Max Verstappen heißt der große Pechvogel der 2018er Ausgabe des Formel-1-Qualifyings in Bahrain. Bereits im Q1 war die F1-Session in der Wüste von Sakhir für den Red-Bull-Piloten vorbei. Verstappen hatte in Kurve zwei die Kontrolle über seinen RB14 verloren, drehte sich und versenkte bei dem folgenden Abflug seinen Boliden in der Streckenbegrenzung.

Ein höchst seltsam erscheinender Unfall. Ein viel zu einfacher Fehler für einen Fahrer vom Kaliber eines Max Verstappen. "Zu Max' Verteidigung: Es ist eigentlich ziemlich schwer, hier in Bahrain eine Mauer zu treffen. Es kann also nicht an ihm gelegen haben. Da wird schon etwas gewesen sein", verteidigt Daniel Ricciardo auf seine typische Art seinen Teamkollegen.

Max Verstappen: 150 PS mehr aus dem Nichts

Tatsächlich war etwas. Was passiert war? Renault war passiert. Doch dieses Mal ganz anders als die sonst üblichen Klagen der Bullen über die bei Red Bull TAG-Heuer genannte Power Unit. Statt zu wenig Power gab es dieses Mal das genaue Gegenteil: viel zu viel Leistung.

"Ich habe mir sofort die Daten angeschaut, als ich aus dem Auto gestiegen bin. Denn es war für mich selbst eine große Überraschung. So etwas ist mir in meiner Karriere noch nie zuvor passiert", berichtet der Youngster. "In Kurve zwei geht es nicht einmal Vollgas, besonders nicht im Q1. Da sind es 95 Prozent Vollgas. Und irgendwie hatte ich dort von der einen auf die andere Runde plötzlich 150 PS mehr. Das hat die Hinterreifen zum Übersteuern gebracht und mich gedreht", schildert Verstappen.

Verstappen: Alles gemacht wie immer

Er selbst habe alles ganz genauso gemacht wie immer. "Ich bin die gleiche Linie gefahren. Auch der Speed war genau gleich. Das kannst du in den Daten sehen, wo du auch die plötzlichen 150 PS siehst. Es war einfach die Power des Motors. Es war genau derselbe Modus, die gleiche Gaspedalstellung, alles war gleich", versichert Verstappen, nicht selbst verantwortlich zu sein.

Noch dazu sei er nicht einmal volles Risiko gegangen. "Es war Q1, da fährst du nicht Vollgas, um nicht den Unterboden oder sonst was zu beschädigen", erklärt Verstappen Motorsport-Magazin.com. Woran genau es gelegen hat, dass plötzlich 150 PS da waren, die sonst nicht vorhanden sind, kann sich bei Red Bull noch niemand erklären.

Max Verstappen mit chronischen Motor-Problemen in Bahrain

Das Mapping für das Gaspedal schließt Verstappen aus. "Das kann etwas aggressiv sein und ist es bei mir auch. Aber ich habe das jetzt so wie es ist seit mehr als einen Jahr. Irgendwie hat es mir in dieser Kurve einfach 150 PS extra gegeben", rätselt Verstappen.

In puncto Power Unit war das jedoch nicht der erste Zwischenfall für Verstappen in Bahrain. Schon im FP1 hatte er wegen eines Elektronikdefekts fast komplett passen müssen. Damit würde der Defekt im Qualifying aber nicht zusammenhängen. Schon eher vielleicht mit anderen Schwierigkeiten. "Ich hatte hier generell Topspeed-Aussetzer. Deshalb bin ich im Q1 auch überhaupt noch eine zusätzliche Runde gefahren - um alles noch einmal zu kalibrieren", berichtet Verstappen.

"Denn jedes Mal wenn ich den schnelleren Modus benutzt habe, hatte ich diese Probleme und war drei bis vier Zehntel langsamer als es sein sollte. Immer wenn ich mehr Performance haben sollte habe ich sogar Performance gegenüber meiner normalen Performance verloren", schildert Verstappen die rätselhaften Störungen.

Verstappen weiter: "Das ist mir im dritten Training passiert. Da habe ich einfach vier Zehntel gegenüber Daniel verloren, nur weil Power fehlte. Aber nicht nur im Training. Es waren noch immer Probleme auf den Geraden im Qualifying. Nicht mehr so extrem. Aber das war noch nicht die Leistungsabgabe, die ich haben wollte. Deshalb hat mich das Team gebeten, noch eine Runde zu fahren, um es besser zu kalibrieren. Aber ich konnte die Runde ja nicht beenden ..."

Ricciardo sieht Beleg: Power Unit zu komplex

Teamkollege Daniel Ricciardo dagegen verzeichnete in Bahrain bisher keine derartigen Mysterien. "In dem Ausmaß ist mir sowas sowieso noch nicht passiert. Ich bin nicht sicher, was genau der Grund für seinen Dreher war. Wenn es etwas mit dem Motor war, dann hatte ich so etwas dieses Wochenende nicht. Ich weiß ja, dass er sich hier mehrfach über Dinge am Motor beschwert hatte. Ich hatte das zum Glück nicht", so der Australier.

Für Ricciardo ist der Vorfall seines Teamkollegen jedoch ein deutliches Indiz dafür, dass die Power Units in der Formel 1 zu komplex sind. "Oh, ich dachte schon du willst fragen, ob sie zu viel Leistung haben ...", lacht sich Ricciardo bei der entsprechenden Nachfrage erst einmal noch einen ab.

Verstappen: Rennen für Red Bull noch nicht verloren

"Aber klar, die V8 zu fahren war viel konsistenter in Sachen Fahrbarkeit - zumindest für mich. Wie du den Fuß aufs Gas gedrückt hast stimmte da noch mit der Power überein. 10 Prozent gedrückt, dann 10 Prozent Power. Jetzt ist das komplexer und wenn mal nicht alles sauber läuft, dann hast du diese Momente ohne Power und dann mit plötzlich sehr viel. Sowas in der Art ist sicher bei Max passiert, denke ich. Frustrierend."

Den Frust glaubt Verstappen selbst unterdessen im Rennen trotz des nun mageren 15. Startplatzes abschütteln zu können. "Es kann noch immer ein gutes Rennen werden. Die Pace sah auf dem Longrun gut aus. Bis P5 sind die Pace-Unterschiede groß, an die Spitze kann ich vielleicht noch mit einem Safety Car kommen. Das kann eine Chance sein", hofft Verstappen auf mehr Glück am Rennsonntag. "Im Rennen werden wir definitiv sehr stark sein. Wir haben ein klasse Rennauto, ich bin zuversichtlich. Aus den ersten beiden Reihen zu starten würde es dir selbst aber natürlich leichter machen."