Die Formel 1 ist eine komische Welt. Vor dem Australien GP 2018 galt zwar Mercedes als Topfavorit, doch dahinter sahen die meisten Analysen Red Bull näher an den Silberpfeilen als Ferrari. Doch im Qualifying kam es dann irgendwie erwartet und doch ganz anders.

Dass Lewis Hamilton auf der Pole steht, kommt nicht überraschend. Eher sein Vorsprung von knapp sieben Zehnteln. Dass Kimi Räikkönen neben Hamilton ins Rennen geht, ist eine noch größere Überraschung. Sebastian Vettel musste sich seinem Teamkollegen wegen eines kleinen Fahrfehlers im letzten Sektor geschlagen geben.

Größte Hamilton-Gegner schlagen sich im Qualifying selbst

Doch trotzdem reichte es für Vettel noch für Rang drei - vor Red Bull. Einmal mehr schien Red Bull vom nicht vorhandenen Qualifikationsmodus geschlagen. Dazu machte Max Verstappen auf seiner schnellsten Runde einen kleinen Fehler, der ihn noch ein paar Zehntel kostete. "Sonst könnte ich in der ersten Reihe stehen", ist sich der Red-Bull-Pilot sicher.

Da stehen sie also nun: Ganz vorne nur ein Mercedes, weil Bottas seinen Silberpfeil sehenswert im Reifenstapel versenkte. Dahinter, in der - aus Teamsicht - besten Ausgangsposition Ferrari mit Räikkönen und Vettel. Und dahinter Verstappen, auf sich alleine gestellt, weil Daniel Ricciardo im Training ein Rot-Vergehen zum Verhängnis wurde. Red Bulls Lokalmatador startet in Melbourne nur von Rang acht.

Enger Schlagabtausch endet in Mercedes-Gala

Angesicht des großen Abstandes von knapp sieben Zehntel könnte man aber von einem einfachen Sieg für Lewis Hamilton sprechen. Mercedes Motorsportchef Toto Wolff sieht das anders: "Abgesehen von der einen Runde in Q3 war die Konkurrenz groß, es war nur dieser eine Ausreißer."

Tatsächlich lagen selbst in den ersten beiden Qualifikationssegmenten alle drei Topteams eng beieinander. Nur das Aufdrehen der Mercedes-Power-Unit und Hamiltons einmal mehr fehlerlose Qualifying-Leistung brachten den riesigen Vorsprung. Mit Vettel und Verstappen patzten die zwei größten Konkurrenten.

Was kann Mercedes ohne top Motor-Modus im Rennen?

Zieht man die Fahrfehler und den Motor-Modus ab, ist der Vorsprung nicht mehr besonders groß. Den Motor-Modus dürfe man aber nicht abziehen? Doch. Sebastian Vettel erklärt selbst, warum: "Ich hoffe, dass sie den Modus heute gefahren sind, denn dann müssen sie ihn morgen abdrehen." Toto Wolff gestand selbst, dass der Motor im Q3 aufgedreht wurde (ein ausführlicher Hintergrundbericht zum Qualifikations-Modus des Mercedes-Motors erscheint in der kommenden Woche).

Und Vettel ist selbstbewusst: "Ich glaube, es ist eng. Wir haben gestern gesehen, dass die Pace im Longrun sehr ähnlich ist. Auf dem Ultrasoft lag Ferrari lediglich zwei Zehntel hinter Hamilton, auf Soft war Vettel sogar schneller als Mercedes-Konkurrent Valtteri Bottas

Formel 1: Australien-Longruns versprechen Spannung

Der Qualifikationsmodus lässt Vettel nicht kalt. In der Pressekonferenz stichelt er Richtung Hamilton: "Heute darf Lewis ruhig feiern, morgen feiern dann Kimi und ich." Hamilton kontert stark: "Kimi feiert immer." Nur den Iceman lassen alle Sticheleien kalt.

Ferrari hat aber tatsächlich einen entscheidenden Vorteil im Renen: Sie sind zu zweit. Ein Ferrari-Pilot kann den Undercut probieren. Dann kann Mercedes entweder nachziehen, oder draußen bleiben. Bleibt er draußen, könnte der Undercut funktionieren. Kommt er gleich rein, kann der andere Ferrari-Pilot den Overcut versuchen. "Mit einem Auto vorne bist du eingeschränkt", gesteht Toto Wolff.

Flashback: Vor genau zwölf Monaten verpokerte sich Mercedes genau an gleicher Stelle. Hamilton führte den Australien GP 2017 an, Vettel im Nacken. Aus Angst vor einem Undercut holte Mercedes Hamilton früh rein. Zu früh, Vettel übernahm nach seinem Boxenstopp die Führung.

Opfert Ferrari Räikkönen schon im ersten Rennen für Vettel?

Räikkönen-Fans wittern hier schon eine Gefahr: Setzt Ferrari vielleicht schon im ersten Rennen auf das Vettel-Pferd? Es wäre nicht das erste Mal, dass Räikkönen für ein besseres Vettel-Ergebnis geopfert würde. Ob Ferrari das allerdings schon im ersten Rennen machen würde, eher fraglich.

"Und dann ist da auch noch Red Bull", gibt Wolff zu bedenken. Tatsächlich war Red Bull im Longrun am Freitag stark. Allerdings vor allem auf dem Ultrasoft-Reifen - und den fährt Max Verstappen möglicherweise gar nicht. Denn die beiden Red Bulls setzten im Q2 auf Supersoft und müssen entsprechend auf dieser Mischung starten. Alle anderen Piloten in den Top-10 starten auf Ultrasoft.

Longruns auf Ultrasoft

FahrerDurchschntl. ZeitAlter Reifen
Ricciardo1:28,69
Grosjean*1:28,812
Hamilton1:28,817
Verstappen1:28,913
Bottas1:29,016
Räikkönen1:29,016
Vettel1:29,119

* Romain Grosjean fuhr seinen Ultrasoft-Longrun mit leerem Tank

Longruns auf Soft

FahrerDurchschntl. ZeitAlter Reifen
Vettel1:28,218
Bottas1:28,316
Ricciardo1:28,618
Verstappen1:28,729

Das Ziel von Red Bull ist klar. "Wir wollen sicherstellen, dass wir mit einem Stopp durchkommen", erklärt Ricciardo. "Hoffentlich können wir einen Stopp machen und die anderen leiden und müssen zweimal Reifen wechseln."

Doch das ist fraglich, laut Pirelli ist theoretisch sogar eine Einstopp-Strategie mit Ultrasoft und Supersoft möglich. Dass ein Team zwei Stopps macht, ist eher unwahrscheinlich. Bei Ferrari und Mercedes setzt man dagegen auf Ultrasoft. "Weil wir glauben, dass das für das Rennen besser ist", so Vettel. Der Unterschied zwischen Supersoft und Ultrasoft ist ohnehin recht gering. Am Start allerdings könnte sich der Grip-Unterschied bemerkbar machen.

Lewis Hamilton sieht das hingegen anders. Er sieht Verstappen im Vorteil: "Es ist ein besserer Reifen, deshalb werden sie sehr stark sein. Sie werden wohl versuchen, damit länger draußen zu bleiben als wir und werden dabei noch immer eine ordentliche Pace fahren können. Es ist sicherlich keine schreckliche Sache für die Strategie - die Reifen liegen nah zusammen - aber es wird morgen interessant."