Lewis Hamilton gilt nicht gerade als leidenschaftlichster Tester unter den Formel-1-Piloten. Auch am Rand der F1-Testfahrten 2018 in Barcelona klingt das deutlich durch. "Wir sind keine Roboter. Wenn du immer das gleiche machst, verlierst du das Interesse. So fühlst du dich frischer und fühlst dich körperlich und mental nicht zerstört. Außerdem bekommt das Team gleich zwei verschiedene Feedbacks", kommentiert der Weltmeister die Vorzüge des bei Mercedes täglich mit Teamkollege Valtteri Bottas geteilten Arbeitspensums.

Möglich sei es für ihn jedoch natürlich, auch ganze Tage alleine zu stemmen. "Ich min physisch stark, fühle mich immer stärker, auch mental", stellt Hamilton klar. Eine Stärke, die der Brite nicht nur auf seinen eigenen Geist und Körper, sondern auch seinen neuen F1-Boliden bezieht. Der Mercedes W09 schmeckt dem Briten extrem gut. Entsprechend präsentiert sich Hamilton gegen Ende der Tests in einer mal wieder denkwürdigen Medienrunde bestens gelaunt und in Plauderlaune.

Neuer Mercedes wieder eine Diva? Hamilton: Diva? Wieso Diva?

Alle Nebenschauplätze im bunten Leben des Briten beiseite wird es mit Blick auf den rein sportlichen Teil dessen spannend. Ob den neuen Silberpfeil wieder die Eigenschaften einer Diva ausmachen würden wie schon seinen Vorgänger, wird Hamilton gefragt. Berechtigt, handelt es sich beim neuen Mercedes laut Technikchef James Allison doch um eine klare Evolution des WM-Autos aus 2017.

Hamilton wundert sich, scherzt: "Diva? Das hat immer nur Toto gesagt. Nein, es fühlt sich nicht so an. Aber wir lernen uns gerade noch kennen." Perfekt sei noch nicht alles an seinem neuen Mercedes, schiebt Hamilton aber schnell hinterher. Allerdings habe das Team auch nach gar nicht richtig begonnen, an idealer Balance und Setup zu feilen. Dennoch: Schon die Basis beeindruckt den Formel-1-Champion.

Lewis Hamilton: Viel mehr Abtrieb, erstmals Vollgas durch T9

"Wir haben viel mehr Abtrieb, ich bin Vollgas durch Kurve drei gefahren, sogar durch Kurve neun, was ich in 12 Jahren noch nie getan habe. Das ist großartig. Ich freue mich schon darauf, zu sehen, wie sich dieses Auto jetzt noch verbessern wird und ich es mehr verstehe", frohlockt der Brite. Wie eine Drohung an die Konkurrenz kann das klingen. Jedenfalls mehr als der schnelle Blick auf das Tagesergebnis. Hier lag Hamilton am Donnerstag lediglich auf P8, satte zwei Sekunden hinter der Rekord-Bestzeit von Ferrari-Rivale Sebastian Vettel.

Doch zum einen erzielte Vettel seine Top-Runde auf dem Hypersoft, Hamilton fuhr den Medium. Zum anderen habe Mercedes ganz sicher nicht mit leeren Tanks getestet. Auf die Vettel-Runde verschwendet Hamilton deshalb keinen müden Gedanken: "Ich weiß nicht, ob das schnell ist, ist auch völlig egal. Es zählt das Q3 in Melbourne - wenn alle zum gleichen Zeitpunkt mit leeren Tanks fahren. Wir haben hier nicht abgetankt ..."

Sebastian Vettels Rekord-Runden sind Hamilton egal

Und damit noch nicht genug. Besonders Teamkollege Valtteri Bottas tankte am Donnertag beim Formel-1-Test in Barcelona nicht ab, fuhr eine komplette Rennsimulation. Hamilton steht das am Freitag erst noch bevor. Der Weltmeister freut sich bereits. "Dabei nimmst du am meisten mit. Wie sich das Auto von Run zu Run verändert. Wie du es in die Kurven werfen musst", schildert Hamilton.

Formel-1-Boliden 2018: Ferrari, Mercedes & Co im Technik-Check (09:16 Min.)

Was seine Vorfreude umso mehr steigern dürfte: Bottas fuhr auf seiner Simulation im Schnitt eine stramme Sekunde schneller als Ferrari und Red Bull (eine detaillierte Longrun-Analyse lesen Sie am Wochenende auf Motorsport-Magazin.com). Der neue Silberpfeil scheint also einmal mehr eine Granate. Nicht umsonst bezeichnete Vettel wenige Minuten vor der Hamilton-Audienz Mercedes als weiter klaren Favoriten, wirkte trotz Rekordfahrt alles andere als happy.

Hamilton: 2017er Mercedes war großartige, 2018er viel besser

Und Hamilton selbst? Sieht es wohl ähnlich. Das Kräfteverhältnis direkt will er zwar nicht einschätzen, doch die Qualitäten seines eigenen Autos umso mehr - und diese Aussagen sollten die Alarmsignale in Maranello und Co. in V12-Lautstärke tönen lassen.