Vor dem Formel-1-Rennwochende in Brasilien erklärten wir eine Rekordjagd von Esteban Ocon noch zu einem jener Dinge, auf die es nach den WM-Entscheidungen in der restlichen F1-Saison 2017 noch zu achten gilt. Hintergrund: Seit der Franzose Mitte der vergangenen Saison in die Formel 1 eingestiegen ist, schied Ocon noch kein einziges Mal aus.

Das machte schon vor dem Brasilien GP 27 Zielankünfte in der Königsklasse am Stück. Damit war der Force-India-Fahrer auf dem besten Weg, den absoluten Rekord von Nick Heidfeld (33 beendete Rennen in Serie) gefährden zu können. Offenbar haben wir das Scheitern Ocons damit verschrien: Schon in der ersten Runde des Rennens in Sao Paulo war für den Dauerbrenner Feierabend.

Ocon: Erster Ausfall im Formel-Auto seit 2014

Warum? Wegen Romain Grosjean. Beim Überholversuch gegen seinen Landsmann in Haas-Diensten über die Außenbahn in Kurve sechs nach dem Start kollidierten die beiden Boliden. Grosjean hatte innen sein Auto völlig unvermittelt einfach weggeschmissen, völlig die Kontrolle verloren. Mit ausbrechendem Heck räumte er Ocon gleich mit ab. Grosjean konnte sogar noch weiterfahren, beendete das Rennen im beschädigten Haas aber nur auf P15. Doch für Ocon war insgesamt sogar zum ersten Mal seit seinem Ausfall im Formel-3-Rennen auf dem Nürburgring 2014 ein Formel-Rennen vorzeitig beendet.

"Ich wusste, dass dieser Tag irgendwann kommen würde, aber ich habe nicht erwartet, dass es heute sein würde. Es ist schade, denn mein letzter Ausfall im Single Seater ist jetzt drei Jahre her. Ich konnte nichts tun. Romain hat das Auto in Kurve sechs verloren und ist in mich gecrasht. Er hat einen Fehler gemacht und ich hatte darunter zu leiden. Es ist frustrierend, denn das Auto war schnell und ich hatte die Pace um mit Checo zu kämpfen. Solche Tage kommen vor, aber ich hoffe, dass wieder drei Jahre vergehen ehe es erneut geschieht", macht Ocon seinem Ärger Luft.

Force India giftet nach Unfall gegen Grosjean

Genauso an den Pranger stellt Grosjean Force Indias Teamchef. "Es war enttäuschend, Estebans fantastischen Lauf von Zielankünften in Folge in der ersten Runde ein Ende finden zu sehen. Er konnte nichts tun, um den Vorfall zu verhindern, denn er war ganz einfach das unschuldige Opfer eines anderen Fahrers Fehler", sagt Robert Fernley, dessen anderer Fahrer, Sergio Perez, an diesem Sonntag ebenfalls nicht über P9 hinaus kam.

Mit den Anschuldigungen in Richtung Grosjean gingen unterdessen auch die Stewards konform, drückten dem Formel-1-Piloten eine Zeitstrafe von zehn Sekunden auf, noch dazu kassierte Grosjean zwei Strafpunkte auf seine Superlizenz. Die Begründung klingt allerdings genauso fragwürdig wie nicht wenige Beobachter die Strafe einschätzten. "Auto acht hat das Heck seines Fahrzeugs in Kurve sechs verloren und ist mit Auto 31 kollidiert", hieß es - was eher nach einer Begründung eines Rennunfalls klingt.

Stewards bestrafen Grosjean - Haas tobt

Als einen solchen stuft auch Haas-Teamchef Günther Steiner die Szene ein. "Rennunfälle passieren", sagt der Tiroler. Mit der Strafe ist Steiner kein Stück einverstanden: "Romain ist rausgeflogen und zusätzlich dazu - nachdem er durch den Vorfall schon bestraft war - bekam er auch noch eine Zeitstrafe, der ich nicht zustimme."

Besonders derb wetterte Grosjean selbst über die Strafe - schon im Boxenfunk als man ihm sie gerade mitgeteilt hatte: "Für was? Ihr verarscht mich! Ihr müsst mich einfach verarschen!" Später lederte Grosjean weiter. Einmal via Twitter: "Es tut mir leid für Esteban Ocon. Aber mit einem Plattfuß (der kam, weil ich in Kurve eins getroffen wurde) ist es eher schwierig, das Auto zu kontrollieren. Ich tue mich daher schwer, die Strafe zu verstehen."

Dann via offizieller PR-Aussendung des Haas F1 Teams: "Das Einzige, das ich zur ersten Runde sagen kann, ist, dass ich in Kurve eins massiv getroffen wurde. Ich glaube, ich hatte hinten Links einen Plattfuß. Ich bin noch bis Kurve sechs gekommen, dann habe ich das Auto verloren - ich denke, es war einfach nur der Platten. Dafür on top eine Strafe zu bekommen ... ich bin nicht sehr glücklich damit. Ich will die Bilder sehen."

Auch Magnussen crasht: Kuriose Urteilsbegründung Teil 2

Trifft Grosjeans Punkt des schleichenden Plattfußes tatsächlich zu (die Onboard-Aufnahmen zeigen eindeutig, wie Stoffel Vandoorne mit dem Frontflügel den Reifen Grosjeans touchiert, von einem massiven Schlag kann allerdings nicht die Rede sein), so erscheint die Strafe nur noch fragwürdiger. Dann wäre der Franzose erst recht kaum in der Lage gewesen, den Unfall zu verhindern. Es sei denn, man erwartet, dass ein F1-Fahrer bereits bei den leisesten Anzeichen eines möglichen Schadens das Auto abstellt.

Zumindest eine Anhörung und Entscheidung erst nach Rennende wäre in diesem Fall womöglich besser gewesen. So, wie auch bei einem weiteren Zwischenfall eines Haas-Fahrers praktiziert. Kevin Magnussen war in Kurve zwei in Stoffel Vandoorne gekracht, sodass schließlich auch noch Daniel Ricciardo verwickelt wurde. Hier erschien die Schuldfrage für etliche Beobachter klar, nämlich beim Dänen zu liegen.

Doch entschieden die Stewards nach der Untersuchung erst nach Rennende genauso verblüffend: Rennunfall - und das mit einer Begründung, die viel mehr nach einem klaren Schuldigen - und somit einer Strafe - klingt als bei Grosjean: "Auto 20 bewegte sich zur linken Seite der Strecke und berührte Auto zwei, was eine Kettenreaktion auslöste." Das Paradoxon der Formel-1-Steward-Entscheidungen in Brasilien 2017 war perfekt.