Honda zählt auch nach einem für Toro Rosso bei Weitem nicht mehr so prickelnden Formel-1-Rennen in China noch immer zu den ersten großen Überraschungen der F1-Saison 2018. Zum einen, weil die Power Units aus Sakura in Shanghai nicht der Grund für das schwache Abschneiden der Truppe aus Faenza waren. Zum anderen, weil Toro Rosso nur eine Woche zuvor auf der Vollgasstrecke von Bahrain überragend stark unterwegs und die klare Nummer eins im Mittelfeld gewesen war - trotz Honda.

Das freut Toro Rosso. Aber nicht nur Toro Rosso. Sondern auch die große Schwester Red Bull Racing. Nicht ganz ohne Hintergedanken verfrachtete Red Bull die Power Units der Japaner in der berüchtigten F1-Motoren- und Fahrerrochade im Herbst vergangenen Jahres zu seinem Nachwuchsteam: Hier hat Red Bull das perfekte Experimentierfeld, um nicht nur wie bisher den nächsten Top-Fahrer für das Hauptteam, sondern jetzt vielleicht den neuen Motorenpartner zu finden.

2019 Formel 1 mit Honda? Noch weicht Red Bull aus

Mit Stammpartner Renault zeigt sich Red Bull immerhin seit Jahren nicht sonderlich happy. Bereits mehrfach hat man sich zerstritten. Es ist kein Zufall, dass die Power Units im Red Bull offiziell nicht Renault, sondern TAG-Heuer heißen. Begeisterung sieht anders aus, und klingt anders, wie sich schon dutzende Male zeigte. Zuletzt erst wieder in Bahrain, einzig durch ein unverkennbares Schnauben und Nicken Helmut Markos in Richtung der Franzosen - im Motorsport-Magazin.com-Interview auf die Frage, warum Daniel Ricciardo denn schon in Runde zwei ausgeschieden sei.

Nicht nur einmal ließ Red Bull in den vergangenen Jahren zudem wissen, wie viel mit dem eigenen Chassis doch möglich sei, hätte man nur nicht diesen gewaltigen Nachteil gegenüber Mercedes im Heck. Entsprechend stellt sich nun zunehmend die Frage: Kann und soll Honda hier die Erlösung sein? Ausgerechnet Honda, die in drei Jahren bei McLaren einzig und allein für negative Schlagzeilen sorgten?

Angesichts der aktuell positiven Entwicklung bei Toro Rosso scheint das immer wahrscheinlicher, ist eine im Fahrerlager gerne bemühte Prognose. Doch was sagt Red Bull dazu? Bisher vor allem eines: abwarten. "Das ist eine andere Geschichte", weicht etwa Marko auf die Frage aus, ob Toro Rossos starke Leistung auf dem leistungssensitiven Kurs von Bahrain schon Gedankenspiele für 2019 bei Red Bull anstoße.

Formel 1 2018: Rennanalyse China GP (35:19 Min.)

Schlüsselrennen Kanada: Honda bringt Performance-Upgrade

"Wir müssen uns als eines der besten Mittelfeldteams positionieren. Der Weg im vorigen Jahr zeigte: Wir müssen etwas anders machen. Darum haben wir beide Fahrer getauscht und den Motorwechsel gemacht. Es ist zwar nur ein Rennen, aber der Weg und vor allem die Einstellung stimmen, sowohl von Honda als auch von Toro Rosso", ergänzt der Grazer.

Heißt im Klartext: Nach nur wenigen guten Rennen und erfolgreichen Testfahrten will man sich noch nicht final festlegen. Worauf Red Bull noch wartet? Mehr Bestätigung der Honda-Performances, klar. Aber offenbar auch den nächsten Entwicklungsschritt. "Sie werden noch ein paar weitere Rennen abwarten, bis Europa auf jeden Fall. Dann ist der Trend bei der Performance klarer erkennbar", meint etwa Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo.

Tatsächlich dürfte es noch marginal länger dauern. Bis zum Kanada GP. Dann nämlich will Honda ein Performance-Update zünden. "Die Performanceverbesserung der Power Unit kommt in Kanada", berichtet Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost Motorsport-Magazin.com. Damit kann Red Bull dann den direkten Vergleich angehen, wird ein Renault-Upgrade doch für den Spanien GP erwartet.

Daniel Ricciardo: Vertrauen in Renault-Aufschwung schwindet

Tost erwartet positive Nachrichten, setzt großes Vertrauen in die Japaner. "Ich bin zuversichtlich. Vor allem für die Rennen in der zweiten Saisonhälfte, wenn dann die ganzen Entwicklungspläne von Honda und unserer Seite aufgehen", so der Teamchef. Sollte das Upgrade tatsächlich zünden, dürfte Red Bull ernsthaft überlegen. Noch ernsthafter als ohnehin schon. So meinte Ricciardo nach der Toro-Rosso-Honda-Schau von Bahrain: "Das ist ermutigend für Honda. Es hilft sicherlich ihren Chancen, für Red Bull attraktiv zu sein. Es ist kein Geheimnis, dass es das Team ermutigt zu wechseln, wenn Toro Rosso weiter so weit vorne fährt."

Ihn selbst beschäftigt die Geschichte jedoch weniger. "Mit mir hat es sowieso nichts zu tun, da ich für das nächste Jahr nicht beim Team unter Vertrag stehe", sagt Ricciardo. Das könnte sich allerdings noch ändern. Besonders, nachdem der Australier nun in China wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt ist. Doch fackelte Ricciardo in China auch mal wieder ein Renault-Triebwerk ab.

Formel 1: Red Bull mit Optionen für 2019

Spielt die Motorenfrage für 2019 auch für Ricciardo eine Rolle? Offenbar. "Das sind wir aus den letzten Jahren ja leider gewohnt", kommentiert Ricciardo seinen Defekt in Shanghai. Wirklich an eine Trendwende bei den Franzosen zu glauben scheint der Australier jedenfalls nicht mehr. "Aber es gibt ja Optionen für das Team, was die Motoren nächstes Jahr angeht. Mir ist bewusst, dass es nächstes Jahr ein paar Änderungen geben könnte", sagt er.

Für Honda allein würde sich Ricciardo freuen. "Sie haben in den letzten Jahren ja einiges investiert und es hat mit McLaren nicht funktioniert. Aber echt cool, dass es mit Toro Rosso jetzt gut läuft", sagt er. Anders als Ricciardo bis 2020 an Red Bull gebunden und deshalb sicher deutlich interessierter an der Motorenfrage: Max Verstappen. "Ich denke, das ganze Paket scheint ganz ordentlich zu sein", kommentiert der Youngster sein ehemaliges Team Toro Rosso.

Ob Honda auch etwas für Red Bull wäre, vermag der Niederländer noch nicht zu sagen. "Ich habe da nicht drüber nachgedacht. Und um ehrlich zu sein, liegt das auch nicht an mir", so Verstappen. Doch eines ist für ihn ganz klar: "Es gilt doch bei jedem Team: Je mehr Power du hast, desto besser ist es natürlich. Aber es ist noch sehr früh, da müssen wir abwarten." Wenigstens bis Kanada.