Ferrari und die ewige Statusfrage seiner Fahrer. Seit Jahren ein beliebtes Thema in der Formel 1. Rubens Barrichello und Felipe Massa können ein Lied davon singen. Sie die wohl bekanntesten Wasserträger für Michael Schumacher bzw. Fernando Alonso - vor allem zwei gewissen berühmt-berüchtigten Funksprüchen sei Dank.

Tritt nun Kimi Räikkönen deren Erbe an? Ausgerechnet Kimi Räikkönen, der bis dato noch immer letzte Ferrari-Weltmeister? Zumindest in gewissen Fan-Kreisen des Finnen eine in den vergangenen Monaten, nein Jahren, eine vielleicht nicht beliebte, aber vorhandene Theorie. Doch nicht nur dort. Auch F1-Insider, selbst mancher Konkurrent, beäugt die Situation der Ferrari-Fahrer inzwischen vor diesem Hintergrund.

China, Ungarn, Monaco: Fährt Räikkönen für Vettel oder sich selbst?

So wurden schon 2017 insbesondere Vettels Siege in Ungarn und Monaco hinterfragt. Wurde der Deutsche seitens der Scuderia hier klar bevorteilt? Räikkönen als klarer Wasserträger, WM-Gehilfe?

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Auch 2018 gab es bereits einen Casus Knacktus: In China musste Räikkönen als rollende Schikane gegen Valtteri Bottas herhalten, um Vettel eine Angriffschance auf den Mercedes zu ermöglichen, nachdem Ferrari den Silberpfeilen zuvor am Kommandostand unterlegen war. Die Folge: Räikkönens Rennen war zu diesem Zeitpunkt zerstört, nur Glück spülte den Finnen am Ende wieder auf das Podium.

Bottas: Ferrari hat mich mit Räikkönen-Bremsklotz nicht überrascht

Der betroffene Bottas selbst sagte nach der Aktion mit einem Schmunzeln, er habe seitens Ferrari mit nichts anderem gerechnet. Allerdings hätten wohl viele Teams ähnlich agiert. "Es hängt einfach von der Situation ab und den Punkten. Es war ein Versuch von ihnen, der mich auch etwas ausgebremst, aber immerhin keine Positionen gekostet hat. Aber das ist die F1. Wir haben zwei Fahrer, und wenn einer hinten ist, dann gibt es immer Gelegenheiten, so etwas zu tun", sagt Bottas.

Formel-1-Technikchef kritisiert Ferrari für Räikkönen-Taktik

Schärfer mit Ferrari ins Gericht geht Pat Symonds. Der ehemalige Williams-Ingenieur verdingt sich inzwischen beim kommerziellen Rechteinhaber, also bei der Formel 1 selbst. In einer F1-Aussendung kritisiert Symonds Ferrari für deren Umgang mit Räikkönen in China - nicht nur des Finnen selbst wegen, sondern auch des gesamten Teamerfolgs.

Symonds: "Sie müssen entscheiden, wie sie Rennen fahren wollen. Wie sie Räikkönen in China benutzt haben war unglücklich - ihn so lang draußen zu lassen und zu versuchen, so die anderen Autos einzubremsen. Um ehrlich zu sein, hat es nicht einmal funktioniert. [...] Es war keine berauschende strategische Entscheidung. Ich denke nicht, dass man auf diese Weise eine Konstrukteursweltmeisterschaft gewinnt. Aber ihnen scheint die Fahrerweltmeisterschaft wichtiger ..."

Hamilton: Räikkönen bei Ferrari im Pech

Auch Lewis Hamilton ist aufgefallen, dass Räikkönen seitens Ferrari nicht gerade oberste Priorität zu genießen scheint. "Kimi fährt auf seinem absolut besten Niveau. Aber er hatte sehr viel Pech damit, wie das Team operiert", so der Weltmeister. Besonders Interesse an der Situation des Finnen bei Ferrari hat jedoch nicht nur Hamilton wegen der Bedeutung für den WM-Kampf, sondern auch Daniel Ricciardo.

Immerhin gilt der Australier nicht erst seit gestern als ganz heißer Kandidat für das Ferrari-Cockpit des Finnen ab 2019. Sollte er den Iceman beerben, dann definitiv nur unter der Bedingung absoluter Gleichberechtigung. "Egal, wohin ich gehe, ich würde immer sicherstellen, dass Klarheit herrscht. Ich würde nirgendwo hingehen, wo ich spüren würde, keine Chance zu haben", so Ricciardo. Bei Red Bull sei das immer der Fall gewesen. Er erwarte dasselbe auch bei jedem anderen Team. Ob das auch der Fall sei? "Ich weiß es nicht. Ich weiß natürlich nicht, was bei anderen Teams abgeht", so Ricciardo.

Räikkönen überzeugt von Chancengleichheit bei Ferrari

Zumindest mit Blick auf Ferrari weiß das jedoch einer ganz genau: Kimi Räikkönen. Der, um den sich hier alles dreht. Wie denkt der Finne selbst über seinen Status im Team? Absolut klar. Der Finne sieht sich bei der Scuderia vollkommen gleichberechtigt, zumindest in sämtlichen Pressekonferenzen und Interviews - während er am Boxenfunk in der jüngeren Vergangenheit nicht nur einmal, vorsichtig ausgedrückt, verwundert über manch eine Entscheidung klang.

"Soweit ich weiß, habe ich 100 Prozent die gleichen Chancen wie jeder andere. Wir versuchen, das Beste herauszuholen", sagt Räikkönen. Was Strategien wie in China angehe sei man nachher immer schlauer, so Räikkönen. Er wisse nicht, ob sein eigenes Rennen in Shanghai durch die Hilfe für Vettel zerstört worden sei - wie für jeden externen Beobachter sofort ersichtlich. "Klar war es vielleicht nicht ideal, aber dann hat das Safety Car geholfen und das Endergebnis war so okay", sagt Räikkönen.

Räikkönen: Strategie-Wahlrecht in eigener Hand

Der Finne ergänzt zumindest: "Es hängt aber davon ab, wie man es betrachtet: Ich wurde Dritter, natürlich will ich mehr, das Team will mehr. Aber es hätte viel schlechter sein können …", deutet Räikkönen zumindest unterschwellig Kritik an.

Doch sei bei Ferrari dem Finnen zufolge das teamtaktische Vorgehen ohnehin sehr klar geregelt. "Es hängt davon ab, wo wir uns qualifizieren, wer vorne ist und wer hinten und wie ich mich erinnere, ist es in jedem anderen Team gleich", berichtet Räikkönen. Heißt in der Theorie: Bekommt der Finne im Qualifying seine teilweise besseren Sektoren mal in einer Runde zusammen und startet vor Vettel, bekommt er auch die bessere Strategie.