Sechs Pole Positions und fünf Siege erzielte Lewis Hamilton in seiner Formel-1-Karriere bereits beim Großen Preis von China. Beides sind Streckenrekorde. Doch bei der 2018er Ausgabe des F1-Events in Shanghai verpasste es der Mercedes-Star und amtierende Weltmeister, diese Statistiken weiter aufzupolieren.

Formel 1 2018: Rennanalyse China GP (35:19 Min.)

Im Gegenteil: Lewis Hamilton erlebte in China ein Rennwochenende zum Vergessen. Schon wieder. Bereits in Bahrain war der Brite eine Woche zuvor seiner Topform hinterhergefahren. Zweimal in Folge unterlag er nun schon Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas. Im Qualifying. Im Rennen.

Lewis Hamilton: Meine Leistung war ein Schock

"Meine Leistung war schockierend. Ich hatte keine Pace. Am Freitag war ich noch schnell, dann ist am Samstag etwas passiert. Ich habe Probleme mit dem Auto bekommen und mich davon nicht mehr erholt", sagt Hamilton kurz nach dem Rennen in Shanghai, das der Brite auf Platz vier beendete.

Damit machte er sogar noch Punkte auf WM-Leader Sebastian Vettel gut, der in China eigentlich einem sicheren dritten Big Point im Duell der großen Titelrivalen entgegenzufahren schien. Doch Max Verstappen sorgte für das Gegenteil. Hamilton holte sogar einen Punkt mehr auf als es mit einem Sieg vor dem Ferrari-Piloten auf P2 gelungen wäre.

Rosberg: Sebastian Vettel muss typisches Hamilton-Tief nutzen

Genau darin sieht ein alter Bekannter ein großes Problem für Sebastian Vettel. "Lewis ist nicht in Form. Er hat immer solche Phasen gehabt. Die hat er jetzt gerade wieder. Das ist genau der Moment, den Sebastian jetzt absolut ausnutzen muss. Das ist heute natürlich schiefgegangen. Das ist nicht gut. Wenn man gegen Mercedes und Lewis in der WM kämpft, dann muss man immer das Maximum herausholen aus solchen Situationen. Unbedingt. Weil Lewis kommt zurück. Das ist klar. Und dann wird es schwer", sagt RTL-Experte Nico Rosberg.

Rosberg spricht aus eigener Erfahrung. Er selbst kennt diese Phasen des Lewis Hamilton aus seiner Zeit als dessen Teamkollege bei Mercedes. Damit war Rosberg zudem auf Jahre Hamiltons einziger ernster Rivale. Nur Mercedes verfügte zwischen 2014 und 2016 über einen titelfähigen Boliden.

Lewis Hamilton: Nicht die erste Durststrecke

"Das ist ein typisches Hamilton-Tief", sagt Rosberg schon vor dem Start. "Wenn er auch seine Runde aufgibt ... Valtteri jetzt zwei Mal in Folge vor ihm", kommentiert Rosberg das Qualifikationsergebnis in China. "Das sind die Momente ... da muss der Sebastian jetzt voll rein und maximale Punktzahl holen. Weil der Lewis kommt zurück und wenn er zurückkommt, dann ist er eine Wucht!"

Doch wann wird das passieren? Bleibt Vettel noch Zeit, sich entscheidend abzusetzen? So, wie es Anfang 2016 Nico Rosberg gelang, als der inzwischen letzte deutsche F1-Weltmeister zum Saisonstart vier Rennen in Folge gewann, 2015 bereits mit drei Siegen beendet hatte während Hamilton saisonübergreifend acht Rennen lang nicht mehr siegte. Für Hamiltons Verhältnisse eine unfassbare Durststrecke. Die von 2017 auf 2018 inzwischen fast erneut erreicht ist. Zum letzten Mal gewann Hamilton in Austin. Seit seinem Sieg beim USA GP sind sechs Rennen vergangen. Das entspricht einem halben Jahr ohne Sieg.

Wann kommt Hamilton zurück?

Wie lange geht es so weiter? "Hamilton steckt in einer Krise und verliert Punkte für die WM. Nach einem beeindruckenden Qualfiying in Melbourne, ist Lewis nicht mehr in der Lage, das Auto zu fahren. Er hat ziemliche Probleme. Wir haben vergangenes Jahr schon gesehen, dass er viel verliert, wenn er in einer Krise steckt. Wir müssen schauen, wann und ob er aufwacht", rätselt Sky-Italia-Experte Jacques Villeneuve. "Er wird sich zurückkämpfen, aber er muss einen Weg finden, sich an das neue Paradigma anzupassen", befindet Villeneuves Sky-UK-Kollege Damon Hill. Damit meint der Formel-1-Weltmeister von 1996 eine Zeitenwende in der F1, von der Hill schon nach dem Qualifying in China sprach.

Auch Rosberg stellt Hamilton keine optimistische Prognose. "Es ist ein komplett ratloser Lewis Hamilton, der dann auch so ein bisschen die Motivation verliert, wenn er spürt, dass es nicht läuft. Das sah nicht so gut aus", kommentiert er bei RTL Hamiltons selbstkritische Aussagen nach dem China GP.

Mercedes' F1-Chef: Auch die Besten nicht immer bei 100 Prozent

"Jemand hat mir gesagt, dass er sehr kritisch mit sich war", sagt Toto Wolff. Der Mercedes-Teamchef verteidigt seinen Spitzenmann: "Aber das ganze Wochenende war nicht gut für alle von uns. Das einzig Positive, das ich sehe, war wirklich Valtteris Rennen heute, das echt toll war. Er [Lewis, Anm. d. Red.] war wie das Auto dieses Wochenende vielleicht nicht am besten Ort. Aber er ist in meinen Augen der beste Fahrer und selbst die Besten haben Tage, an denen sie einfach nicht bei 100 Prozent sind."

Und Lewis Hamilton? Geht weiter hart mit sich ins Gericht. "Von meiner Seite war es ein Desaster. Der Samstag und der Sonntag fühlten sich für mich wie eine Katastrophe an. Ich hatte seit gestern einfach nicht die Pace und kämpfte mit dem Auto. Nicht die Pace zu haben, die ich normalerweise habe, da muss ich mich mit auseinandersetzen und versuchen, es zu verstehen und vorwärts zu kommen", sagt der vierfache Formel-1-Weltmeister.

Lewis Hamilton: Keine Pace, aber auch keine Krise

Kein Pace, ja. Aber Tief? Krise? Nein. Von den seitens Rosberg geschilderten Phasen will Hamilton nichts wissen. Für den Briten existieren diese nicht. "Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass ich dieses Wochenende voll auf der Höhe war. Ich habe mich genau wie immer vorbereitet. Ich habe einfach mit dem Auto gekämpft", stellt Hamilton klar. Er grüble nicht, denke nicht nach, hinterfrage sich nicht. "Ich bin einfach nur müde", sagt Hamilton.

Und weiter: "Wir haben uns unter Wert geschlagen, aber ich lasse deswegen den Kopf nicht hängen. Denn ich weiß, dass ein harter Kampf vor uns liegt. Ich muss zu meiner normalen Leistungsstärke zurückfinden, bevor wir noch mehr wertvolle Punkte verlieren!"