Liebe motorsport-magazin.com-Leserinnen & Leser,

Der Nordamerika-Abstecher des Formel 1 Zirkus ist in jedem Jahr aufs Neue ein tolles Erlebnis, welches ich auch diesmal ausgiebig dazu nutzte zusammen mit meinem Bruder Nick die tolle Atmosphäre in Montreal und Indianapolis zu genießen, mich mit meinen alten Teamkollegen wie Patrick Frisacher, Christijan Albers oder Robert Doornbos zu unterhalten oder einmal bei mir aus der Vergangenheit bekannten Ingenieuren sowie Mechanikern in den Boxen vorbeizuschauen.

Und obwohl es sich abgedroschen anhört: Man merkt einfach, dass die gesamte Formel 1 gerne nach Montreal kommt. Das liegt erstens an der Strecke, die sehr schön und gut zu fahren ist, und zweitens an der besonderen Stimmung der Stadt. So merkt man zwar, dass man sich in Nordamerika befindet, doch herrscht immer noch ein gewisses europäisches Flair vor. Der Kanada GP und seine Heimat sind somit eines der Highlights der Formel 1 Saison.

Zudem sind die Leute dort richtig Formel 1 interessiert und zwar nicht nur während des Grand Prix Wochenendes. Die Kanadier verfolgen die F1 auch in Europa, was sich unter anderem darin niederschlägt, dass in der Stadt überall Flaggen im Wind wehen und die Fahrer auf der Straße erkannt werden.

Ganz anders ist es eine Woche später im amerikanischen Motorsportmekka in Indianapolis. Dort ist der Motorsport zwar auf alle Fälle Tradition, aber betrifft dies vor allem die IRL und die NASCAR Serie. Die Formel 1 ist hingegen, im Gegensatz zu Montreal, nicht wirklich ein Thema. Die Fahrer werden von den Fans größtenteils nicht erkannt und die Tribünen sind am Freitag und Samstag ebenfalls noch nicht gefüllt.

Und nach den Ereignissen vom vergangenen Sonntag wird sich dies in Zukunft höchstwahrscheinlich auch nicht mehr ändern. Deshalb muss sich die Formel 1 ernsthaft überlegen, ob sie in den nächsten zehn Jahren überhaupt noch einmal nach Indy gehen sollte.

Besonders unklug war in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Zuschauer über den Streckensprecher überhaupt nicht über die chaotischen Szenen im wild diskutierenden Fahrerlager auf dem Laufenden gehalten wurden und nur einige Fans dies draußen über das Radio erfuhren. Die große Masse bekam es hingegen erst, als es sprichwörtlich schon zu spät war mit und nur die sechs Autos in die Startaufstellung fuhren.

Trotz all der unterschiedlichen Interessen, die hier beachtet werden wollten, hätten die FIA und Max Mosley einfach ein Machwort sprechen müssen, damit diese zigtausend Fans ein richtiges Rennen geboten bekommen. Lösungsmöglichkeiten gab es ja einige. Schließlich wurde im Fahrerlager ringsherum pausenlos diskutiert und jeder hatte eine andere tolle Idee. Beispielsweise jene mit der Schikane in Turn 13. Für die Formel 1 muss es einfach möglich sein in Amerika innerhalb von anderthalb Tagen eine solche Schikane aus dem Boden zu stampfen.

Dann hätte man die Bridgestone-Autos vorne starten und alle Punkte abräumen lassen und ein sportlich nicht ganz perfektes, aber für die Zuschauer akzeptables Rennen abhalten können. Draußen auf den Tribünen hätten dies ohnehin nur die Wenigsten mitbekommen und alle wären zufrieden gewesen.

Auf diese Weise hätte man sich auch den riesigen Imageverlust weltweit und insbesondere in den Staaten ersparen können. Dieser Gesichtsverlust trifft ja nicht nur Michelin, deren Aktien in den Keller purzelten, sondern auch die Formel 1 im Allgemeinen. Denn in den USA lacht man nur laut über die F1. Schließlich fahren die sehr viel beliebteren Indycars und NASCAR-Autos mehrere hundert Runden durch alle vier Steilwandkurven, während die europäischen F1-Boliden noch nicht einmal mit einem Banking klarkommen.

Warum sich die FIA hier also jedweder Lösung, welche nicht ihren drei vorgeschlagenen und für die Teams verständlicherweise inakzeptablen Ideen entsprach, versperrte und die Teams nun für eine Schädigung des Motorsports belangt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Durch ihre ablehnende Haltung sorgte ja auch die FIA zu einem gewissen Teil für diese Rufschädigung der eigenen Serie.

Der auslösende Fehler lag zwar ganz klar bei Michelin, doch war deren Entscheidung nicht zu fahren vollkommen korrekt, da die Gefahr eines weiteren schweren Unfalls mit verletzten Fahrern oder gar Zuschauern viel zu groß war. Dennoch hätte ihnen im sechsten Jahr auf dem Indianapolis Motor Speedway und bei korrekter Vorbereitung auf die neu asphaltierte Steilkurve so etwas nicht passieren dürfen.

Für Max Mosley und die Verfechter eines Einheitsreifenherstellers lieferte dieses schwarze Wochenende natürlich wieder jede Menge neue Munition und dies nur Tage nachdem der FIA-Präsident sein neues Reglement für das Jahr 2008 vorgestellt hatte.

In diesem sind zwar einige brauchbare Ideen enthalten, doch ist es fraglich ob die Königsklasse des Motorsports wirklich wieder mit Handschaltung fahren sollte, wo Schaltwippen am Lenkrad heutzutage in jedem Oberklasse Mercedes oder BMW und in vielen anderen Rennserien Standard sind. Noch viel schlimmer wiegt aber die ganze geplante Vereinheitlichung von Reifen, Getriebe oder Bremsen. Die Formel 1 ist schließlich keine Nachwuchsserie, sondern die Königsklasse des Motorsports. Jedenfalls möchte sie das gerne sein...