"Was ist bloß mit Williams los?", fragte unser Chefredakteur Stephan Heublein schon in unserem vorletzten Print-Magazin, das am 19. Oktober erschien. Sein Kommentar ist aktueller denn je, denn am Dienstag gab Williams bekannt, dass nicht Robert Kubica, sondern Sergey Sirotkin das zweite Cockpit neben Lance Stroll erhält.

Daran ist erst einmal nicht so viel falsch: Wenn der Pole die Pace gehabt hätte, würde er wohl schon Renault fahren. Schade um ein tolles und sympathisches Comeback ist es trotzdem. Ich mache mir allerdings Sorgen um die Alternative namens Sergey Sirotkin.

Tatsächlich wurde der Russe in der Vergangenheit schon zu Unrecht gescholten. Als er Russen-Millionen zu Sauber bringen sollte, sah manch einer schon den Untergang des Teams. Doch der sportliche Niedergang des Teams wäre mit Sirotkin in den letzten Jahren sicherlich nicht schlimmer gewesen.

Sirotkin ist besser als sein Ruf. Nicht umsonst hat er im vergangenen Jahr das Hauptrennen der GP2 in Monaco dominiert - bis er tränenreich in der Leitplanke landete. Aber ein Supertalent ist er nicht. Und genau das würde Williams eigentlich dringend benötigen, hat man den Quoten-Platz doch schon an Lance Stroll vergeben.

Stroll hingegen ist deutlich schlechter als sein Ruf. Auch wenn sich der Kanadier in Abu Dhabi selbstsicher vor die Medienvertreter setzte und von seiner 'großartigen Rookie-Saison' sprach: Tatsächlicher war der Kanadier nicht so viel besser als Jolyon Palmer. Die WM-Tabelle lügt, Massa hat Stroll 2017 gebügelt.

Beste Williams-Alternative: Massa behalten!

Gerade in dieser Situation bräuchte Williams in der Formel-1-Saison 2018 einen Top-Piloten. Der ist Sergey Sirotkin nicht. Man könnte entgegnen, die Auswahlmöglichkeiten wären beschränkt gewesen. Das waren sie tatsächlich. Aber warum hat man dann nicht einfach Massa behalten? Der Brasilianer wäre gerne geblieben.

Auch Wehrlein halte ich für eine bessere Alternative als Sirotkin. Das Alter, das angeblich gegen ihn sprach, kann es offensichtlich nicht sein. Sirotkin ist sogar ein Jahr jünger, für den Alkoholsponsor wird auch er in manchen Märkten nicht werben dürfen.

Doch Sirotkin bringt Geld. Angeblich bringt Boris Rotenberg mit SMP Racing eine niedrige zweistellige Millionensumme für das Williams-Cockpit mit. Ist ein weiterer sportlicher Abstieg das wert?

Was zählt: Geld oder Stroll?

Ich frage mich allerdings, ob es wirklich um die kolportierten 15 Millionen Pfund ging. Wer hat bei Williams eigentlich das Sagen? Der Rennstall hängt am Tropf von Milliardär Lawrence Stroll. Und der verfolgt vor allem ein Ziel: Sein Sohn, Lance Stroll, soll möglichst gut aussehen.

Lance Stroll ist sich sicher: Er hatte eine großartige Rookie-Saison, Foto: Motorsport-Magazin.com
Lance Stroll ist sich sicher: Er hatte eine großartige Rookie-Saison, Foto: Motorsport-Magazin.com

Man stelle sich vor, Stroll Junior würde gegen den mit Handicap fahrenden Robert Kubica verlieren. Würde blöd aussehen. Auch eine weitere vernichtende Niederlage gegen Felipe Massa oder Pascal Wehrlein würde blöd aussehen.

Übrigens sagt man sich, dass Papa Stroll selbst in den Nachwuchsklassen versucht, keine Konkurrenz für seinen Sohn heranzuzüchten. Man munkelt, noch immer würde ihm der Nachwuchsrennstall Prema gehören. Für 2018 hat das Formel-2-Team Sean Gelael und Nyck de Vries unter Vertrag genommen. Ich wage eine steile These: Keiner der beiden wird am Ende Meister.

Belege dafür, dass Lawrence Stroll die Konkurrenz seines Sohnes steuert, gibt es nicht. Sehen wir diesen Kommentar als Denkanstoß. Williams aber muss sich nachweislich fragen: Wohin soll die Talfahrt des Rennstalls noch gehen? Was ist bloß mit Williams los? Eine mögliche Antwort auf die Frage unseres Chefredakteurs könnte lauten: Stroll ist los.

Dieser Kommentar erschien in leicht abgeänderter Version bereits am 12.12.2017, als sich die Gerüchte um eine Verpflichtung von Sergey Sirotkin bei Williams konkretisierten.