb in Kanada? Was macht Honda, die bei RBR-Schwester Toro Rosso ebenfalls updaten? Grund drei: Zumindest Ricciardo kassiert ohnehin eine Strafe. Die MGU-K aus Monaco soll so gut wie sicher nicht zu retten sein:

Brennpunkt #3: McLaren? Renault? Haas? Wer glänzt im Mittelfeld?

Von Renault über McLaren und Force India bis zu Haas: Das Mittelfeld der Formel 1 ist 2018 so hart umkämpft wie schon lange nicht mehr. Wer hat in Montreal das bessere Ende für sich? So eng wie es zugeht, ist eine Prognose kaum möglich. Als leichter Favorit, weil im Schnitt bis dato mit dem besten Job, mag noch Renault auf die Ile Notre Dame reisen. Doch auf der Powerstrecke darf sich das ohnehin im Aufwind befindliche Force India dank Mercedes-Power - Renault-Update hin oder her - mindestens genauso viel ausrechnen. "Wir kommen auf solchen Strecken gut klar", erinnert Esteban Ocon. Allerdings hat Renault nicht nur den Motor, sondern auch "eine ganze Zahl aerodynamischer und mechanischer Upgrades" in petto, so Teamchef Cyril Abiteboul.

Haas F1 kämpft nach einem völligen Debakel in Monaco dagegen vor allem um Wiedergutmachung. O-Ton Kevin Magnussen: "Gut, dass wir da jetzt weg sind und in Kanada wieder den Kampf aufnehmen können!" Der Ferrari-Motor wird helfen, die Reifen stören: Auch in Kanada gibt es Hypersoft. Den hatte Haas in Monaco extrem schlecht zum Arbeiten bekommen. "Wir sollten ein gutes Auto haben", denkt Romain Grosjean jedoch. Denn: Es gibt in Kanada Updates ohne Ende.

Und McLaren? Backt für Kanada kleine Brötchen. "Das wird ganz sicher eine harte Strecke für uns", fürchtet Fernando Alonso. "Das wird sicher nicht leicht", bestätigt Renndirektor Eric Boullier. Toro Rosso, Sauber sind dagegen einmal mehr eher Wundertüten, zumal dort drei von vier Fahrern die Strecke nicht einmal kennen. Williams kämpft weiter um den Anschluss.

Brennpunkt #4: Stresstest für den Hypersoft: Rekorde oder Graining?

Der neue Hypersoft-Reifen von Pirelli war bei seinem Debüt in Monaco im Qualifying Liebe auf den ersten Blick. Im Rennen aber beklagten sich die Fahrer immer wieder über Graining. Wie sieht es da erst auf dem viel schnelleren Circuit Gilles Villeneuve aus? Für Pirellis Mario Isola schwer vorherzusehen. Es handele sich tatsächlich um das echte Debüt dieses Reifen. "Monaco ja ist ja völlig atypisch", erinnert der Italiener.

Allerdings verfügt auch der Kurs in Montreal über einen sehr glatten Asphalt, noch dazu gibt es keine extremen lateralen Kräfte, vielmehr werden Reifen längs belastet - hohe Traktion aus Haarnadeln und extreme Bremspunkte lassen grüßen. Deshalb hat der Hypersoft in Kanada zumindest eine Chance bekommen. Weil sich in Kanada noch dazu weitaus besser überholen lässt als in Monaco, sollte das den Teams dieses Mal allerdings viel mehr taktische Spielmöglichkeiten ermöglichen. Pirelli erwartet dieses Mal mehr als einen Stopp.

Spannend wird jedoch auch die Frage, ob es die Topteams vermögen, sich trotz des extrem großen Deltas zum Ultrasoft mit dem härteren Gummi für Q3 zu qualifizieren. Sollte das gelingen, wären Ferrari, Red Bull und Mercedes dem Rest des Feldes noch überlegener als ohnehin. Vor allem Mercedes wäre hier interessiert, tat sich in Monte Carlo mit dem Hypersoft von den drei Spitzenteams noch am schwersten. "Deshalb müssen wir analysieren und lernen, sollten wir uns nicht mit einem anderen Reifen als Hypersoft für Q3 qualifizieren", so Valtteri Bottas. Insgesamt sei die Monaco-Schwäche aber noch immer mehr auf Auto-Charakteristik als Reifen zurückzuführen gewesen.

Brennpunkt #5: Wer landet in der "Wall of Champions"?

Michael Schumacher, Jacques Villeneuve und Damon Hill: Sie begründeten 1999 den Mythos der berüchtigten Mauer am Ausgang der letzten Kurvenkombination des Circuit Gilles Villeneuve, als ein F1-Weltmeister nach dem anderen die Streckenbegrenzung küsste. Seitdem hat so gut wie jeder F1-Fahrer mal oder nochmal Bekanntschaft mit der Wall of Champions gemacht - wenigstens durch ein leichtes Bürsten, im schlechteren Fall durch einen kapitalen Crash. Mit den 2018 nochmals schnelleren Autos wird die Herausforderung sicherlich nicht leichter. Wen erwischt es in diesem Jahr?