McLaren-Talent Lando Norris debütiert 2018 in der FIA-Formel-2-Meisterschaft. Nicht wenige trauen dem jungen Briten den direkten Durchmarsch in die Formel 1 zu. Ein Titelgewinn im Unterhaus der Königsklasse könnte ihn und McLaren allerdings vor ein Problem stellen. Wohin mit dem vermeintlich größten Nachwuchstalent seit Max Verstappen, wenn Woking für 2019 kein freies Cockpit hat?

Eine naheliegende Variante ist, dass der 18-jährige Norris Superstar Fernando Alonso nach dessen wohl nicht in allzu weiter Ferne liegenden Rücktritt nahtlos ersetzen kann. "Wenn man es so betrachtet, kann man vielleicht sagen, dass das der Plan ist", so Norris im Rahmen der Testfahrten in Abu Dhabi. "Wir müssen schauen, was Fernando vor hat." Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass ein Rücktritt Alonsos für den Youngster zu spät kommt.

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Auch Stoffel Vandoorne scheint nach seiner starken zweiten Saisonhälfte bei McLaren bis auf weiteres fest im Sattel zu sitzen. "Ich denke, sie sind mit Stoff sehr zufrieden. Es ist noch früh in seiner Karriere und er hat sich sehr gut entwickelt und verbessert, bevor er 2018 in seine zweite Saison geht", muss auch Norris neidlos anerkennen.

Akut wird die Cockpit-Problematik erst, wenn der Shooting Star kommendes Jahr die Formel 2 im ersten Anlauf für sich entscheiden sollte. Als Champion würde er sich in derselben Situation wiederfinden wie Vandoorne, der aufgrund des Platzmangels bei McLaren nach seinem Titel im Jahr 2015 für eine Saison in der japanischen Super Formula geparkt wurde.

Formel 1 um jeden Preis: Norris würde McLaren im Zweifelsfall verlassen

Norris hat sich für sein Debüt-Jahr im Unterhaus der Formel 1 eigentlich noch nicht den Titel zum Ziel gesetzt. Nachdem er 2017 als Rookie die Formel 3 Europameisterschaft gewann, will er eine Wiederholung nicht ausschließen. "Die Top-3 sind realistischer. Aber dasselbe habe ich vor diesem Jahr auch gesagt und am Ende gewonnen", erklärt Norris in aller Bescheidenheit.

Kein Wunder also, dass ihn die Zukunftsfrage schon jetzt beschäftigt. "Wenn ich hier kein Cockpit bekomme, muss ich natürlich nach anderen Möglichkeiten schauen", sagt Norris, dessen Wunsch ein Aufstieg innerhalb des Teams ist: "Mein Ziel ist, für McLaren zu fahren." Das gilt auch, wenn der Rennstall bis zum Stichtag noch nicht den Sprung zurück an die Spitze geschafft haben sollte.

"Selbst wenn es kein Top-Auto ist, würde ich gerne für McLaren fahren", versichert Norris, für den eine Wartefrist wie im Falle Vandoorne akzeptabel wäre. "Wenn ich nur ein Jahr warten muss, werde ich schon bei McLaren bleiben. Auch, wenn ich dann mit einem Jahr ohne Racing klarkommen muss, oder damit auf der Ersatzbank sitzen zu müssen."

Doch auch diese Variante ist für ihn nur interessant, wenn ihm McLaren mittelfristig eine Perspektive bieten kann, die ihn in die Formel 1 führt. "Wenn sie Anfang 2019 oder 2020 sagen, dass sie für die nächsten drei Jahre keinen Platz für mich haben, muss ich mich offensichtlich anderweitig umschauen", wird Norris konkreter.

Der Nachwuchspilot könnte sich unter einem Teamwechsel auch eine Ausleihe vorstellen, wie sie Mercedes und Ferrari bei seinen Junioren praktiziert. "Vielleicht können sie mich auch in ein anderes Team stecken, eventuell eines mit Renault-Motoren. Möglicherweise gibt es noch andere Möglichkeiten."

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Norris: Von McLaren-Star Alonso bisher noch nichts gelernt

Im Januar 2018 wird Lando Norris zusammen mit Fernando Alonso bei den 24 Stunden von Daytona am Start sein. Bisher kennen sich der zweimalige Weltmeister und der Rohdiamant nur flüchtig. "Wir sprechen uns nur manchmal. Er ist ziemlich beschäftigt", so Norris, der sich bisher aber auch noch nicht um Tipps von Alonso bemühte.

"Ich habe ihn nie nach Hilfe gefragt. Wir haben eher über Rennen und Tests gesprochen, und auch über das Event in Daytona. Es ging mehr um generelle Dinge, aber nichts was mir persönlich geholfen hätte, um ehrlich zu sein", fügt Norris an. Beim Langstreckenklassiker in den USA wird er dem Routinier trotzdem genau auf die Finger schauen.

"Es wird am ehesten die Arbeitsweise eines F1-Fahrers sein", so Norris über das, was er sich in Daytona mitzunehmen erhofft. "Auch wenn es ein anderes Auto ist, wird er versuchen so schnell zu sein wie er kann. Es wird ihm besonders darum gehen, seine Teamkollegen zu schlagen. Also wird er so hart wie er kann arbeiten, um das Auto zu verbessern."

Da sich die Beiden den Ligier JS P217 von United Autosports teilen, wird Norris einen umso besseren Einblick in die Methoden Alonsos erhalten. "Es wird immer ein Kompromiss sein, denn du kannst das Setup nicht für jeden Fahrer ändern. Was auch immer ich von ihm lernen kann, werde ich für mich mitnehmen."