Die Formel 1 weiß auch in Barcelona zu überraschen. Dass Lewis Hamilton und Valtteri Bottas beim Spanien GP 2018 aus der ersten Reihe starten würden, mag für den ein oder andere keine Sensation sein. Eine Sensation ist es tatsächlich nicht, aber zu erwarten war es auch nicht unbedingt.

Zuletzt holte sich Sebastian Vettel im Ferrari dreimal die Pole Position, in Barcelona musste er sich - wenn auch nur knapp - geschlagen geben. Viel verwunderlicher als die Reihenfolge ist aber, wie sie zustande kam. Ferrari fuhr im letzten Qualifikationsabschnitt, in dem es nur um die Rundenzeit, nicht um Startreifen oder dergleichen geht, die schnellsten Zeiten auf Soft. Dabei steht mit dem Supersoft an diesem Wochenende eine weichere Mischung zur Verfügung.

Das ganze Wochenende zeigte der Supersoft schon ein eigenwilliges Verhalten, brachte offenbar nicht die von Pirelli versprochene Extra-Performance. Doch dass ausgerechnet Ferrari größere Probleme damit haben würde, sorgte im Fahrerlager für Verwunderung. Seit 2017 ist genau das eigentlich eine bekannte Mercedes-Schwäche: Die Silberpfeile haben Probleme damit, aus den weichsten Reifen noch einmal die Extra-Performance herauszuholen.

Pirellis Spezial-Reifen einen Kilogramm leichter

In Barcelona war es plötzlich anders. Sebastian Vettel hatte auch einen Verdacht. Pirelli hat an diesem Wochenende die Lauffläche um 0,4 Millimeter eingeschmolzen. Eine Maßnahme, die aufgrund des neuen Asphalts als notwendig erachtet wurde. Hohe laterale Kräfte durch Extra-Grip bei gleichzeitig kaum Reifenverschleiß veranlasste den Reifenlieferanten dazu, in Spanien, Frankreich und Großbritannien diese dünneren Reifen zu bringen.

Ganz so deutlich wollte es Vettel nicht sagen, aber durch die Blume war seine Kritik zu verstehen: "Die Reifen hier haben zwar die gleichen Farben wie sonst auch, aber sie sind dünner, vor allem aber härter." Nicht wenige meinen, die Änderung würde Mercedes entgegenkommen, außerdem hätte Mercedes Pirelli und FIA dazu angestoßen, die Reifen zu ändern. "Schön wäre es, wenn sie uns helfen", meint Weltmeister Lewis Hamilton lediglich. Auch Teamchef Toto Wolff tat das Gerücht als Müll ab.

Einige glauben, dass der große Unterschied gar erst im Rennen sichtbar wird. Dafür waren die Änderungen nämlich gedacht. "Das Rennen könnte ein bisschen anders werden", glaubt auch Vettel. Auch wenn sich 0,4 Millimeter nach wenig anhören, insgesamt verlor der Reifensatz dadurch einen Kilogramm Gummi. Dieses Kilo weniger soll dafür sorgen, dass die Temperatur nicht vom Gummi aufgenommen wird, die Bladenbildung dadurch zu einem geringeren Problem wird.

Die Reifen sind beim Spanien GP in Barcelona ein großes Thema, Foto: Sutton
Die Reifen sind beim Spanien GP in Barcelona ein großes Thema, Foto: Sutton

Bei Pirelli ist man von Vettels Vermutung nicht besonders begeistert. Mario Isola zu Motorsport-Magazin.com: "Die Mischungen sind exakt gleich wie immer. Wir haben eine sehr strenge Qualitätskontrolle. Die Probleme, die man sehen konnte und von denen die Fahrer berichteten, deuten eher auf einen zu weichen, als auf einen zu harten Reifen hin."

Mercedes sicher: Barcelona-Updates funktionieren

Bei Mercedes sieht man die Gründe für das gute Abschneiden naturgemäß anders. "Die aerodynamischen Upgrades, die wir zu diesem Rennen mitgebracht haben, funktionieren gut", freute sich Teamchef Toto Wolff.

Auch wenn sich Mercedes alles andere als in Sicherheit wiegt: Im Rennen sah Mercedes in dieser Saison konkurrenzfähiger als im Qualifying. Teilweise kommt das von den Motoren. Ferrari ist beim Ölverbrauch aggressiver, holt hier inzwischen im Qualifying mehr Leistung raus. Mercedes hingegen hat den Vorteil beim Verbrauch.

Das bedeutet nicht unbedingt weniger Benzinsparen oder mehr Leistung, die Teams investieren das gerne in Gewicht. Wer wenig verbraucht, muss nicht mit den maximalen 105 Kilogramm Benzin starten. Das bringt Rundenzeit und schont die Reifen. Bei den hohen lateralen Kräften auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Spanien GP: Strategie erlaubt ein und zwei Stopps

Aber Vettel hat trotzdem Hoffnung. Zum einen ruht die natürlich auf den Start. Der Weg bis zum ersten Bremspunkt ist mit 739,5 Metern einer der längsten der gesamten Saison. "Platz drei ist da eine ganz gute Position", meint Vettel. Der Windschatten wird am Ende der Geraden recht effektiv. "Aber es ist natürlich kein Russland", sagte Vettel in der Pressekonferenz mit einem Schmunzeln in Richtung Bottas.

"Aber das Rennen ist länger als eine Gerade", fügte Vettel an. "Die Pace sollte ziemlich ähnlich sein. Und bei der Strategie: Sie können nicht uns beide covern." Kimi Räikkönen startet direkt hinter Vettel auf Rang vier, Ferrari hat zwei Strategie-Waffen. Die hat Mercedes allerdings auch, weil Hamilton und Bottas vorne stehen.

Dazu droht das Rennen strategisch kein Leckerbissen zu werden. Abgesehen von Fernando Alonso starten alle Piloten in den Top-10 auf den Soft-Reifen. Das Ziel ist klar. "Jeder versucht, so lange wie möglich auf Soft zu fahren, um dann auf Medium zu wechseln, um nur einen Stopp zu machen", verrät Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo kein Geheimnis.

Spanien GP 2018: Mögliche Strategien

  • Schnellste: Zwei Stopps - Supersoft 16 Runden - Soft 25R - Soft bis zum Ziel
  • 2. Schnellste: Ein Stopp - Soft 35 Runden - Medium bis zum Ziel
  • 3. Schnellste: Ein Stopp - Supersoft 29 Runden - Medium bis zum Ziel

Unterschiedliche Reihenfolgen der Mischungen sind bei allen Strategien möglich

Theoretisch zumindest sagen aber die Pirelli-Analysen, dass eine Zweistopp-Strategie schneller sei. Der Unterschied ist marginal, aber immerhin eine Möglichkeit. Vielleicht eben für Red Bull? "Mercedes und Ferrari haben uns inzwischen leider auf der Rechnung", ärgert sich Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko. In China brachte Red Bull das Unterschätzen seitens Ferrari und Mercedes noch den Sieg.

Sebastian Vettel: Ferrari, Mercedes & Red Bull kämpfen um Barcelona-Sieg

Dadurch wiederum könnten sich strategisch vorne doch unterschiedliche Optionen ergeben, weil Mercedes möglicherweise nicht nur Ferrari, sondern auch Red Bull covern muss. Ob Red Bull aber im Rennen tatsächlich eine Gefahr ist? Im Qualifying lagen Max Verstappen und Daniel Ricciardo noch sechs Zehntelsekunden zurück. "Es sollte ein enges Rennen werden und unserer Meinung nach sollte da auch Red Bull sehr schnell sein", meint Vettel.

Longruns auf Supersoft:

FahrerReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
Verstappen20131:22,666
Vettel20111:22,920
Bottas1571:22,952
Ricciardo1781:23,124
Hamilton1371:23,366

Auch wenn Barcelona auf den ersten Blick nicht nach einer Power-Strecke aussieht und Red Bull hier keinen ganz so großen Nachteil haben sollte, ist es in der Praxis inzwischen anders. "Die Strecke entwickelt sich gegen uns", erklärt Max Verstappen. "Durch die Entwicklung fahren wir immer mehr Vollgas. Von Kurve eins bis vier geht alles Vollgas, von Kurve sieben bis zehn ebenfalls. Dazu kommt die Lange Start- und Zielgerade."

Longruns auf Soft:

FahrerReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
Vettel1431:21,342
Verstappen19121:21,399
Ricciardo24111:21,429
Hamilton25171:21,827

Im Renntrimm könnte der Nachteil dann einmal mehr etwas weniger stark zum Tragen kommen. Und Marko meinte schon nach dem Freitag: "Im Renntrimm waren wir die schnellsten." Das sah auch Mercedes so. "Auf den Longruns gestern sah Ferrari sehr konkurrenzfähig aus und Red Bull war besonders stark", so Wolff.

Mercedes hat aber auch noch eine weitere Befürchtung. "Wir erwarten, dass es in der Nacht regnet, wodurch sich die Strecke zurückentwickeln wird. Zudem wird es kühler als am Freitag", meint Andrew Shovlin, Mercedes' Leitender Streckeningenieur. In der Vergangenheit waren die Faktoren grüne Strecke und kühle Temperaturen noch ein klarer Vorteil für Mercedes - aber was ist in der Formel-1-Saison 2018 schon normal?