Kimi Räikkönen gilt seit jeher als Mann der zweiten Saisonhälfte. Der Formel-1-Pilot aus Finnland kommt meistens erst nach der Sommerpause so richtig in Fahrt, starke Saisonstarts des Ferrari-Routiniers sind rarer gesät. Dennoch: Zwei Siege beim Saisonstart in Australien gelangen dem Iceman bereits (2007, 2013). 2018 bestand zumindest eine gute Chance, den dritten Melbourne-Triumph zu feiern: Räikkönen startete den Grand Prix im Albert Park direkt neben Polesetter und Mercedes-Weltmeister Lewis Hamilton von P2.

Von der etwas schmutzigeren Seite erwischte Räikkönen auch einen guten Start, behauptete sich im ersten Kurvenkomplex ohne Probleme vor Teamkollege Sebastian Vettel. Bis zum nächsten Bremspunkt hatte sich Räikkönen sogar an den Leader herangesaugt. "In der zweiten Kurve habe ich im Heck von Hamiltons Auto geschnuppert, aber ich war nicht nah genug dran", schildert Räikkönen den Rennstart.

Vettel: Für Räikkönen war ich keine Bedrohung

"Ich bin dran geblieben und habe geschaut, was beim Stopp zu holen ist. Aber das hat nicht funktioniert", hadert Ferraris bis dato letzter Formel-1-Weltmeister. Doch der Reihe nach. Im ersten Stint überraschte Räikkönen so einige seiner Kritiker. Er ließ sich nicht nur nicht von Hamilton abschütteln, sondern hielt auch Teamkollege Vettel alles andere als auf. Im Gegenteil: Räikkönen setzte sich Stück für Stück von dem anderen Ferrari ab, lag vor seinem Stopp in Runde 18 vier Sekunden vor Vettel.

"Kimi war sehr stark im ersten Stint. Da habe ich etwas den Anschluss an Lewis und Kimi vor mir verloren. Ich war keine Bedrohung für den Lewis und keine für den Kimi", erkennt Vettel die Pace seines Teamkollegen an. "Kimi fuhr urplötzlich richtig schnell", bestätigt Hamilton. "Ich denke, ich hatte den ganzen Tag einen tollen Speed", kommentiert Räikkönen seine eigene Performance. "Aber es ist hier einfach schwierig, zu überholen", ergänzt er.

VSC-Pech kostet Räikkönen teaminternen Sieg über Vettel

Dennoch fühlte sich der Ferrari-Pilot stark. "Ich denke, ich hatte am Angang eine Chance, um den ersten Platz zu kämpfen. Ich war sehr zufrieden mit dem Auto. Das ganze Wochenende", schildert Räikkönen, der tatsächlich zuvor schon im Qualifying das teaminterne Duell für sich entschieden hatte, auch in den beiden einzigen Trainings auf trockener Strecke am Freitag die Nase gegenüber Vettel vorne hatte.

Doch das Rennen beendete der Finne am Ende nur auf Platz drei, während Vettel sogar gewann. Der Grund: Einmal mehr verließ den Finnen das Glück. Stichwort Safety Car. Durch seinen von Mercedes erfolgreich gekonterten Undercut-Versuch gegen Hamilton in Runde 18 lagen Räikkönen und der Brite hinter Sebastian Vettel auf der Strecke, als ein virtuelles Safety Car den Rennverlauf über den Haufen warf. Vettel sparte sich bei seinem Stopp unter VSC jede Menge Zeit und übernahm so die Spitze.

Räikkönen: Immerhin hatte Ferrari Glück, meine Zeit kommt wieder

"Ich hatte einen guten Speed, aber uns ist der Grand Prix ein wenig entglitten", hadert Räikkönen. "Was da mit dem Safety Car passiert ist, war reine Glückssache - und ich hatte nicht das meiste Glück. Aber was willst du dagegen tun?", rätselt Räikkönen. "Glücklicherweise hatte Seb noch das Glück, sodass es immerhin unser Team war. Wir haben gewonnen, da kannst du nicht ganz unglücklich sein", ergänzt Räikkönen wenig passend zu seinem dazu gezogenen Gesichtsausdruck.

Formel 1 2018: Wer wird Weltmeister? (16:19 Min.)

Der erklärt sich jedoch ausdrücklich mit der nächsten Aussage des Finnen. "Klar willst du immer mehr, du willst siegen. Das war für mich nicht ideal heute", klagt Räikkönen. Doch ist sich der Finne immerhin sicher, dass es sich nicht um seine letzten Chance gehandelt haben wird. Räikkönen: "Wenigstens haben wir einen Sieg und zwei Podestränge errungen. Das Jahr ist noch lang, meine Zeit kommt!"

Kimi Räikkönen zittert am Ende sogar ums Podium

Dazu habe nicht nur er, sondern auch Ferrari das Zeug - auch wenn die rohe Pace bei Mercedes nach dem Qualifying auch im Rennen noch einen Tick besser war. "Es gibt ganz klar Dinge, die wir besser machen müssen. Aber das wissen wir", sagt Räikkönen. Dass einmal mehr Vettel, nicht er am Ende des Tages der große Profiteur war, wirft Räikkönen niemand anderem als dem Schicksal vor. Vettel sei einfach in einer ganz anderen Rennrealität gewesen. "Er konnte diese Chance wahrnehmen, weil er da nichts mehr zu verlieren hatte. Dritter war er sicher, also konnte es nur gut ausgehen. Ich war nicht überrascht was sie da gemacht haben", schiebt Räikkönen bösen Zungen, die schon im ersten Rennen eine Benachteilung des Finnen seitens Ferrari gesehen haben wollen, einen Riegel vor.

"Es war ein anderes Rennen für uns", bestätigt Vettel, begründete damit gleichzeitig, immerhin im zweiten Rennstint endlich "ein kleines bisschen stärker" gewesen zu sein als Räikkönen. Denn zu diesem Zeitpunkt verfügte Räikkönen über die deutlich älteren Reifen und hatte damit wegen der Nullung der Abstände durch das echte Safety Car plötzlich noch ganz andere Sorgen: namentlich Daniel Ricciardo. Räikkönen: "Immerhin konnte ich den dritten Platz halten. Red Bull hatte am Ende frischere Reifen und konnte so Druck machen. Deshalb war es dann natürlich mein erstes Bestreben, Ricciardo hinter mir zu halten. Aber es ging für mich noch gut aus. Das nehme ich mit, die Punkte für den dritten Platz. Und ich war zufrieden mit dem Auto."