Ferrari reist mit zwei Siegen aus zwei Rennen in der Formel-1-Saison 2018 nach China. In Melbourne musste man noch auf das Pech der Konkurrenz hoffen, in Bahrain holte Sebastian Vettel den Sieg aus eigener Kraft.

Allerdings könnte der Unterschied zwischen Bahrain und Shanghai nicht größer sein: Bahrain geht auf die Hinterreifen, während China die Vorderachse deutlich mehr beansprucht. Dazu ist der Asphalt in der Wüste der rauste der gesamten Kalender, in Shanghai gibt es keine Besonderheiten. Dazu waren die Temperaturen trotz Nachtrennens in Bahrain hoch, in China hatte es am Freitag 17 Grad Luft- und gerade einmal 19 Grad Asphalttemperatur.

China ganz anders als Bahrain, Vorteil zurück bei Mercedes?

Kurz gesagt: Bahrain ist gestern. Nur weil Ferrari in Bahrain stark war, muss das nichts für dieses Wochenende bedeuten. "Die kalten Temperaturen spielen eher Mercedes in die Karten", meint Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Seit Bahrain bin ich mir da sicher."

Tatsächlich setzte Lewis Hamilton am Freitag die Bestzeiten - allerdings nur knapp vor Kimi Räikkönen. Und der Finne beklagte sich noch darüber, Verkehr gehabt zu haben. Addiert man die besten Sektoren, liegt der Ferrari-Pilot sogar eine halbe Sekunde vor Lewis Hamilton.

Während sich Räikkönen aber wohlfühlte, klagte Teamkollege und WM-Leader Vettel noch: "Ich glaube, wir können uns noch steigern, ich bin mit der Balance noch nicht ganz glücklich. Die macht noch ein bisschen, was ich nicht will."

Red Bull im Training abgeschlagen hinter Ferrari und Mercedes

Red Bull hingegen sieht in der Zeitenliste nicht beeindruckend aus. "Ein bisschen Feintuning auf eine Runde, um die Balance besser hinzubekommen und es sollte okay sein", meint Max Verstappen, dem gut drei Zehntel auf die Bestzeit fehlten. Teamkollege Daniel Ricciardo hatte einerseits damit zu kämpfen, die Performance vom Soft- auf den Ultrasoft-Reifen zu finden. Andererseits sorgte das Turbolader-Mapping für etwas Ärger auf seiner Seite der Garage.

Drei Zehntel Rückstand für Verstappen scheinen nicht groß, doch im Qualifying wird der Rückstand traditionell etwas größer. Von einem angeblich aggressiveren Setting des Renault-Motors weiß man bei Red Bull nichts. Im Qualifying sollte es schwer werden, Mercedes und Ferrari zu schlagen.

Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko zu Motorsport-Magazin.com: "Aber auf dieser Strecke kann man überholen. Wir wollen endlich zeigen, dass wir ein tolles Rennauto haben - aber dafür müssen wir erst einmal im Rennen sein..."

Red Bull will in China starke Rennpace beweisen

In Melbourne konnte Red Bull die Pace im Rennen nicht zeigen, weil sich Verstappen drehte und Ricciardo konstant im Verkehr steckte, in Bahrain gab es einen frühen Doppel-Ausfall. Red Bull spricht jedes Wochenende von einer starken Renn-Pace, will die aber auch endlich beweisen.

Longrun-Zeiten auf Ultrasoft

FahrerAlter ReifenStint-LängeDurchschntl. Zeit
Hamilton1491:39,075
Verstappen15101:39,095
Ricciardo1671:39,157
Bottas1371:39,212
Vettel1461:39,633

Tatsächlich waren die Longruns von Red Bull in China erneut stark. "Vor allem von Verstappen", schwärmt Marko. Der Niederländer war nur wenige Tausendstel langsamer als Lewis Hamilton, der auf dem Ultrasoft mit 1:39,075 Minuten den schnellsten Longrun fuhr. Dabei waren Verstappens Reifen sogar noch eine Runde älter - kein ganz unwesentlicher Unterschied.

"Ferraris Reifenabbau überrascht mich", gesteht Marko. Dabei gab es allerdings von Räikkönen keinen einzigen sinnvollen Longrun. Weder auf Ultrasoft, noch auf Soft oder Medium. Durch den einsetzenden Regen schaffte es der Finne nicht, einen sauberen Run ohne Verkehr hinzulegen.

Vettel im Longrun weit hinter Hamilton

Entsprechend stehen nur Daten von Sebastian Vettel zur Verfügung - der zugegebenermaßen Probleme hatte. Und tatsächlich spiegeln sich diese Probleme in seinem Longrun. Mit 1:39,633 Minuten war er fast sechs Zehntel langsamer als Hamilton. Besonders interessant: Vettel fängt auf Ultrasoft zwar schnell an, bricht aber dann regelrecht ein. Während Verstappen in seiner zehnten Runde noch 1:39,1 fährt, ist Vettel schon in Runde sechs bei 1:40,3 Minuten.

Weil Stoffel Vandoorne seinen McLaren gegen Trainingsende wegen eines losen Rades abstellen musste, war die Strecke unmittelbar vor dem einsetzenden Regen auch noch unter Gelb. Entsprechend wenig repräsentativ sind die Longruns auf Soft und Medium. Aufgrund der Wetterlage fuhren alle ihre Longruns auf Ultrasoft zuerst.

Longrun-Zeiten auf Soft

FahrerAlter ReifenStint-LängeDurchschntl. Zeit
Hamilton1241:38,453
Verstappen1141:38,549
Ricciardo1461:38,780

Longrun-Zeiten auf Medium

FahrerAlter ReifenStint-LängeDurchschntl. Zeit
Vettel1341:38,366
Bottas1471:38,453

Denn die Teams wissen: Der Ultrasoft wird am Sonntag entscheidend. Der Unterschied zwischen Ultrasoft und Soft beträgt etwa 0,9 Sekunden und ist damit größer als von Pirelli erwartet. Bei einem so großen Unterschied wird kaum ein Top-Team riskieren, Q2 mit dem Soft zu bestehen. Auch wenn es aus Rennsicht Sinn machen würde.

Schafft Red Bull einen Stopp?

Pirelli rechnet bei dem Start auf Ultrasoft mit einer Zweistopp-Strategie, Ultrasoft, Ultrasoft, Soft. Wer auf Soft startet, kann mit Medium bis zum Ende durchfahren. Nach Verstappens starken Ultrasoft-Stint fragt sich: Schafft es Red Bull vielleicht doch mit einem Stopp? Pirellis Mario Isola will es nach Bahrain zumindest nicht für völlig unmöglich halten. Dort fuhr Vettel 39 Runden lang mit Soft bis ins Ziel. Allerdings sollte es in Shanghai noch etwas kritischer werden.

Was aber noch kein Team weiß: Wie werden sich die voraussichtlich wärmeren Temperaturen am Sonntag auswirken? Womöglich halten die Reifen dadurch sogar länger, weil das Graining vorne links weniger stark auftritt. Der Verschleiß könnte geringer ausfallen, der Abbau allerdings größer. Dann sind besonders die Teams im Vorteil, deren Abbau geringer ist, weil sie länger fahren können, ohne übermäßig Zeit zu verlieren.

Auch wenn Ferrari hier als Spezialist gilt: Die Longruns in China haben das bislang nicht gezeigt. Und wer in Bahrain genau hingesehen hat, konnte auch erkennen, dass Vettels Reifen im ersten Stint früher eingingen als die von Valtteri Bottas. Der Mercedes-Pilot machte vor Vettels erstem Stopp Zeit auf den Ferrari-Piloten gut. Ferrari sieht nach dem Freitag in Shanghai nicht besonders gut aus - wobei Ferrari hier nur auf Vettel zutrifft. Denn Räikkönen hatte die Balance im Auto, fuhr nur eben keinen Longrun, den man als Maßstab heranziehen könnte.