Die Formel 1 hat in ihrer 68-jährigen Geschichte schon viel erlebt, aber so etwas wohl noch nicht: Williams protestiert nach dem Aserbaidschan GP 2018 in Baku gleich gegen mehrere Entscheidungen der Rennstewards. Teilweise geht es um Entscheidungen, in die kein Williams-Pilot involviert war.

Es geht um die Entscheidungen 34, 43 und 51 der Stewards. Im Dokument 34 sprachen Tom Kristensen, Garry Connelly, Dennis Dean und Anar Shukurov eine Strafe gegen Williams-Pilot Sergey Sirotkin aus, weil er nach dem Start in Kurve zwei Sergio Perez ins Heck gekracht war.

Weil Sirotkin nach einer Kollision auf der anschließenden Geraden ausschied, belegten die Stewards den Russen mit einer Startplatzstrafe für den nächsten Grand Prix und zwei Strafpunkte. Sirotkin muss beim Spanien GP in Barcelona um drei Startplätze nach hinten.

In Dokument 43 wurde der Zwischenfall zwischen Pierre Gasly und Kevin Magnussen genauer unter die Lupe genommen. Kurz vor dem Ende des Aserbaidschan GP fuhr Magnussen nach dem Restart Gasly auf der Geraden seitlich ins Auto. Der Haas-Pilot wurde mit einer nachträglichen Zehn-Sekunden-Strafe und ebenfalls zwei Strafpunkten belegt.

In Dokument 51 geht es um die Kollision zwischen Kimi Räikkönen und Esteban Ocon. Der Ferrari-Pilot kollidierte mit dem Force India in Kurve drei der Startrunde. Für Ocon war das Rennen beendet, Räikkönen konnte weiterfahren und holte am Ende noch Rang zwei. Die Stewards sahen die Schuld am Unfall eher bei Ocon, sprachen aber letztlich keine Strafe aus.

Williams will zwei weitere Baku-Szenen geklärt wissen

Damit aber nicht genug: Williams fordert ebenfalls, dass sich die Stewards zwei weitere Szenen noch einmal ansehen: Zum einen geht es um den Unfall, der schließlich auch zum Aus von Sergey Sirotkin führte. Nico Hülkenberg zog auf der Gegengerade leicht nach links, nahm Sirotkin somit in die Zange, weil auf der anderen Seite Fernando Alonso fuhr.

Zu diesem Zwischenfall gab es keine gesonderte Untersuchung. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com betrachteten die Stewards den Unfall aber sehr wohl genauer, betrachteten ihn aber unisono als klassischen Rennunfall in der Startphase.

Noch kurioser: Williams verlangt eine Klärung des Zwischenfalls zwischen den Autos 17, 27 und 35. Die Nummer 27 gehört Hülkenberg, die 35 Sirotkin. Startnummer 17 ist aber gar nicht vergeben. Die FIA schreibt deshalb selbst: "Wahrscheinlich ist diese Angabe falsch und es handelt sich um Auto 14, namentlich Fernando Alonso."

Hülkenberg konnte nach dem Unfall ohne Probleme weiterfahren, Alonsos McLaren war allerdings stark beschädigt. Jedoch konnte der Spanier seinen Boliden in sehenswerter Manier noch zurück an die Box bringen. Trotz der Beschädigungen fuhr Alonso am Ende noch auf Rang sieben.

Fuhr Alonso unrechtmäßig zurück an die Box?

Aber auch daran stört sich Williams: War es okay, wie Alonso den kaputten McLaren zurück an die Box brachte? Schließlich war die gesamte rechte Seite kaputt, der zweimalige Formel-1-Weltmeister fuhr nur noch auf zwei Reifen zurück, schlug mit einem offensichtlich kaum mehr steuerbaren McLaren sogar an der Boxenmauer an.

Konkret macht Williams von Artikel 14.1.1 des internationalen Sporting Codes Gebrauch. Darin ist geregelt, dass Entscheidungen der Stewards noch einmal aufgerollt werden können. Um einen Fall neu aufzurollen, muss allerdings ein neues Beweiselement vorliegen, dass bei der damaligen Urteilsfindung noch nicht vorlag.

In einer Telefonkonferenz am Dienstag, den 08. Mai 2018 um 11:00 Uhr deutscher Zeit wird es dazu eine Anhörung geben. Zunächst geht es nur darum, ob es neue Elemente gibt, welche die Stewards in ihre Entscheidung miteinbeziehen könnten. Sollten tatsächlich neue Beweiselemente vorliegen, werden eine Stunde später die Fälle - ebenfalls telefonisch - neu beurteilt.

Von Williams gibt es bislang noch keine Stellungnahme zum überraschenden Einspruch. Dass man die Startplatzstrafe gegen Sergey Sirotkin anfechtet, mag noch nachvollziehbar sein. Dass aber auch sämtliche andere Entscheidungen in Frage gestellt werden, wirft die ein oder andere Frage auf.

Erhofft man sich dadurch noch nachträgliche Strafen für die Konkurrenz? Williams-Pilot Lance Stroll kam in Baku als Achter ins Ziel. Eine Zeitstrafe gegen Fernando Alonso beispielsweise könnte Williams noch eine Position bringen.