Dein Twitter-Account läuft inzwischen heißer als so manche eine Power Unit. Mal hat dich Toto Wolff um die Rosberg-Nachfolge gebeten, Mal wolltest du Sauber-Teamchef werden. Warum gibst du inzwischen auch im Netz so Vollgas?
Giedo van der Garde: Man muss die Gerüchte am Laufen halten. Im Ernst: Als ich noch Formel-1-Fahrer war, durfte ich nicht so viel sagen und sollte nichts Blödes sagen. Aber sobald ich aus der Formel 1 raus war, habe ich mich freier gefühlt, wollte was Witziges machen. Ich weiß ja auch viel über die Formel 1, aber ich gebe dem ganzen gerne einen lustigen Touch. Es ist immer gut, wenn man diese Kombination machen kann.

Man sieht dich leider kaum mehr im Fahrerlager. Was treibst du heute?
Giedo van der Garde: Etwas ganz anderes, ich bin dieses Jahr kaum gefahren. Nur ein Rennen im Audi TT Cup. Das hat Spaß gemacht, war aber nicht interessant genug, um das ernsthaft zu verfolgen. Ich bin hauptsächlich Geschäftsmann, kümmere mich um Immobilien in Amsterdam. Ich kaufe Häuser, renoviere und entwickle sie, dann verkaufe ich sie wieder. Das ist mein Hauptjob. Ich habe aber auch noch ein Projekt mit meiner Schwägerin, wir wollen in Amsterdam ein Fitnessstudio eröffnen. Aus einem Sportler ist also ein Geschäftsmann geworden.

Würdest du sagen, deine Rennfahrer-Karriere ist damit vorbei?
Giedo van der Garde: Das würde ich nicht sagen, vielleicht gibt es nächstes Jahr etwas Interessantes. Wenn es ein interessantes Projekt ist und ich den Speed noch habe, mich fit und bereit fühle, dann würde ich das machen.

Du hattest Mal Interesse an der DTM. Ist das noch so? Oder interessierst du dich mehr für Le Mans?
Giedo van der Garde: Die DTM befindet sich momentan in einer schwierigen Situation, aber ich bin mir sicher, dass Gerhard Berger dabei ist, die Probleme zu lösen. Hoffentlich bringt er einen neuen Hersteller rein, denn die Rennen sind immer unterhaltsam. Es wäre schön, dort zu fahren, aber ich sehe da keine Chance für mich. Also schaut man sich andere dringe wie Le Mans an, das würde ich gerne machen. Auch die Blancpain GT Serie ist eine schöne Meisterschaft, es gibt ein paar Gespräche.

Du betreust aktuell den GP3-Fahrer Steijn Schothorst. Könntest du dir vorstellen, das auszubauen? In der MotoGP sind Fahrer-Coaches ja Gang und Gäbe.
Giedo van der Garde: Ja, sicherlich! Das ist eine schöne Arbeit, man hat ja viel Erfahrung, man weiß wie hart man trainieren muss, wie man sich auf ein Rennen vorbereitet. All diese Fähigkeiten sind sehr wichtig. Jemand, der aus dem Kartsport kommt, ist bestimmt froh, wenn er jemanden an seiner Seite hat, der dafür sorgt, dass er ein professioneller Rennfahrer wird. Ich denke, es gibt einen großen Markt dafür. Schothorst will von Formelautos zu GTs wechseln, dabei helfe ich ihm auch. Ich habe eine große Leidenschaft für den Motorsport, ich bin gerne auf der Strecke, ich kann für viele junge Leute von Nutzen sein.

Aber das Kapitel Formel 1 ist für dich nach den ganzen Hickhack vor knapp zwei Jahren geschlossen...
Giedo van der Garde: Formel 1 fahren kann man vergessen. Ich war da und habe das gemacht. Natürlich war die Art und Weise, wie ich ausgestiegen bin, hart. Aber ich bin darüber hinweg, ich bin froh, dass ich einer der wenigen Niederländer war, der ein Formel-1-Auto gefahren ist. Ich kann stolz darauf sein, ich hatte eine schöne Karriere. Ich habe meinen Speed und mein Talent gezeigt, nun ist es an der Zeit für etwas anderes. Es geht auch ums Alter, ich bin jetzt 32. Hamilton ist zwar genauso alt und wird wohl noch ein paar Jahre fahren, aber für mich ist es vorbei.

So lief Saubers Chaos-Wochenende in Australien

Du hast schon gesagt, dass es hart war, wie du aus der Formel 1 ausgeschieden bist. Du hattest eigentlich einen gültigen Vertrag, hast dafür extra ein Jahr lang als Reservefahrer verbracht - und am Ende wirst du über den Tisch gezogen. Hegst du einen Groll gegenüber Monisha Kaltenborn?
Giedo van der Garde: Ich bin einen Schritt zurückgetreten, um zu einem besseren Team zu kommen und mein Potential noch besser zeigen zu können. Natürlich war das, was passiert ist, nicht fair. Es war nicht leicht, damit umzugehen, aber alle wissen, dass wir in dem ganzen Fall recht hatten. Wir hatten einen Vertrag, Rennen zu fahren. Aber leider gab es Leute mit mehr Geld. Dadurch hatten wir keine Chance mehr, Rennen zu fahren. Wenn man so aus der Formel 1 geht, dann ist das für jeden Athleten nicht einfach, man muss sich Rennen von zu Hause aus ansehen, man hat auf einmal nichts mehr zu tun. Und dazu hatte ich zuvor schon ein Jahr gewartet. Die ersten Monate waren ziemlich hart, aber das Leben geht weiter. Es gibt im Leben nicht nur die Formel 1, sondern noch viele andere Dinge, das habe ich in den letzten Jahren gelernt und ich bin jetzt im Moment ein wirklich glücklicher Mensch.

Beim Australien GP 2015 in Melbourne kam es zum Eklat: Giedo van der Garde im Overall von Marcus Ericsson, Foto: Sutton
Beim Australien GP 2015 in Melbourne kam es zum Eklat: Giedo van der Garde im Overall von Marcus Ericsson, Foto: Sutton

Dass Frau Kaltenborn in diesem Jahr in der Formel 1 von der Bildfläche verschwunden ist, muss zumindest eine Genugtuung für dich gewesen sein...
Giedo van der Garde: Das, was sie mit mir gemacht hat, war nicht akzeptabel. Das war von ihrer Seite nicht gut. Das Team hat gesehen, dass sie ein harter Mensch sein kann, aber auch nicht fair. Sie haben mit den neuen Besitzern die wahre Monisha gesehen und dann haben sie gesagt: Vielleicht ist es an der Zeit zu gehen und etwas anderes zu tun. Deshalb war ich schon froh, als ich die Nachricht gesehen habe. Sauber hat eine große Geschichte, es gibt da sehr nette Menschen, ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis mit den Angestellten, mit den Mechanikern, mit den Ingenieuren. Es ist gut, dass sie gegangen ist, es ist sehr gut, dass Vasseur da ist. Ich kenne ihn sehr gut, ich hoffe dass es das Team aus der Rolle des Hinterbänklers rausschafft und dass sie in die richtige Richtung entwickeln - sie haben es verdient.

Wann wurde dir eigentlich klar, dass du 2015 nicht fahren würdest?
Giedo van der Garde: Ich wusste es erst in Melbourne. Wir haben die erste Gerichtsverhandlung gewonnen. Dann gingen sie in Berufung und wir haben wieder gewonnen. Als ich am Freitag an der Strecke war, hatte ich noch ein wenig Hoffnung, dass es noch möglich wäre. Am Samstag haben wir uns aber geeinigt und ich wusste, dass es vorbei war. Freitagnacht wurde es mir klar.

Sauber Team hatte heimlichen Kontakt zu van der Garde

Wie war es während der Winterpause? Normalerweise hast du in dieser Zeit als Fahrer ja auch Kontakt zum Team, dazu kommen ja auch noch die Wintertests vor der Saison.
Giedo van der Garde: Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich Rennen fahren werde. Der Sitz war fertig und ich hatte Kontakt mit Leuten in der Fabrik und einigen Ingenieuren. Aber das lief wahrscheinlich eher heimlich ab und Monisha wusste davon nichts. Ich wusste, dass die Entwicklung sehr gut gewesen ist. Das Auto war zu Beginn des Jahres ziemlich stark. Ich war also sehr positiv gestimmt. Ich habe sehr hart trainiert und war noch nie so fit wie zu dieser Zeit. Ich wusste aber auch, dass die Möglichkeit bestand, dass ich nicht fahren würde. Jeden Morgen, an dem ich in dieser Zeit aufwachte, habe ich zu mir gesagt, dass ich positiv bleiben muss und sicherstelle, weiterhin hart zu trainieren und dann wird das schon was. Ich habe also immer daran geglaubt, dass ich Rennen fahren würde. Aber leider ist das nicht passiert.

Zweite Formel-1-Karriere dank Max Verstappen

Auch wenn Rennfahrer immer lieber selbst im Cockpit sitzen würden als am TV zuzusehen - mit Max Verstappen macht es dir immerhin ein bisschen mehr Spaß...
Giedo van der Garde: Ja, er ist ein guter Freund von mir. Genauso wie Nico Hülkenberg. Ich kenne immer noch sehr viele Leute im Paddock. Dieses Jahr war ich öfter vor Ort und habe mich sehr willkommen gefühlt. Ich darf überall rein, kann viele Fahrer sehen. Ich genieße es, dort zu sein, ihnen beim Rennfahren zuzuschauen und natürlich habe ich eine besondere Beziehung zu Max. Er bekommt meinen vollen Support. In den Niederlanden ist das ein großes Ding. Momentan läuft es ziemlich gut.

Der gesamte Motrosport hier in der Niederlanden ist jetzt ein großes Ding, wegen der Ergebnisse, die Max einfährt, ist er sehr beliebt. Viele Leute gehen wieder Kartfahren, die Strecke in Zandvoort sieht wieder gut aus. Hier wächst vieles. Man sieht auch viel im Fernsehen. Ich habe daher auch viel Arbeit, weil ich auch in die TV-Berichterstattung involviert bin. Für jeden ist es ein großes Plus.

2002: Giedo van der Garde und Jos Verstappen, Foto: Sutton
2002: Giedo van der Garde und Jos Verstappen, Foto: Sutton

Woher rührt die Freundschaft zwischen Max und dir?
Giedo van der Garde: Sein Vater war im Kartsport involviert. Ich habe die Kart-WM 2002 gewonnen. Zu der Zeit stand ich in Kontakt mit Jos. Da war Max gerade einmal zwei oder drei Jahre alt. Wir haben da schon im selben Raum geschlafen, wenn ich mit Jos unterwegs gewesen bin, haben Playstation gespielt. Als ich es dann in die Formel 1 geschafft habe, hat er mich bei einigen Rennen besucht und ich habe ihn bei Gokart-Rennen besucht. Seit ein, zwei Jahren haben wir viel Kontakt. Wir sehen uns manchmal auf Ibiza oder wenn er in Amsterdam ist. Die Freundschaft wuchs vor allem in den letzten beiden Jahren. Er ist ein netter und freundlicher Kerl, sehr offen und entspannt. Man kann auch viel mit ihm lachen. Die Beziehung zwischen uns beiden ist so intensiv, weil wir uns schon so viele Jahre kennen.

Wo siehst du den Unterschied zwischen Max und den anderen Rennfahrern?
Giedo van der Garde: Er ist einfach ein unglaublich talentierter Junge. Er fasst alles so viel schneller auf als alle anderen. Er hat all die Fähigkeiten. Er denkt schneller als alle anderen, er hat das bessere Gefühl als die anderen. Besonders in dem Alter ist das phänomenal. Das Rennen, das er vergangenes Jahr in Brasilien gefahren ist, das war unglaublich. Auch dieses Jahr in Malaysia war er so unglaublich schnell. Für ihn wirkt es sehr einfach. Das macht ihn so gut.

Van der Garde und Verstappen: Alte Freunde, Foto: Sutton
Van der Garde und Verstappen: Alte Freunde, Foto: Sutton

Du warst auch schon Teamkollege von Sebastian Vettel. Wie würdest du die beiden miteinander vergleichen?
Giedo van der Garde: Sebastian war dieses Jahr okay. Er hatte einige Rennen, bei denen er unglaublich schnell war und einige, wo er es nicht war. Aber er hat definitiv den Speed. Er steckt auch unglaublich viel Arbeit hinein. Er ist ein großer und harter Arbeiter. Er ist politisch auch sehr korrekt und ein netter Kerl. Je schneller die Autos, in die er stieg, desto schneller wurde er als Fahrer. Seine Rennintelligenz war auch immer sehr gut. Zwischen den beiden sehe ich eigentlich keinen großen Unterschied. Wenn Sebastian in Führung liegt, ist er einer der besten überhaupt. Aber in Zweikämpfen denke ich, dass Max der Bessere ist. Er ist stärker, wenn es darum geht, die Position zu verteidigen oder die Art wie er überholt. Da ist er phänomenal. Aber man darf nicht vergessen, dass Vettel bereits vier Weltmeisterschaften gewonnen hat. Wenn man beiden in dasselbe Auto steckt, wird man keinen großen Unterschiede sehen. Im Qualifying würde vielleicht Vettel die Nase vorne haben, im Rennen aber Max.

Max beeindruckte dieses Jahr aber auch im Qualifying im Vergleich zu Daniel.
Giedo van der Garde: Absolut. Vergangenes Jahr hatte er ein wenig zu kämpfen. Aber jetzt ist er da. Er macht aber immer noch große Schritte. Was Rennintelligenz angeht, muss er nicht mehr viel lernen. Die Art, wie er überholt, wie er attackiert, wie er alles macht. Da ist er einer der besten. Er wusste vergangenes Jahr, dass er im Qualifying etwas schwächer war als Ricciardo. Aber dieses Jahr hat er einen großen Schritt gemacht. Das ist wichtig für einen Fahrer, dass man sich immer weiterentwickelt.