So ist sie die Formel 1: Nachdem sie in Australien von vielen schon zum fünfzigsten Mal beerdigt wurde, war der Bahrain GP 2018 ein echter Hammer. Bahrain ist immer ein Garant für tolles Racing, aber die diesjährige Ausgabe wird in die Geschichtsbücher eingehen. Es sind auch die vielen kleinen Geschichten: Toro Rosso stürzt McLaren ins Tal der Tränen, Marcus Ericsson beschert Sauber Punkte und Red Bull erlebt ein komplettes Desaster.

Doch das Highlight war klar: Der Kampf um den Rennsieg. Auf der Ziellinie trennten Sebastian Vettel und Valtteri Bottas nur 0,699 Sekunden. Ferrari gewann den Bahrain GP gegen Mercedes aus eigener Kraft, was nach Melbourne wohl nicht einmal die größten Optimisten bei Ferrari erwartet hätten. Und Bottas knabberte an einem Sieg, an den Mercedes nach dem Qualifying schon nicht mehr zu glauben schien.

F1-Rennschlacht in Bahrain auf zwei Ebenen: Strategie & Racing

Das Rennen hat zwei verschiedene Ebenen: Strategie und Racing. Genau das machte den GP so packend. Sebastian Vettel musste mit frischen Reifen auf der Strecke an Lewis Hamilton vorbei und schnappte sich die Führung damit zurück, am Ende kämpfte Bottas mit Vettel auf der Strecke um den Sieg.

Dazu kam die Strategie. Es war eine wahre Strategieschlacht zwischen Ferrari und Mercedes. Schon vor dem Rennen war klar, dass eigentlich nichts klar sein würde. Denn die schnellste Strategie war nicht glasklar. Die Daten vom Freitag sagten rechnerisch eine Zweistopp-Strategie voraus, doch die Strecke verbesserte sich und die Teams beherrschten das Reifenmanagement besser. Deshalb gingen viele ins Rennen, ohne sich auf ein oder zwei Stopps festgelegt zu haben.

Ferrari tendierte klar zu zwei Stopps - eigentlich

Ferrari tendierte aber stark in eine Richtung. Das zeigte sich, als Vettel in Runde 18 zu seinem Stopp kam und von Supersoft auf Soft wechselte. Pirellis Analysen sagten voraus, dass Vettel bis Runde 24 hätte fahren müssen, um am Ende mit den Soft über die Runden zu kommen. Eine Runde später zog auch Kimi Räikkönen nach und ging auf Soft.

Wiederum eine Runde später wurde auch klar, warum Mercedes mit Bottas nicht gleich nach Vettels Stopp nachzog. Mercedes gab Bottas in Runde 20 nämlich den Medium-Reifen. Ein geschickter Schachzug, weil Ferrari nun nicht mehr reagieren konnte.

Von diesem Zeitpunkt an war klar: Vettel muss Gas geben, um den Vorteil der weicheren Reifen auszuspielen und damit noch die Zeit für einen zusätzlichen Boxenstopp rauszuholen. Durch den früheren Stopp hatte er den Vorsprung auf Bottas immerhin schon von zwei auf sieben Sekunden vergrößert.

Doch Vettel hatte ein Problem: Er kam nach seinem Stopp hinter Hamilton zurück auf die Strecke. Hamilton startete als einziger Pilot in den Top-10 nach seiner Startplatzstrafe auf Soft und nicht auf Supersoft. Bei ihm war die Einstopp-Strategie abzusehen. Deshalb wartete Mercedes auch bis Runde 26, um den Weltmeister zu seinem Stopp zu holen - was natürlich nicht zufällig in der Runde passierte, als Vettel an Hamilton vorbeiging.

Mercedes war sich des Sieges in Bahrain zu 90 Prozent sicher

Rund zwei Sekunden hat Vettel der Hamilton-Verkehr gekostet, weil Bottas auf den Medium gleichzeitig loslegte wie die Feuerwehr. Hier schien das Pendel schon stark in Richtung Mercedes auszuschlagen. "In diesem Moment würde ich sagen, lag die Wahrscheinlichkeit bei 90 Prozent, dass wir das Rennen gewinnen würden", gestand selbst Mercedes Motorsportchef Toto Wolff.

Der Grund für die Annahme war klar: Mercedes rechnete fest damit, dass Vettel und Räikkönen noch einmal zum Stopp kommen müssten. "Wir waren uns zu 80 Prozent sicher, dass Vettel auf zwei Stopps gehen würde", musste auch Bottas nach dem Rennen zugeben.

Erfolgreiche Einstopp-Strategie für Vettel schien ausgeschlossen

Und wenn das nicht der Fall sein würde, so die Annahme, würden Vettel die Pirelli Pneus am Ende um die Ohren fliegen. Vettel müsste dann mit einer weicheren Mischung mehr Runden fahren. 39 Runden war noch niemand mit dem Soft-Reifen gefahren. Bahrain ist aus zwei Gründen sehr hart zu den Hinterreifen: Der Asphalt gehört zu den rausten im gesamten Kalender, das Layout mit den vielen langsamen Ecken beansprucht die Traktionsfähigkeit enorm.

Formel 1 2018: So gelang Vettels zweiter Streich (05:49 Min.)

Auch bei Pirelli war man sich alles andere als sicher, ob die Reifen halten würden. "Bei den Longruns gab es beim Verschleiß keine Probleme, aber die Longruns waren viel kürzer. Du gehst davon aus, dass der Verschleiß linear ist, aber du weißt es nicht", erklärte Pirellis Mario Isola Motorsport-Magazin.com. "Ein größeres Problem schien der Abbau zu sein. Auch hier kannst du wie beim Verschleiß nur lineare Annahmen machen, wie es sich mit den weiteren Runden entwickeln würde. Aber es kann natürlich auch eine Klippe geben."

"Dieser Reifensatz ist für uns sehr interessant, später zu analysieren", freute sich Isola. Mercedes dürfte sich weniger freuen. Denn genau als man die Annahme machte, Vettel würde noch einmal zum Stopp kommen, verlor man das Rennen wahrscheinlich.

Mercedes konservativ: Bottas sollte Pace nur managen

"In der Mitte des Stints habe ich das Team gefragt, ob ich ihn einholen soll oder ob ich versuchen muss, die beste Rennzeit zu erreichen, indem ich die Reifen manage. Man sagte mir, dass er wohl zwei Stopps machen würde, deshalb hatte ich keine Eile in der Mitte des Stints", ärgerte sich Bottas.

Wie Bottas die Pace in seinem zweiten Stint managte, zeigt sich an seinen Rundenzeiten. Gleich zu Beginn zeigte er, was mit den Medium-Reifen möglich ist, anschließend nimmt er Tempo raus. Seine Rundenzeiten bleiben konstant, bis in Runde 44 wohl der Ernst der Lage erkannt wird und Bottas plötzlich wieder angast. Ein Abfall der Rundenzeit ist er zu erkennen, als Bottas direkt hinter Vettel ist. Seine Reifen waren also längst nicht am Ende.

Auch der Vergleich mit Lewis Hamilton im zweiten Stint zeigt, dass Bottas Reserven hatte. Hamilton fuhr konstant schnellere Rundenzeiten als sein Mercedes-Teamkollege, konnte den Rückstand drastisch verkleinern - dabei bekam der Zuschauer über den Funk von Hamilton gut mit, dass auch er längst nicht am Limit war. Bottas verteidigt den Strategiefehler: "Wenn ich härter gepusht hätte, hätten die Reifen am Ende raus vielleicht nicht mehr gehalten."

Vettel sah sich Schachmatt gesetzt - und reagiert weltmeisterlich

Doch es war nicht nur der Fehler von Mercedes, weshalb Vettel das Rennen für sich entschied. Vettel selbst hatte den Rennsieg fast schon abgeschrieben, als Mercedes Bottas plötzlich die Medium-Reifen montierte. "Es sah so aus, als hätten sie uns Schachmatt gesetzt", gestand er.

Aber Vettel reagierte erstklassig. Statt seinen Vorsprung zu vergrößern und zu versuchen, irgendwie einen zusätzlichen Boxenstopp herauszufahren, änderte er seine Strategie. Es war abzusehen, dass er mit frischen Reifen am Ende nicht mehr an den Mercedes vorbeikommen würde. Dazu hätte er mit den weichen Reifen zu hart attackieren müssen, um erst einmal die Lücke zu schließen. Dann hätte er keine Reifen mehr für eine mögliche Attacke gehabt.

Vettel fuhr extrem konstant. Trotzdem zeigte sich am Ende, dass der Abbau nicht mehr im linearen Bereich war, sondern schon zur Kurve wurde. Die Klippe hatte er gerade so vermieden. Gleichzeitig versuchte er Mercedes noch in die Falle zu locken und funkte, dass er alles unter Kontrolle hätte. "Ich hatte aber nichts unter Kontrolle", gestand er später. "Ich hatte nur gehofft, dass sie Valtteri dann sagen, dass ich die Pace kontrolliere und er den Motor runterdreht. Aber das war leider nicht der Fall, das wurde ihm offensichtlich nicht gesagt."

Vettel nutzt clevere Überrundungen gegen Bottas

Dazu gewann Vettel beim Überrunden Zeit auf Bottas. Vettel scheint nicht nur besonders gut am Funk nach Blauen Flaggen zu schreien, er scheint sie dann auch gut zu nutzen. Rund 2,5 Sekunden verlor Bottas im Verkehr - ein Problem, das der Finne schon beim Ungarn GP 2017 hatte. So schloss Bottas erst in der letzten Runde auf und hatte nur einen Überholversuch.

Auch hier lässt sich streiten: Hätte Bottas vielleicht aggressiver in Kurve eins reinbremsen sollen? Oder hätte er das Gegenteil machen sollen und dafür am Kurvenausgang den Vorteil der besseren Traktion ausspielen sollen? "Als ich mich für Kurve eins entschieden habe, gab es kein Zurück mehr", erklärt Bottas. Aber auch hier hat Vettel klug gehandelt, sich nicht zu früh verteidigt. Wäre Bottas aber früher in das DRS-Fenster gekommen, wäre das Rennen womöglich ganz anders ausgegangen.

Wollte Ferrari die Strategien splItten?

Bleibt eine Frage: Hatten Vettel und Ferrari ihre Strategie wirklich auf eine Einstopp geändert, weil absehbar war, dass es anders nicht reichen würde? Oder kam Vettel nur nicht zu seinem zweiten Stopp, weil sich zuvor das Boxendrama bei Kimi Räikkönen ereignete?

Final lässt sich diese Frage nicht beantworten. Räikkönen hatte aber wohl - trotz des eine Runde späteren Stopps - weniger Performance im Reifen übrig als Vettel. Der Finne managte seine Pace weniger und fuhr zudem hinter Bottas her - das geht auf die Reifen. Wollte Ferrari die Strategien aber splitten oder nicht?

Vettel wollte darauf nicht so ganz konkret eingehen. "Die Strategie war aber nicht die erste und zweite Option", sagte er. "Ich musste ein wenig darüber nachdenken, als es mir gesagt wurde, aber ich habe dann auf der Anzeigetafel gesehen, dass Gasly auf Platz vier lag und der Abstand groß genug sein würde, dass wir nichts zu verlieren haben, wenn wir einen Stopp riskieren. Aber es war nicht unsere eigentliche Strategie."