Der Saisonstart verlief für dich aus unterschiedlichen Gründen etwas enttäuschend. Nach dem Rennen in Baku hast du sogar deine Medienrunde abgesagt, was sehr untypisch für dich ist. Wie lange brauchst du, um über so etwas hinwegzukommen?
Valtteri Bottas: Es war ganz klar ein extrem enttäuschendes Resultat. Sehr schmerzhaft. Aber das passiert. Ich denke, dass ich am Montag wieder darüber hinweg war. Am Ende des Montags war es abgehakt. Es hat also schon etwas Zeit gebraucht. Länger als gewöhnlich, denn wenn du erst einmal so ein Rennen hast, so nah an dem Sieg dran bist und auch schon die beiden Rennen davor kurz vor dem Sieg gestanden hast und dann denkst, jetzt bekommst du ihn endlich, dir dann aber plötzlich alles entrissen wird... Es hat mir aber nicht die ganze Woche danach ruiniert.

Valtteri Bottas' Siegchancen lösten sich in Gummi auf, Foto: Sutton
Valtteri Bottas' Siegchancen lösten sich in Gummi auf, Foto: Sutton

Du bist Finne, also abgesehen von Alkohol: Was hast du getan, um den Frust zu bewältigen?
Valtteri Bottas: [lacht] Ich hatte Grippe. Ich konnte nicht wirklich trainieren und es wurde erst Donnerstag nach dem Grand Prix besser. Aber es war auch nichts Besonderes. Ich bin einfach zurück nach Hause gefahren und habe über das Rennen und darüber, was passiert ist, nachgedacht. Es war eigentlich ein ganz normaler Prozess. Das läuft sowieso fast automatisch, weil wir so viele Rennen haben, da gibt es immer wieder auch Enttäuschungen. Da musste ich nichts Besonderes machen, denn es war einfach nur ein Rennen.

Formel-1-Fahrer sagen - genau wie Fußballspieler -, dass sie nicht auf den Meisterschaftsstand schauen. Aber denkt man da nicht manchmal schon dran? Besonders in solchen Situationen? Nach dem Fehler in Melbourne dann Pech in China und Pech in Baku. Du könntest die WM anführen…
Valtteri Bottas: Ja, könnte ich. Aber so läuft es manchmal eben. Ich will nicht zu viel daran denken. Aber klar - ich kenne die Fakten. Dass ich die WM angeführt hätte, wenn ich in Baku gewonnen hätte. Aber jetzt bin ich recht weit hinten. Das ist mir bewusst. Aber ich kann nichts ändern, was in der Vergangenheit liegt. Deshalb will ich mir da keine allzu großen Sorgen drüber machen. Ich will positiv denken. Das ist immer der bessere Weg. Und Fakt ist auch, dass es erst sechs Rennen waren. Es sind noch immer so viele zu fahren. Wir sind erst am Anfang der Saison. Wenn ich meinen Level der letzten Rennen halte, dann wir es früher oder später besser werden.

Ein Teil ist, wie du damit umgehst. Aber wichtig ist auch, wie Leute, die wichtig für dich sind, das sehen. Leute, die dich beurteilen. Denkst du, dass du am Ende nach WM-Punkten bewertest wirst oder nach der Performance und was hätte sein können?
Valtteri Bottas: Ich denke, dass die Leute, auf die es bei meiner Bewertung ankommt, genau wissen, was ich leiste. Sie schauen sich nicht nur die Punkte an. Sie sehen mehr. In unserem Team weiß jeder, wie ich performt habe. Auch wenn ich null Punkte hätte. Wir kennen die Gründe, warum ich diese und nicht jene Anzahl an Punkten habe. Also ist es in Ordnung.

Es ist vermutlich nicht besonders klug, einen Rennfahrer zu fragen, warum er schnell ist. Aber Ende letzten Jahres warst du nach einem Durchhänger zurück, fühltest dich im Auto wieder stark und wohl. Hast du zum Start dieser Saison einfach weiter gemacht oder ist es jetzt etwas anderes? Hast du etwas im Winter geändert?
Valtteri Bottas: [überlegt kurz] Ich denke, viel davon kommt noch vom vergangenen Jahr. Dass ich mich am Ende im Auto gut gefühlt habe und über die schwierige Phase hinweggekommen bin, mein Vertrauen im Auto zurückgewonnen habe. All das. Nach einer Saison kennst du das Team und kannst einfach vom letzten Rennen des Vorjahres an das erste Rennen dieses Jahres anknüpfen. So läuft es. Ich denke, dass es sich jetzt ähnlich anfühlt wie Ende vergangenen Jahres und wir machen permanent Fortschritte. Ich denke, es ist also mehr ein 'Drananknüpfen'. Von den letzten beiden Rennen letzten Jahres bis hierher bin ich ziemlich zufrieden mit meiner Leistung. Ich will diesen Weg jetzt weitergehen.

Vor Brasilien 2017 hattest du ein paar Probleme, weil dir die Entwicklung des Autos und die Richtung des Setups nicht entgegenkamen. Kannst du dieses Jahr denn etwas tun, um zu verhindern, dass sich dieses Problem wiederholt? Bist du sicher, dass das nicht wieder passiert?
Valtteri Bottas: Ja, ich bin sicher. Ich habe von all den Schwierigkeiten und Problemen gelernt, die wir vergangenes Jahr hatten. Ich musste selbst sehr viel lernen, dass ich an manchen Stellen meinen Fahrstil ändern musste und wie ich das Setup des Autos angehen muss und dann damit fahren muss. Ich habe alles über diese Kernprobleme, die ich hatte, gelernt. Ich mache mir keine Sorgen. Das Auto, das wir dieses Jahr haben, ist sicher noch nicht leicht einzustellen, aber ganz klar besser als im vergangenen Jahr. Das hilft mir.

Hält der Team-Frieden nur so lange Hamilton vorne ist?, Foto: LAT Images
Hält der Team-Frieden nur so lange Hamilton vorne ist?, Foto: LAT Images

Deine Beziehung zu Lewis sieht von außen sehr gut, sehr gesund aus. Das war mit Lewis' Teamkollegen nicht immer so.
Valtteri Bottas: Es ist wahr, es gibt in keinem Punkt irgendwelche Probleme zwischen Lewis und mir. Und ich sehe da auch in Zukunft keine Probleme.

Bei Lewis und Nico war auch solange alles gut, bis sie gegeneinander um die Weltmeisterschaft gekämpft haben. Bist du dir sicher, dass eure Beziehung auch dann so bleibt wie sie jetzt ist, wenn ihr gegeneinander um die WM kämpft?
Valtteri Bottas: Ehrlich gesagt, denke ich ja. Ich denke, dass es schon Rennen gab, in denen ich im Qualifying und Rennen vor Lewis war und auch das hat nichts geändert. Der Respekt, den wir für einander haben, die Dinge, über die wir übereinkommen sind als wir Teamkollegen wurden, hart Rennen zu fahren, aber auch als Team zu arbeiten... da kann ich nicht sehen, dass sich das an irgendeinem Punkt ändern könnte. Ich kann ehrlich gesagt keinen Fall sehen, in dem es ein Problem geben könnte. Auch wenn es eng wird und wir enge Rennen haben. Es wird immer gleich bleiben. Denn wir wissen beide, dass das Team davon profitiert, dass wir als Team arbeiten.

Von außen denken viele Leute bei euch: Hey, da ist Lewis der große Star der Formel 1 und dann du, schnell, aber vielleicht nicht ganz so wichtig für das Team. Hattest du je den Eindruck oder das Gefühl, dass es so sein könnte?
Valtteri Bottas: Nein. Klar, wenn du als Fahrer neu in ein Team kommst und neben dir einen Fahrer hast, der alles und jeden kennt, weiß, wie das Team arbeitet und für den alles viel gewohnter ist, jeder auch ihn besser kennt, dann ist das völlig normal. Aber ich habe mich hier zu keinem Zeitpunkt als der zweite Mann gefühlt. Das Team gibt auch mir immer ganz genauso die Gelegenheit, zu siegen. Das Team braucht uns beide, wenn wir wie vergangenes Jahr die WM gewinnen wollen. Ich fühle mich im Team wohl und spüre viel Unterstützung.

Wie wichtig sind dabei Dinge wie Ungarn vergangenes Jahr, als das Team Positionen getauscht hat und anschließend wieder zurück? Denn nicht viele Teams hier im Paddock hätten das so gemacht...
Valtteri Bottas: Wir haben als Team festgelegt, dass wir für uns beide so fair wie es geht sein wollen. Das ist wichtig. Ich kann dem Team da definitiv zu 100 Prozent vertrauen, dass ich dieselbe Unterstützung bekomme wie Lewis. Und für Lewis ist es genauso. Er vertraut auch darauf, dass er wie ich die gleiche Unterstützung erhält.

Letztes Jahr hast du gesagt, dass der Druck sich für dich nicht so sehr geändert hat, weil du von Williams - einem Mittelfeldteam - zu einem Topteam gewechselt bist. Du meintest, es sei eher der Druck, den du dir selbst machst. Hast du da etwas geändert? Balancierst du besser aus, wie viel Druck du dir selbst machst?
Valtteri Bottas: Ja, ich habe aus dem vergangenen Jahr gelernt, dass ich mir manchmal selbst zu viel Druck mache. Denn das einzige, das ich will, ist gewinnen. Ich will einfach immer gewinnen. Aber in jedem Sport lernst du, wie du mit dir selbst umgehen musst. Wenn du Probleme hast, wenn du harte Zeiten hast. Es ist für mich ganz natürlich geworden, was ich da machen kann. Es ist aber auch so: Je mehr Selbstvertrauen du gewinnst, desto besser kannst du auf der Strecke performen und desto glücklicher ist das Team mit dir.

Was passiert, wenn du dich selbst zu viel Druck aussetzt? Machst du dann kleine Fehler? Überfährst du das Auto?
Valtteri Bottas: Ich denke, dass die Formel 1 da ein sehr sensitiver Sport ist. Wenn du zu viel denkst, kann dir das manchmal wehtun, wenn dann das Fahren nicht mehr natürlich ist. Es ist ein schmaler Grat. Natürlich muss man auch denken, es ist schwer zu erklären. Wer Sport macht, der weiß, dass es nicht besser wird, wenn er über ein gewisses Limit hinausgeht. Du musst die Dinge fließen lassen.

Hattest du diese Probleme im vergangenen Jahr zum ersten Mal in deiner Karriere?
Valtteri Bottas: Nein, ganz klar nicht. Es gab das schon als ich noch ein Kind war und in den Nachwuchsklassen Go-Kart gefahren bin. Da gab es diese Momente schon. Ob es ein Rennwochenende war oder eine Kurve oder Runde, in denen ich es zu hart versucht habe.

Wie viele Mercedes-Boliden darf Valtteri Bottas noch präsentieren?, Foto: Mercedes-Benz
Wie viele Mercedes-Boliden darf Valtteri Bottas noch präsentieren?, Foto: Mercedes-Benz

Bist du jetzt fahrerisch an deinem persönlichen Maximum angekommen?
Valtteri Bottas: Es gibt immer Raum, sich zu verbessern. Immer. Aber ich denke, dass ich gut fahre. So gut wie eh und je. Aber es geht immer noch mehr. Es ist noch nicht zu Ende. Du kannst immer noch besser werden.

Du hast bewiesen, dass du Rennen gewinnen kannst. Du hast bewiesen, dass du auch im WM-Kampf sein kannst wenn wir berücksichtigen, wie diese Saison bisher läuft. Aber du hast wieder nur einen Einjahresvertrag. Zum zweiten Mal. Denkst du, dass du jetzt in eine Position bist, etwas vom Team einzufordern?
Valtteri Bottas: Das sehen wir später im Jahr noch. Aber ich hoffe es. Bislang war das Team zufrieden mit mir. Da wäre es nur natürlich, wenn ich länger als ein Jahr im Team bleibe. Es ist dafür aber noch etwas früh. Ich selbst würde es aber ganz klar vorziehen, wenn ich wüsste, was ich in den nächsten zwei Jahren mache - wenigstens.