Mit der Bestzeit und vielen Runden am Montag begannen die Testfahrten für Red Bull sehr ordentlich. Wie ist das zu bewerten?
Dr. Helmut Marko: Das ist zurückzuführen auf die Änderung unserer Herangehensweise, das Auto nicht erst im letzten Moment fertigzustellen. Stattdessen hatten wir einen Rollout in Silverstone, der bis auf den Crash recht erfolgreich war. Wir sind zum ersten Mal in den letzten sechs bis acht Jahren sortiert zum Test gekommen mit dem Ergebnis, das wir die meisten Runden gefahren sind.

Die Umstellung hat sich also schon jetzt gelohnt?
Dr. Helmut Marko: Auf alle Fälle. Dazu kommt, dass wir letztes Jahr die Saison mit einem sehr guten Chassis beendet haben und auf einem Top-Produkt weiter aufbauen konnten.

Das diesjährige Chassis sieht sehr extrem aus. Nach 'nur auf dem alten aufbauen' sieht das nicht aus...
Dr. Helmut Marko: Na klar, wir sind in der Formel 1. Eine Evolution war der Grundgedanke und die Details sind dann mit Innovationen aufgepfeffert worden.

Was lief am Dienstag bei Verstappen schief? Er kam nur auf wenige Runden.
Dr. Helmut Marko: Probleme mit dem Mapping, die nicht von unserer Seite kommen.

Für uns war die größte Überraschung des Tests Toro Rosso Honda. Da läuft es bislang wie geschmiert. Kommt das auch für Sie überraschend?
Dr. Helmut Marko: Nein, ich wusste ja schon lange, was Honda vorhat und wie die Herangehensweise war. Dass die Performance und auch die Zuverlässigkeit von Beginn an so im Einklang waren und so hervorragend funktioniert haben, war eine kleine, aber keine große Überraschung.

Sind Sie erleichtert, dass es so begonnen hat?
Dr. Helmut Marko: Nein, wir sind das ja bewusst angegangen. Honda und Red Bull haben sich zusammengesetzt und ihre Ziele definiert und geprüft, ob die erzielbar sind. Dann wurden die Vereinbarungen abgeschlossen.

Dr. Helmut Marko mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Xavi Bonilla
Dr. Helmut Marko mit Motorsport-Magazin.com, Foto: Xavi Bonilla

Was ist ein realistisches Ziel für Toro-Rosso und Honda?
Dr. Helmut Marko: Das realistische Ziel muss zwischen Platz fünf und sechs sein.

Macht der gute Beginn eine Ehe zwischen Red Bull und Honda in der Zukunft wahrscheinlicher? Schließlich will man so früh wie möglich wissen, welcher Motor im nächsten Jahr im Heck sein wird.
Dr. Helmut Marko: Möglich ist alles in der Formel 1. Es ist aber zu früh, um jetzt darüber zu sprechen.

Aktuell läuft es gut für Ihre Teams, aber besonders aussagekräftig sind die Tests hier wegen des Wetters nicht. Sollte noch ein Tag bei besserem Wetter nachgeholt werden?
Dr. Helmut Marko: Ich bin der Meinung, dass da jetzt nicht herumgeschoben werden sollte, weil die Wetterprognosen nicht so viel besser aussehen. Man sollte sich das besser überlegen und in eine Gegend gehen, in der man konstante Bedingungen hat und aussagekräftige Daten gesammelt werden können. Das kann nur so etwas wie Bahrain sein, denn letztlich sind die höheren Kosten durch das Ergebnis gerechtfertigt.

Es wird schon wieder über Motoren diskutiert und vor allem den Gebrauch des Öls. Es scheint, als sei Red Bull noch nicht ganz zufrieden damit, wie das von der FIA überwacht wird?
Dr. Helmut Marko: Wir beziehen ja Kundenmotoren und können da keinen Einfluss drauf nehmen. Wenn man jetzt aber schon eine Motorenformel hat, sollte man wenigstens klarstellen, dass diese Motoren innerhalb des Reglements genutzt werden und nicht noch durch diverse Modifikationen die Leistungsausbeute verzerrt wird.

Sie sehen also noch Lücken im Reglement?
Dr. Helmut Marko: Solche Sachen kommen ja immer erst auf, wenn Leute von einem Team zum anderen wechseln. Aber wie gesagt: Wir sind kein Motorenhersteller und es ist deren Aufgabe, sicherzustellen, dass eine Reglementgleichheit besteht.

Zum ersten Mal in der Turbo-Hybrid-Ära haben sie den gleichen Motor wie ein potentieller Mitbewerber. Freuen sie sich auf den Kampf mit McLaren?
Dr. Helmut Marko: Schauen wir mal, wo die stehen. Die Zeiten gestern wurden auf ganz weichen Reifen gefahren. Warten wir es mal ab.

Marko: Gibt bessere Lösungen als Halo

Können Sie sich inzwischen mit dem Halo anfreunden?
Dr. Helmut Marko: Nein, das geht nach wie vor gegen die DNA der Formel 1. Mit Blick auf die Sicherheit hilft es sicherlich gegen herumfliegende Teile. Aber schauen Sie sich mal an, wie die Fahrer sich da hineinzwängen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Fahrer in der nötigen Zeit aussteigen kann, wenn er verletzt ist. Ich glaube, dass es da bessere Lösungen geben sollte, was auch immer. Ich glaube, dass der Halo überhastet eingeführt wurde. Ich bin da kein Experte, aber diese Lösung ist optisch nicht gut und ich glaube auch, dass sie sicherheitstechnisch noch nicht völlig durchdacht ist.

Dr. Helmut Marko kann sich noch immer nicht mit Halo anfreunden, Foto: Sutton
Dr. Helmut Marko kann sich noch immer nicht mit Halo anfreunden, Foto: Sutton

Letztes Jahr haben sie sich noch über einige Neuerungen von Liberty Media gefreut. Auch über die Abschaffung der Grid Girls?
Die Grid Girls waren etwas ganz Traditionelles und ich finde das überzogen - wie so vieles in unserer jetzigen Zeit. Aber das scheint eben ein absolutes No-Go zu sein...

Und die veränderten Startzeiten ab dieser Saison?
Dr. Helmut Marko: Das finde ich nicht so gravierend. Das kann man probieren. Im Sommer ist man vielleicht eher geneigt, sich einen Grand Prix nach dem Baden anzuschauen. Wir hatten Rückgänge, also müssen wir schauen, wie man das kompensieren kann.

Diese Änderungen waren eher eine Randnotiz, langfristig geht es aber um Geld und Motoren...
Dr. Helmut Marko: Es geht generell ums Geld. Die Kosten für die Formel 1 sind viel zu hoch. Kein Team verdient Geld und Chancengleichheit ist überhaupt nicht gegeben. Um das abzustellen, muss man beim Motor anfangen, denn das ist der stärkste Kostentreiber.

Red Bull würde auf Geld verzichten

Was erwarten Sie in dieser Hinsicht von Liberty?
Dr. Helmut Marko: Liberty hat relativ viel Geld ausgegeben, um die Formel 1 zu kaufen. Für die ist das ein Geschäftsmodell. Und damit das funktioniert, müssen sie das auf bessere Beine stellen. Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben. Es geht um den Sport und da muss der Fahrer im Vordergrund sein - und nicht die Ingenieure.

Wäre Red Bull denn bereit, finanzielle Abstriche bei der Geldverteilung zu machen?
Dr. Helmut Marko: Wir sind der Meinung, dass die Gesamtkosten, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein, zu hoch sind. Wenn wir jetzt profitieren, dann aufgrund unserer vergangenen Leistungen. Aber eigentlich noch viel mehr für das, was wir an Marketing- und PR-Arbeit leisten. Wir haben weltweit zwischen 15 und 20 Show-Runs und x weitere Aktivitäten. Das ist ein zweistelliger Millionenbetrag, den wir natürlich für unsere eigenen Marketing-Aktivitäten, aber letztendlich auch für die Formel 1 investieren. Solche Sachen müssen in irgendeiner Weise berücksichtigt werden.

Man würde also Einschnitte akzeptieren, wenn es dafür irgendwelche andere Belohnungen gibt?
Dr. Helmut Marko: Ja.