Bis zum Beginn der Asien-Tournee durfte Sebastian Vettel realistisch von seinem fünften WM-Titel träumen, es wäre sein erster gemeinsam mit Ferrari gewesen. Doch die drei Rennen in Singapur, Malaysia und Japan zerstörten die Hoffnungen. Betrachtet man die Saison genauer, so findet man jedoch bereits vorher Momente, die Vettel in der Rückbetrachtung wertvolle Punkte gekostet haben. Motorsport-Magazin.com nimmt die Saison des Ferrari-Piloten genauer unter die Lupe.

Kanada GP: Verstappen und Ferrari-Fehler kosten Punkte

Die ersten sechs Saisonrennen 2017 verliefen für Sebastian Vettel rund. Drei Siege, dreimal Rang zwei, WM-Führung. In Kanada aber gab es den ersten größeren Rückschlag. Von Rang zwei aus ins Rennen gegangen, kollidierte Vettel in der ersten Kurve mit Max Verstappen. Dabei ging sein Frontflügel zu Bruch, was die Ferrari-Crew jedoch nicht sofort bemerkte. Da nach einem weiteren Crash in Kurve drei das Safety Car auf die Strecke kam, hätte der Boxenstopp zwar Plätze gekostet, der Zeitverlust aber hätte sich in Grenzen gehalten.

Doch erst, als das Safety Car wieder an die Box kam und der Neustart erfolgte, wurde auch Ferrari das Ausmaß der Beschädigung bewusst. Denn der Flügel löste sich in seine Bestandteile auf und hinterließ auch am Unterboden Schäden. Der Boxenstopp kam somit in jeder Hinsicht zu spät. Schlussendlich kam Vettel noch auf Rang vier, verlor aber 13 Punkte auf Hamilton, der den Kanada GP für sich entschied.

Aserbaidschan GP: Blackout mit glimpflichen Folgen

In Baku kam es zum großen Blackout Vettels. Am Ende einer Safety-Car-Phase verzögerte Hamilton derart, dass der Deutsche ihm ins Heck krachte. Vettel witterte Absicht, funkte, Hamilton haben ihn "gebraketestet". In einer Kurzschlussreaktion ließ er sich dann zu einer Dummheit hinreißen, als er neben Hamilton fuhr und ihn absichtlich, aber bei geringem Tempo, rammte. Im Wissen, wie das Rennen weiterlief, hat Vettel in dieser Situation unnötigerweise viele Punkte verschenkt.

Denn Hamilton ereilten in der Folge Probleme an seinem Cockpitschutz. Trotz souveräner Führung musste der Brite noch einmal einen Stopp einlegen, um die Umrandung fixieren zu lassen. Vettel übernahm zwar die Führung, bekam aber eine Zehn-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe für seinen Rammstoß gegen Hamilton. Zwar beendete Vettel als Vierter das Rennen vor dem Briten, der Fünfter wurde. Ohne seinen Blackout hätte Vettel in Baku aber wohl gewonnen.

In Baku bekam Vettels Saison erste Risse, Foto: Sutton
In Baku bekam Vettels Saison erste Risse, Foto: Sutton

Großbritannien GP: Reifenschaden, die 234.

Ferrari und die Reifen, das war schon vor der Saison 2017 ein leidiges Thema für die Roten. Auch in diesem Jahr blieb es nicht ohne Zwischenfall. In Silverstone setzte ein Reifenschaden in der vorletzten Runde einem ohnehin schon schlechten Rennen die Krone auf. Während Mercedes erstmals in der Saison das gesamte Wochenende in einer eigenen Liga fuhr, kam Vettel schlussendlich nur auf Platz sieben. Nach dem Rennen am Geburtsort der Formel 1 lag Vettel nur noch einen Zähler in der WM vor seinem Rivalen Hamilton, der fast schon wie gewohnt sein Heimrennen dominierte.

Schon vom Start weg lief es bei Vettel nicht rund, lange hing er hinter Max Verstappen fest. Per Undercut kam der Heppenheimer zwar vorbei, doch neben Hamilton war auch Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen weit enteilt. Im Schlussstint kam auch noch Valtteri Bottas auf weicheren Reifen vorbei, das Podium war futsch. Doch aus Rang vier wurde kurz vor Schluss nur noch der siebte Platz. "Das ist manchmal so, aber das Jahr ist lang und es trifft einen halt manchmal. Natürlich ist das jetzt enttäuschend. Heute ist nicht viel Trost zu spenden. Wir haben zu viele kleine Fehler gehabt", bilanzierte Vettel hinterher.

Ein Reifenplatzer warf Vettel in Silverstone weit zurück, Foto: Sutton
Ein Reifenplatzer warf Vettel in Silverstone weit zurück, Foto: Sutton

Singapur GP: Der Anfang vom Ende

Nach drei Podestplätzen aus den letzten drei Europa-Rennen brach Vettel mit drei Punkten Rückstand auf Hamilton zur Asien-Tournee auf. In Singapur schien nach dem Qualifying alles angerichtet, um selbst wieder die WM-Führung zu übernehmen. Vettel startete von der Pole, Hamilton nur von Rang fünf. Doch bereits nach wenigen Metern war das Rennen gelaufen.

Vettel kam schlecht weg, sowohl Max Verstappen neben ihm, als auch Kimi Räikkönen von Platz vier aus erwischten einen deutlich besseren Start. Vettel, der ganz rechts unterwegs war, zog nach links, um Verstappen zu blocken. Dieser musste ebenfalls nach links ausweichen, wo aber bereits Räikkönen war. Der Finne wurde eingequetscht, es kam zur Kollision. Räikkönen krachte in Vettel, der zwar noch ein paar Meter weiterfahren konnte, dann aber aufgeben musste. Auch Verstappen wurde in Mitleidenschaft gezogen, für ihn und Räikkönen war gleich in Kurve eins Schluss.

Was das Drama für Vettel perfekt machte: Hamilton schnappte sich in diesen Turbulenzen die Führung und fuhr einen nie für möglich gehaltenen Sieg ein. Es war moralisch der große Knackpunkt der Saison.

Der Startcrash von Singapur war der Anfang vom Ende von Vettels WM-Hoffnungen, Foto: Sutton
Der Startcrash von Singapur war der Anfang vom Ende von Vettels WM-Hoffnungen, Foto: Sutton

Malaysia GP: Aufholjagd ohne Wert

Die Pechsträhne hatte nun komplett Besitz von Ferrari ergriffen. In Malaysia ging es nahtlos weiter. Vettel konnte nach Motorenproblemen das Qualifying gar nicht bestreiten, damit war der letzte Startplatz für ihn reserviert. Dennoch zeigte er sich weiterhin überzeugt, ein gutes Ergebnis einfahren zu können. Das gelang ihm dank einer guten Aufholjagd dann auch.

Bis auf Platz vier kam Vettel auch dank der Strategie nach vorne, Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo auf Rang drei schien ebenfalls chancenlos zu sein. Schlussendlich aber fand Vettel keinen Weg am Australier vorbei, er ruinierte sich im Zweikampf die Reifen und musste mit Platz vier vorliebnehmen.

Kleiner Trost: Lewis Hamilton gewann trotz Pole Position das Rennen nicht, Max Verstappen fuhr in einer eigenen Liga. Dennoch: In zwei Asien-Rennen hatte Vettel bereits 31 Punkte auf Hamilton eingebüßt. Der WM-Stand nach dem Malaysia GP lautete 281:247 zu Gunsten Hamiltons.

In Malaysia fuhr Vettel nach einer Aufholjagd auf Rang vier, Foto: LAT Images
In Malaysia fuhr Vettel nach einer Aufholjagd auf Rang vier, Foto: LAT Images

Japan GP: Das Ende aller Träume

Trotz dieser scheinbar aussichtslosen Situation war noch alles offen. Mit fünf Siegen aus den verbleibenden fünf Rennen hätte sich Vettel immer noch aus eigener Kraft zum Weltmeister küren können. Diese Überlegungen zerplatzten jedoch in Japan. Dieses Mal traten die technischen Probleme nicht im Qualifying auf, sondern kurz vor dem Rennen.

Auf der Fahrt in die Startaufstellung stellte Vettel ein Problem am Motor fest. Dieses entpuppte sich als Defekt an der Zündkerze. Hektisch wurde im Grid am Boliden mit der Nummer fünf geschraubt, doch das Problem war nicht zu lösen. Im Rennen wurde Vettel nach und nach durchgereicht, ihm fehlte schlicht Leistung. Nach vier Runden gab Ferrari per Funk die Anweisung an Vettel, in die Box zu kommen. Aus, vorbei, der zweite Ausfall in drei Rennen.

Da Hamilton wie bereits in Singapur diesen Ausfall mit der Höchststrafe sanktionierte und selbst zum Sieg fuhr, war die WM quasi gelaufen. 59 Punkte Vorsprung bei noch 100 zu vergebenden Zählern verlangten ein echtes Wunder, zu dem es aber nicht mehr kommen sollte. Nach dem Sieg in Austin reichte Hamilton in Mexiko der neunte Platz, um sich zum vierten Mal zum Weltmeister zu krönen.