Eigentlich ist die Sache nach dem Aserbaidschan GP doch klar: Sebastian Vettel verpasste seinen dritten Sieg in der Formel-1-Saison 2018 nur, weil das Safety Car zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf die Strecke kam. In dieser ungünstigen Konstellation versuchte er beim Restart noch alles, um den Sieg doch noch zu holen und übertrieb es dabei leider. Das Pech führte zum Unglück.

Formel 1 2018: So verlor Vettel den Sieg in Baku (58:33 Min.)

Tatsächlich aber muss sich Ferrari an die eigene Nase fassen. Die Strategie-Abteilung muss sich die Frage gefallen lassen, warum Vettel zu einem völlig unnötigen Zeitpunkt zum Stopp geholt wurde. Denn wäre Vettel weiter draußen geblieben, hätte er Valtteri Bottas abgesichert.

  • Runde 22 Hamilton verbremst sich auf P2, wechselt von SS auf S
  • Runde 30 Vettel wechselt auf P1 von SS auf S, Bottas übernimmt Führung
  • Runde 40 Red-Bull-Crash, Safety-Car
  • Runde 40 Bottas wechselt von SS auf US
  • Runde 40 Vettel wechselt von S auf US
  • Runde 40 Hamilton wechselt von S auf US

Vettels Reifen gingen vor seinem Stopp in Runde 30 nicht ein. Der Ferrari-Pilot fuhr auch mit den alten Supersofts noch gleichmäßige Rundenzeiten. Aus Reifensicht wäre der Stopp also nicht nötig gewesen.

Ferrari sieht Bottas-Gefahr nicht

Tatsächlich kristallisierte sich nach Hamiltons Boxenstopp sogar Valtteri Bottas als ernsthafter Konkurrent heraus. Der Mercedes-Pilot hatte zwar bei Vettels Stopp noch rund zehn Sekunden Rückstand, holte aber Runde für Runde ein wenig auf.

Selbst nach Vettels Stopp konnte er mit den frischen Soft-Reifen die Zeiten von Bottas auf den abgefahrenen Supersofts nicht mitgehen. Ferrari begab sich deshalb mit Vettels Stopp in doppelte Gefahr: Es war zu erwarten, dass Bottas weiter draußen bleiben würde und dann am Ende des Rennens für einen Schlusssprint auf die Ultrasoft-Pneus wechseln würde. Mit frischen Ultrasofts hätte Bottas auch ohne Safety Car eine Chance gegen Vettel auf gebrauchten Softs gehabt.

Und dann war da natürlich noch die Gefahr eines Safety Cars, wodurch Bottas seinen einzigen Stopp geschenkt bekommen würde. Wäre Vettel einfach draußen geblieben und hätte das gleiche gemacht wie Bottas, wäre er auf der sicheren Seite gewesen. Der Vorsprung war groß genug, um reagieren zu können, agieren war nicht nötig.

Vettel: Wollten klar vor Hamilton rauskommen

Doch der ein oder andere mag nun widersprechen: Was ist mit der Gefahr, die hinten von Hamilton auf den frischen Soft-Reifen ausgegangen war? Tatsächlich fuhr Hamilton nach seinem Stopp auf den neuen Reifen schneller als Vettel an der Spitze.

Vettel rechtfertigte seinen Stopp auch so: "Ich habe mit dem Team gesprochen und wir haben entschieden, nicht so lange zu warten, damit Lewis mit frischen Reifen nicht aufholt und wir dann nach dem Stopp nur zwei oder drei Sekunden vor ihm rauskommen und er dann im Windschatten ist."

Und tatsächlich hat Vettel auch beim Windschatten recht. Der Effekt ist in Baku aufgrund der ewig langen Vollgas-Passage, der tiefen Lage unter dem Meeresspiegel und den starken Winden besonders groß. Dazu stimmte Mercedes den Silberpfeil konsequent auf Höchstgeschwindigkeit ab.

Aber trotzdem gab es einen gravierenden Fehler im Ferrari-System: Ja, Hamilton war auf den neuen Reifen schneller. Aber nur geringfügig. In fünf Runden holte der Brite nicht einmal zwei Sekunden auf - eine Sekunde davon allein in Runde 26, als Vettel Pierre Gasly überrunden musste.

Ferrari überschätzt Hamilton

Dabei hatte Hamilton aber vor dem Stopp durch seinen heftigen Verbremser enorm auf Vettel verloren. Sein Rückstand wuchs vor dem Stopp binnen einer Runde von 3,7 auf 8,3 Sekunden an. Als Vettel zum Reifenwechsel kam, hatte er noch 28,3 Sekunden Vorsprung auf Hamilton - bei einem Stopp verliert man rund 21 Sekunden.

Vettel kam ziemlich genau 7,5 Sekunden vor Hamilton wieder auf die Strecke. Vettel verteidigte die Strategie: "Valtteri hatte nichts zu verlieren, er hat gepusht wie verrückt und hat sein Rennen gemacht. Er hat auf das Safety Car gewettet und das kam dann."

Doch das stimmt nicht ganz. Die von Vettel befürchteten zwei oder drei Sekunden sind weit von den 7,5 Sekunden entfernt, die er tatsächlich wieder vor Hamilton auf die Strecke kam. Ferrari fokussierte sich zu sehr auf Hamilton und war dabei deutlich zu konservativ. Man hätte deutlich mehr Spielraum gehabt, um gleichzeitig auch Bottas abzuschirmen. Doch nach China fürchtete man sich panisch vor einem Undercut.

Wie sehr die Formel-1-Rennen 2018 von Kleinigkeiten abhängen, zeigte sich in Baku erneut. Hätte sich Hamilton nicht kapital verbremst, wäre er nicht so früh zum Stopp gekommen. Dann hätte Ferrari vielleicht nicht so panisch reagiert. Und hätte Räikkönen sein Qualifying nicht so dermaßen verhauen, hätte Ferrari nicht mit einem Auto gegen zwei Mercedes kämpfen müssen.