Daniel Ricciardo ist in der Formel 1 der Mann der Stunde. Nicht nur, dass der Australier gerade einen spektakulären Sieg beim F1-Saisonhighlight in Monaco errungen hat. Noch dazu gilt der Fahrer von Red Bull Racing nicht erst seit gestern als die Königsfigur schlechthin auf dem Fahrermarkt der Formel 1.

Ende 2018 endet Daniel Ricciardos Kontrakt mit Red Bull - Teamkollege Max Verstappen hingegen hatte bereits 2017 frühzeitig um mehrere Jahre verlängert. Weil Ricciardo seinen Rennstall hinhielt - und noch immer hinhält - hieß es schon, Verstappen, ohnehin schon Shootingstar, würde für sein Treuebekenntnis zur eher weniger als mehr geheimen Nummer eins im Team.

Max Verstappen stellt Red Bull vor Geduldsprobe

Doch der Saisonverlauf 2018 stellt alles auf den Kopf. In Sachen Fahrermarkt hat sich bislang zwar nichts getan. Noch immer ist die Situation für Ricciardo so ungewiss, aber auch verlockend wie eh und je: Weder Lewis Hamilton, noch Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen liegen Verträge bei Ferrari und Mercedes für 2019 vor. Doch bei Red Bull hat sich die Situation dramatisch gedreht. Denn: Max Verstappen steht plötzlich völlig neben sich.

Im Interview mit Motorsport-Magazin.com gibt Max Verstappen von seiner regelrechten Fehler-Flutwelle 2018 selbst lediglich zwei zu, doch so gut wie jeder Experte und Beobachter sieht das ganz anders. Groß ist die Kritik am jungen Niederländer. Besonders scharf formulierte es Jacques Villeneuve, der bei Motorsport-Magazin.com unmissverständlich zu verstehen gab, wen er als besseren Red-Bull-Piloten sieht: Daniel Ricciardo.

Daniel Ricciardo Red Bulls neue Lebensversicherung

Inzwischen ist jedoch selbst Red-Bull-Verantwortlich anzumerken, dass ihre Geduld durchaus strapaziert ist. Die TV-Bilder von Dr. Helmut Marko nach dem Monaco-Crash Verstappens sprechen Bände, sagen mehr als alle Worte. Mit Worten fallen unterdessen auch die ersten Mahnungen, aber nicht mit letzter Schärfe.

"Er hat dieses Jahr einige harte Lektionen erlebt. Ein veränderter Ansatz würde helfen", meint Teamchef Christian Horner immerhin nach dem jüngsten Vorfall. Doch geht der Brite davon aus, dass Verstappen sich aus dem Tief befreien wird. "Max hat genug Talent", so Horner.

Red Bull: Verstappen wird zurückschlagen - aber wann?

Letztlich verteidigt der Teamchef seinen ungestümen Youngster wieder: "Er ist sehr früh in die F1 gekommen und lernt daher in einer sehr öffentlichen Umgebung. Die meisten anderen Fahrer haben diese Erfahrungen in kleineren Formelserien gemacht, in denen es niemand mitbekommen hat. Aber ich bin sicher, dass er es überstehen wird."

Die Frage ist nur: Wann? Rechtzeitig für einen WM-Kampf, wenn Red Bull mal wieder ein entsprechendes Auto-Motor-Gespann dafür zusammenbekommt? Schon 2018 ist der Rennstall davon nicht mehr allzu weit entfernt. Umso mehr mit Blick auf 2019 sorgt dieser Risikofaktor nun dafür, dass sich ausgerechnet einer über die neusten Verstappen-Sorgen ganz besonders freuen kann: Daniel Ricciardo.

Ricciardo-Erfolge bei Verstappen-Krise stärken Verhandlungsposition

Hintergrund: Der Australier ist aktuell ganz klar die Zuverlässigkeit in Person - und schnell, auf einem Niveau mit Verstappen. Das weiß auch der Teamchef. "Seitdem er hier ist war nie mehr als eine Zehntel zwischen ihnen. Daniel steigert sich immer weiter, ist in einem Karrierehoch. Heute (der Rennsonntag in Monaco, Anm. d. Red.) war eine großartige Demonstration seines Problem-Managements in Stresssituationen. Wie er damit umgegangen ist, war unglaublich", lobt Horner.

Heißt angesichts der gegenwärtigen Schlechtwetterlage in Holland: Auf einen Daniel Ricciardo kann Red Bull kein Stück weit verzichten, möchte man in der WM-Wertung (zumindest mit einem Fahrer) ganz vorne mitmischen. Das wiederum heißt für Daniel Ricciardo: Steigende Aktien, bessere Karten im Vertragspoker mit Red Bull Racing. Verstappens Fehler könnten für Red Bull also nicht nur wegen Ersatzteilen und weniger Preisgeld für schlechtere WM-Plätze teuer werden.

Christian Horner: Darum stärkt Ricciardos Erfolg auch Red Bull

"Punkte zu verschenken und Schäden zu erleiden kostet auf zwei Ebenen. Wir sollten auf einem Niveau mit Mercedes und Ferrari sein, haben so schon 60 Punkte verschenkt. Wir brauchen beide Fahrer am Optimum, um mit ihnen zu kämpfen", weiß auch Horner.

Der Teamchef weiter auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Man kann das auf zwei Arten sehen: Daniel wird teurer und sein Wert steigt - oder es bringt das Team in eine bessere Situation für die Verhandlungen mit ihm, weil es ihm zeigt, dass das Potential da ist", so Horner.

Eine clevere Einschätzung. Genau Letzteres ist immerhin Ricciardos wichtigster Punkt. Der Mann will in erster Linie gewinnen, erst in zweiter gut verdienen. Red Bull sieht es in der gegenwärtigen Situation also ganz offensichtlich so: Lieber einen teuren Ricciardo, als gar keinen sowohl schnellen als auch zuverlässigen Fahrer.

Doch dafür muss das Team das entsprechend konkurrenzfähige Material erst einmal dauerhaft bieten. Oder zumindest deutlicher als bisher Entwicklungspotential zeigen. Das hatte Ricciardo mit Blick auf die Power Units von Renault zuletzt klar angezweifelt. Auch deshalb überlegt Red Bull, 2019 zu Honda zu wechseln.

Motorenzukunft für Red Bull hat Priorität: 2019 Honda?

Daher liegt die Priorität des Rennstalls aktuell auch auf diesem Gebiet. "Ich hoffe wir finden in den nächsten Monaten eine Lösung, um mit ihm zu verlängern. Aber wir müssen vorher erst einmal über den Motor sprechen und dieses Thema klären. Dann machen wir mit dem Fahrer weiter", so Horner. Das klingt fast 1:1 wie die Vertragsepisode um McLaren und Fernando Alonso im Vorjahr, die im Motorenwechsel von Honda zu Renault endete.

Für den Spanier am Ende ein Rohrkrepierer. An die Spitze katapultiere es McLaren nicht. Für Ricciardo ist die Ausgangslage jedoch ohnehin eine andere. Das Red-Bull-Chassis kann tatsächlich etwas. "In Bahrain hätte er ohne Zuverlässigkeitsproblem eine Siegchance gehabt und was in Baku passiert ist, wissen wir auch alle", erinnert Horner nur daran, Ricciardos WM-Situation könne allein mit mehr Glück noch einmal deutlich besser aussehen.

"Er ist jetzt Dritter und wir haben ein sehr starkes Auto. Wir haben das das ganze Wochenende gesehen. Er war immer der schnellste Fahrer, in jeder Session, Pole, hat gewonnen und die Probleme ausgeglichen. Man sieht, wie gut er ins Team passt. Ich hoffe, dass es in den nächsten Monaten mit dem Vertrag weitergeht", sagt Horner. Ein Hoffen, das mehr wie ein Beten klingt.