Dank McLarens Erlaubnis, Fernando Alonso im Januar 2018 bei den 24 Stunden von Daytona starten zu lassen, dürfen sich Formel-1-Fans in der Winterpause wieder auf ein kleines Highlight mit dem spanischen Superstar freuen. Die größte Überraschung war Alonsos Wunsch, beim Langstreckenklassiker in den USA zu starten, für die McLaren-Teamführung aber nicht mehr.

"Wir hatten ständig ziemlich lockere Gespräche über alle möglichen Rennserien", erklärt Zak Browns, seines Zeichens McLaren Executive Director und auch Mitbesitzer des Sportwagen-Team United Autosports, für das Alonso in Daytona starten wird. "Ich war mit Fernando und seinem Manager zusammen und er sagte: "Ich will in Daytona fahren", so der US-Amerikaner über das Gespräch, das in Singapur stattfand.

"Ich drehte mich zu seinem Manager um und sagte: Das meint der wirklich ernst oder? Und er antwortete: Oh, ja." Brown war sofort klar, dass es sich nicht nur um eine fixe Idee seines Star-Piloten handeln konnte. "Ich musste wirklich nicht zweimal fragen. Aber daran muss ich mich nach Indy wohl gewöhnen", so der 45-Jährige weiter, der angesichts der Unersättlichkeit Alonsos scherzhaft anfügt: "Wir haben ein Monster erschaffen. Ein Racing-Monster."

Da es sich bei Alonsos Einsatz in Daytona um eine reine United-Autosports-Angelegenheit handelt und McLaren wirtschaftlich nicht involviert ist, wie es bei der Partnerschaft mit Andretti Autosports für das Indy 500 war, musste Brown den Wunsch seines Fahrers erst von den McLaren-Bossen freigeben lassen. Außerdem musste er seinen Geschäftspartner Richard Dean informieren, mit dem er United Autosports zusammen betreibt.

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Alonso schon länger heiß auf Daytona

"Ich rief Richard an und brachte ihn auf den neusten Stand. Aber das war eigentlich nichts, worüber wir überlegen mussten", so Brown, der auch bei Alonso das Gefühl hatte, dass sich dieser die Sache reiflich überlegt hatte: "Ich war fast überrascht, wie entschlossen er war. Aber so tickt Fernando einfach. Er durchdenkt die Dinge sehr gründlich und fällt dann eine Entscheidung."

Tatsächlich soll Alonso laut Brown aber schon länger mit dem Gedanken gespielt haben. "Er sagte erst kürzlich, dass er es schon seit acht oder neun Jahren vorhat. Jetzt hat er diese Möglichkeit und es macht Sinn, denn es ist nicht zum Nachteil unseres Formel-1-Teams oder seines Engagements in der Formel 1", führt Brown aus. Dass es Alonso mit seinen kleinen Abstechern übertreiben könnte, fürchtet er nicht.

"Ich denke nicht, dass er eine superlange Liste von Rennen hat, die er fahren will. Wir wissen vor allem auch, an welchen Veranstaltungen er kein Interesse hat." Sein neuestes Abenteuer beschränkt sich auf Daytona. Auf welche Rennen Alonso sonst noch ein Auge geworfen hat, weiß Brown ohnehin: "Natürlich ist er an Le Mans interessiert und er will auch zurück nach Indy."

Alonso in Daytona das erste Mal im Prototypen

Für United Autosports ist der Großangriff auf die 24 Stunden von Daytona mit Alonso hinter dem Lenkrad des Ligier JS P217 eine große Sache. Für den Formel-1-Routinier wird sein Auftritt in einem LMP2-Boliden allerdings das erste Mal mit einem Sportwagen-Prototypen sein. "Ich war nur als Zuschauer bei den 24 Stunden von Le Mans, um Mark Webber und ein paar Freunde dort zu treffen", so der Spanier.

Eingewöhnungsprobleme erwartet Brown nach Alonsos Vorstellung im IndyCar allerdings nicht. "Was das Umstellen angeht: Er ist einer der besten Fahrer in der Geschichte des Motorsports", so der Hobbyrennfahrer, der 1998 selbst in einem Porsche des Roock-Teams als Zweiter der GT2-Klasse das Podium in Daytona bestieg.

"Er wird sich wohl drei oder vier Runden anpassen müssen. Ansonsten wird er vielleicht fragen, wo bei dem Auto der Scheinwerfer eingeschaltet wird. Aber das ist glaube ich alles, was ihn als Rookie verraten wird", so Brown weiter. Immerhin die Erfahrung in einem Rennfahrzeug mit Dach ist für Alonso nicht komplett neu.

"Ich bin schon einmal so ein Auto gefahren, aber da war ich noch sehr jung. Das war bei einem 24-Stunden-Rennen in Barcelona", verrät Alonso, der auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com ausführt, welche Unterschiede zum Formel-1-Boliden er erwartet. "Nicht die Power", teilt er zunächst den obligatorischen Seitenhieb gegen Hondas schwächelnde Power Unit aus.

Formel 1 vs. Prototyp: Gewicht und Reifen größter Unterschied

"Ich denke, das Gewicht wird wahrscheinlich der größte Unterschied sein", wird er konkreter. Während sein McLaren 728 Kilogramm auf die Waage bringt, sind es beim Ligier 930 Kilogramm. "Einige Freunde, welche Prototypen fahren, sagen mir, dass sich die Autos großartig fahren und dass sie den Anpressdruck und das Adrenalin der Formel 1 haben."

Neben dem Gewicht erwartet Alonso nur noch einen markanten Unterschied. "Die Reifenperformance wird auch anders sein. Sie haben wahrscheinlich andere Charakteristiken als in der Formel 1 und daran muss ich mich gewöhnen", so der 36-Jährige weiter. Wirklich anders wird für ihn aber vor allem das Rennformat.

Mit seinem LMP2-Boliden wird Alonso in der Prototypen-Klasse des Rennens antreten, welche in Daytona die schnellsten Autos stellt. "Wahrscheinlich brauche ich ein paar Trainings in der Nacht. Besonders mit dem Verkehr und den GT3-Autos, die du überholen musst. Um sich auf das Auto einzuschießen, wird er neben den offiziellen Testtagen des Veranstalters auch privat einige Runden mit dem Ligier drehen.

"Wir arbeiten an einem Testplan und stellen sicher, dass er vor den Daytona-Tests schon im Auto gesessen hat, damit er sich daran gewöhnen kann", erklärt Brown. Abgesehen davon wird sich Alonso vorbereiten, wie er es auch beim Indy 500 machte. Neben Onboard-Videos will er sich auch virtuell einschießen. "Ich hoffe, ich kann vorher etwas Simulator-Arbeit erledigen, um den Dreh rauszukriegen."

Alonso trifft auf McLaren-Rohdiamant Lando Norris

Alonso wird sich das Fahrzeug am Rennwochenende vom 25. bis 28. Januar 2018 mit zwei Youngstern teilen. Einer von ihnen ist Lando Norris, McLarens-Rohdiamant der dieses Jahr die Formel 3 EM gewann und bei den Testfahrten in Budapest erstmals Formel-1-Luft schnuppern durfte. Brown kann nicht leugnen, dass der zweimalige Weltmeister für den Nachwuchsstar durchaus eine Messlatte darstellt.

"Es sind zwar zwei völlig unterschiedliche Autos, aber du wirst schon sehen können, wie Lando zurechtkommt", so Brown, der bekräftigt, dass er 18-Jährige und der Routinier ein gutes Verhältnis pflegen. "Er und Fernando kommen gut miteinander aus. Ich denke, es wird für sie eine großartige Möglichkeit, weiter an ihrer Beziehung zu arbeiten und Lando wird sicherlich von Fernando lernen, wie er arbeitet und sich auf das Rennen vorbereitet."

Als dritter Fahrer im Bunde wurde Phil Hanson verpflichtet. Der ebenfalls erst 18-jährige Brite fuhr 2017 als jüngster Fahrer bei den 24 Stunden von Le Mans in die Top-10. "Lando gewinnt sowieso in so ziemlich allem, was er macht und Phil hat sich sehr gut angestellt neben unserem Top-Fahrer Filip Albuquerque. Ich denke, wir haben eine sehr konkurrenzfähige Kombination", so Richard Dean.

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Zweites Auto von United Autosports ebenfalls mit Formel-1-Personal

Darüber hinaus wird United Autosports einen zweiten Boliden einsetzen, in dem unter anderem DTM-Pilot Paul Di Resta Platz nehmen wird. "Das ist für uns auch eine schöne Sache, jemanden von solch einem Kaliber im zweiten Auto zu haben", fügt Dean an. Das zweite Auto wird mit vier Fahrern besetzt. Neben Di Resta ist bisher nur der US-Amerikaner Will Owen bestätigt.

Bei den anderen beiden Plätzen würde United Autosports gerne mehr Personal aus der Formel 1 zum Zug kommen lassen. "Es ist mein Job, das F1-Paddock abzugrasen. Wir haben ein paar Kandidaten, denn wir wollen mit beiden Autos siegfähig sein", erklärt Brown. Alonsos McLaren-Teamkollege Stoffel Vandoorne kommt jedoch nicht in Frage. Er sei laut Brown "Laser-fokussiert" auf die Königsklasse.

Das Team erhofft sich durch dieses jetzt schon hochklassige Line-Up in jedem Fall vorne mitzufahren. "Unsere Truppe hat eine lange Reise hinter sich und jetzt den besten Fahrer der Welt im Auto sitzen", so Dean, der mit United Autosports schon zwei Mal die European Le Mans Series gewinnen konnte. "Bei unserem Le Mans-Debüt sind wir Fünfter geworden und auch in Daytona sind wird nicht neu", fügt er an.

"2010 sind wir dort Vierter geworden mit Martin Brundle und Zak hinter dem Lenkrad. Dazu haben wir viele Leute aus der Ligier-Fabrik dabei, die über viel Erfahrung verfügen." Für McLaren soll der Auftritt Alonsos auch ohne Beteiligung des britischen Traditionsrennstalls in den USA eine ähnliche Wirkung haben, wie der Gastauftritt in Indianapolis. "Es sind McLaren-Fahrer und Fernando ist in Nordamerika extrem beliebt. Das ist gut für McLarens Ziele, die Marke in den USA auszubauen."