Lewis Hamilton legte in Brasilien eine famose Aufholjagd an den Tag. Obwohl er aus der Box gestartet war, beendete der Brite das Rennen nur 5,4 Sekunden hinter dem Sieger Sebastian Vettel. Entgegen kam ihm dabei, dass er sich durch das Feld arbeitete wie ein warmes Messer durch die Butter. Er verlor kaum Zeit im Verkehr und wurde schlussendlich beinahe noch mit dem Podium belohnt.

"Ich hatte so eine gute Pace, damit wäre es an diesem Wochenende ein einfacher Sieg geworden", befand Hamilton nach dem Rennen. Wäre, ja wäre nicht dieser Fehler im Qualifying gewesen. Die Frage aber ist, ob der Unfall am Samstag nicht eine Grundvoraussetzung war, um einen Tag später eine derartige Show abzuliefern.

Weniger Öl macht sich nicht bemerkbar

Denn Mercedes verbaute am Boliden des Weltmeisters gleich einige neue Motorenkomponenten. So erhielt Hamilton jeweils den fünften Verbrennungsmotor, den fünften Turbolader sowie die fünfte MGU-H. Damit überschritt er zwar das Limit von jeweils vier erlaubten Teilen pro Saison, die 20 Plätze Strafe aber änderten an der Ausgangslage vor dem Rennen ohnehin nichts mehr.

Zuletzt tauschte Mercedes den Motor am Belgien-Wochenende. Damals gab es große Aufregung aufgrund der Öl-Verbrennung. Denn einige Wochen vor dem Rennen in Spa hatte die FIA erklärt, dass alle Motoren, die ab dem Italien GP - also direkt nach Belgien - neu eingebaut werden, nur noch 0,9 Liter Öl auf 100 Kilometer verbrennen dürfen. Zuvor galt ein Limit von 1,2 Litern. Eigentlich ist der leistungsfördernde Einsatz von Öl als Brennstoff verboten, doch der Nachweis ist extrem schwer. Daher kam es zu dieser Direktive der FIA.

Mercedes wechselte aber in Belgien und konnte damit mit frischen Motoren und mehr Öl die letzten Rennen bestreiten. Den Silberpfeilen wurde damals seitens der Konkurrenz vorgeworfen, gegen eine Übereinkunft unter den Herstellern verstoßen zu haben, die vorsah, dass alle erst wieder in Italien ihre Motoren tauschen. Das wurde seitens Mercedes jedoch bestritten.

Für Hamilton galt im Rennen in Sao Paulo nun aber ebenfalls das Limit von 0,9 Litern, doch der Leistungsfähigkeit seines Aggregats tat das offenbar keinen Abbruch. Kein Wunder, denn Hamilton ließ in Anbetracht der Situation richtig fliegen. "Zum ersten Mal habe ich einen Motor so gepusht!", erklärte er nach dem Rennen. Bei noch zwei verbleibenden Rennen und der gesicherten WM gab es keinen Grund für Zurückhaltung.

Lewis Hamilton ließ die Konkurrenten rechts und links liegen, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton ließ die Konkurrenten rechts und links liegen, Foto: LAT Images

Hamilton wünscht sich mehr Sprints

Die aktuellen Motoren werden besonders aufgrund der Beschränkungen kaum ausgefahren, Schonung ist das Zauberwort. "Normalerweise testen sie [die Ingenieure; Anm. d. Red.] die Motoren an ein bestimmtes Limit und legen dann ein Limit fest, das sich noch darunter befindet. Dann sagen sie dir, wie viele Kilometer du im Rennen so fahren musst. Ich bin aber meistens ohnehin noch vorsichtiger", gestand er mit Blick auf seinen Motorschaden in Malaysia 2016.

In Anbetracht dessen, dass in der kommenden Saison bei den genannten drei Komponenten ICE, TC und MGU-H nur noch drei Teile für die gesamte Saison erlaubt sind, kann Hamilton nur mit dem Kopf schütteln. "Ich mag diese Idee nicht, dass wir nur noch drei Motoren haben. Ich finde das scheiße. Wir sollten mehr pushen können, dieser Sprint fehlt in der Formel 1", gibt er zu bedenken.

Genau diesen Sprint exerzierte er selbst in Interlagos. Auf der Ziellinie wurde Hamilton mit einem persönlichen Bestwert von 345,8 km/h gemessen, nur Sergio Perez war schneller. Teamkollege Valtteri Bottas fehlten mit dem alten Motor vier km/h, Kimi Räikkönen im Ferrari gar über sieben. Der Finne wechselte zuletzt in Japan den Motor, ist also in Sachen Öl-Verbrennung denselben Regularien unterworfen wie Hamilton. Sebastian Vettel ist aufgrund mangelnden DRS-Einsatzes und Windschattens keine seriöse Referenz für das Rennen in Brasilien.

Wie dominant der neue Mercedes-Motor insgesamt ist, verdeutlicht der Blick auf die Zeiten des letzten, fast ausschließlich mit Vollgas absolvierten Sektors. Dort benötigte Hamilton nur 16.335 Sekunden, zwei Zehntel schneller als Bottas, drei Zehntel vor Räikkönen. Auch im ersten Abschnitt war Mercedes den Ferraris ganz klar überlegen. Der neue Motor in Hamiltons Heck scheint noch einmal ein klarer Sprung zu sein. Doch Hamilton relativiert: Er befand sich in einer anderen Situation als die Spitze.

Vergleich der Sektorzeiten im Rennen

Sektor 1Sektor 2Sektor 3
Lewis Hamilton18.20637.08616.335
Valtteri Bottas18.28136.98016.583
Kimi Räikkönen18.48737.26616.642

"Ich kam aus einer anderen Position. Wenn man aber auf die Jungs vorne schaut, mussten sie haushalten. Das machen wir nun mal ganz vorne. Ich glaube nicht, dass das für die Zuschauer spannend ist", merkt er an. "Als Rennfahrer will man ein schnelles, wendiges Auto, mit dem man jede Runde attackieren kann. Leider haben wir das momentan nicht", sendet er einen Gruß Richtung Regelhüter.

Er selbst jedenfalls werde auch in Abu Dhabi wieder voll durchziehen, immerhin wird es erst das zweite Rennen für den neuen Motor. "Ich werde in Abu Dhabi alles geben. Das ist cool, ich bin schon aufgeregt", blickt er voraus. Wofür ein anderer Motorenzyklus manchmal gut sein kann…