Das Duell zwischen Mercedes und Ferrari bestimmte den Saisonauftakt der Formel 1 in Australien, doch einige Augen waren auch auf einen jungen Mann etwas weiter hinten im Feld gerichtet: Charles Leclerc, das aktuell wohl größte Talent im Formelsport. Nach Titelsiegen in der GP3 sowie zuletzt in der Formel 2, bestreitet der 20-Jährige seine erste Saison in der Königsklasse.

Dass mit dem Sauber in Melbourne keine Sensation gelingen würde, war anzunehmen. Mit Platz 13 gelang Leclerc dennoch ein starkes Ergebnis und gleichzeitig seine erste Zielankunft in der Formel 1. Teamkollege Marcus Ericsson - Leclercs Messlatte - fiel bereits nach sechs Runden wegen eines Hydraulikschadens aus.

Leclerc: Punkte waren nicht möglich

"Das war ein großartiges Rennen", zeigte sich Leclerc zufrieden. "Für das Auto und das Potenzial, das wir hatten, haben wir das Maximum herausgeholt. Punkte waren nicht möglich. In den Nachwuchsklassen kann man erst glücklich sein, wenn die Ergebnisse stimmen. Hier muss man mit der Arbeit zufrieden sein, denn das Ergebnis hängt von vielen Faktoren ab, auf die man keinen Einfluss hat."

Leclerc war sicher: Selbst mit einer komplett perfekten Leistung wäre in Melbourne nicht mehr als der 13. Platz im Sauber möglich gewesen. Für die kommenden Rennen hat sich der junge Monegasse allerdings einiges vorgenommen, kündigte schon jetzt an: "Das war jetzt erst der Startpunkt. Mit dem, was ich geleistet habe, bin ich glücklich. Darauf müssen wir aufbauen, dann werden wir noch viele gute Rennen haben."

Leclerc hauchdünn hinter Ericsson

Im Qualifying am Samstag hatte sich Leclerc seinem Teamkameraden Ericsson geschlagen geben müssen. Doch das interne Duell endete denkbar knapp: Nur 0,08 Sekunden fehlten Leclerc auf den Schweden, der seine fünfte Saison in der Formel 1 bestreitet. Ericsson nahm das Rennen von P17 in Angriff, Leclerc komplettierte die vorletzte Startreihe.

"Charles hat keinen großen Fehler gemacht und war nicht weit entfernt von seinem Teamkollegen", lobte auch Sauber-Teamchef Fred Vasseur und erinnerte gleichzeitig an die kniffligen Bedingungen in Melbourne. Der Regen im 3. Training erschwerte die Vorbereitung aufs Qualifying - und das auf einer Strecke, die Leclerc bislang nur aus dem Simulator kannte.

Vasseur: In F2 interessiert sich niemand für dich

Der sportliche Aspekt war allerdings nicht das einzige, mit dem Leclerc umgehen musste. Laut Vasseur sei es für einen Rookie nicht minder schwierig, die Formel 1 als Ganzes zu handlen: "Wenn Fahrer aus der Formel 2 kommen, ist das zwar ein Schritt in Sachen Performance und Fahrstil. Das ist aber nicht das größte Ding. Die größte Sache ist, dass man mit der Atmosphäre im F1-Paddock klarkommen muss."

Neue Teamkollegen bei Sauber: Charles Leclerc und Marcus Ericsson, Foto: Sutton
Neue Teamkollegen bei Sauber: Charles Leclerc und Marcus Ericsson, Foto: Sutton

Vasseur weiter: "Das ist ein riesengroßer Schritt im Vergleich zur Formel 2. In der Formel 2 interessiert sich quasi niemand für dich. Du kannst dich voll aufs Fahren konzentrieren. Aber in der F1 musst du mit Medien, Sponsoren, Partnern, FOM und Fans umgehen. So etwas kann einen Fahrer schnell ablenken." Leclerc bestätigte: "In der Formel 1 gibt es so viel mehr. Da sind so viele Leute im Team, deshalb dauert es seine Zeit."

Leclerc ließ sich den zusätzlichen Druck zumindest äußerlich nicht anmerken - obwohl er weiter laut als das große Super-Talent gefeiert wird. Vasseur, selbst jahrelang in den Nachwuchsserien aktiv und im Umgang mit jungen Fahrern bestens vertraut - weiß, wie schnell die Stimmung kippen kann. "Er ist Rookie und das Wichtigste ist, dass er sich im Verlauf der Saison verbessert", sagte Vasseur. "Es ist egal, ob er vom 18., 19., oder 20. Platz startet. Er muss jedem im Fahrerlager zeigen, dass er Rennen für Rennen Fortschritte macht."

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Ericsson musste viel Kritik einstecken

Leclerc machte sich ohnehin keine Illusionen: "Es wird für uns sehr schwierig, in dieser Saison Punkte zu holen." Um den Fokus nicht zu sehr auf Leclerc zu setzen, hob Vasseur nach dem Rennen auch die Vorzüge von Teamkollege Ericsson hervor - vor allem nach den vergangenen Monaten. "Ich freue mich sehr für ihn, denn er hat viel Kritik einstecken müssen", sagte Vasseur über den Fahrer, der in den vergangenen beiden Jahren keinen Punkt für Sauber holte.

"Ich war aber überzeugt, dass er den Job erledigen kann. Er wusste, dass er größeren Druck hatte, weil Charles ein Rookie mit hoher Erwartungshaltung ist. Jeder im Fahrerlager feuert Charles an, aber Marcus hat sich Schritt für Schritt verbessert. Ich bin überzeugt, dass es für ihn am besten war, einen Teamkollegen wie Charles zu haben. Es ist auch viel einfacher, wenn einer der Fahrer drei bis fünf Jahre Erfahrung hat, als wenn beides Rookies sind. Dadurch verhindert man manche Kämpfe, zumindest in der ersten Phase."