Jedes Jahr das gleiche Spiel in der Formel 1: Bei den Testfahrten werden erste Rundenzeiten analysiert und interpretiert. Und danach sagt ohnehin jeder, dass man in Testfahrten nichts hineininterpretieren dürfe. Vorne im Feld reden sich die Gegner gegenseitig stark, weiter hinten redet man sich selbst stark.

Auch bei den F1-Tests 2018 in Barcelona sind diese Schemata wieder zu erkennen. Mercedes ist Meister im Tiefstapeln, Ferrari beherrscht das Nichts-Sagen wie kein anderer. Tatsächlich gibt es abseits der Zeiten nur wenige veritable Quellen. Eine ist Dr. Helmut Marko. Red Bulls Motorsportberater nimmt selten ein Blatt vor den Mund.

Deshalb überlässt Motorsport-Magazin.com die erste Standortbestimmung dem Doktor. "Ich glaube, auf manchen Strecken werden wir und auch Ferrari auf Augenhöhe mit Mercedes sein", so Markos erste Analyse. "Dahinter klafft eine relativ große Lücke. Nach unseren Berechnungen kommt dann mit großem Abstand Renault. Dahinter ist der Abstand zum engen Mittelfeld ebenfalls groß."

Marko: Mercedes hat mindestens 1.000 PS

Aber wie sieht es jetzt konkret an der Spitze aus? Warum ist Red Bull nur auf manchen Strecken auf Augenhöhe mit Mercedes? "Ich glaube, wir sind näher an der Spitze dran als letztes Jahr, aber Mercedes ist mit diesem Motor noch immer das Maß der Dinge", erklärt Marko.

Die kolportierte 1.000-PS-Marke beim Konkurrenten hält er für realistisch. "Wenn nicht mehr...", meint Marko. Auch Renault hat über den Winter entwickelt - doch offenbar nicht gut genug. "Unser Defizit ist identisch, vielleicht sind wir eine Spur näher gekommen", meint Marko.

Noch immer spuckt der Renault-Antrieb Red Bull ein wenig in die Suppe, Foto: Sutton
Noch immer spuckt der Renault-Antrieb Red Bull ein wenig in die Suppe, Foto: Sutton

Obwohl über den Winter die Regeln beim Ölverbrauch akut beschränkt wurden, glaubt die Konkurrenz weiterhin an den Qualifikationsmodus von Mercedes: "Das ist unser größtes Handicap. Bei 90 Prozent der Rennen ist die Qualifikationsposition auch die Rennposition. Dazu kommt, dass der Motor weniger Benzin verbraucht, was wiederum einen Gewichtsvorteil bringt."

Ganz schwarz sehen will der Doktor aber nicht. "Es wird sicher Strecken geben, auf denen das nicht ganz so entscheidend ist. Wichtig ist: Wenn man dran ist, kann man Druck ausüben. Wir sind mit unserer Vorbereitung zufrieden. Die Probleme die es gab, waren relativ simple Sachen, Kleinigkeiten. In der Hybridära sind wir noch nie so viele Kilometer beim Test gefahren."

Die neue Herangehensweise, die Deadline für das finale Fahrzeugdesign schon deutlich früher anzusetzen, zahlt sich nun aus. "Wir sind mit dem Chassis so gut vorbereitet hierhergekommen, dass es keine Anlaufschwierigkeiten gab", freut sich Marko und schickt ein seltenes Lob an den Motorenpartner hinterher: "Aber auch Renault wurde zuverlässiger. Hoffen wir auf eine spannende Saison."