"Die Junioren haben BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch treuherzig angeschaut, zu allen brav genickt und sind sich dann gegenseitig ins Auto gefahren. Das war schon eine wilde Zeit." (Dieter Stappert in MSA, 2005)

Nach dem Start erst mal an die Spitze zwängen und dann entkommen! Mit dieser Taktik gewinnt Manfred Winkelhock den VW-Junior-Cup 1976 in überlegener Manier und empfiehlt sich für höhere Aufgaben: Hockenheim 1977. Im Rahmenprogramm der Formel 1 liefern sich die Nachwuchsfahrer von BMW ein spektakuläres Windschattenduell um Platz 2. Sie bieten alles, was das Motorsportherz begehrt. Pausenlose Positionswechsel. Mal ist Marc Surer vorne, mal Eddie Cheever. Als Winkelhock die Spitze des Dreierpulk übernimmt, wird der 320er mit dem Würth-Streifen (Sponsor) immer breiter und kann sich unter dem Gejohle der Zuschauer absetzen. Überflüssigerweise fährt der Amerikaner dahinter noch dem Schweizer in die Kiste. Neerpasch ist wenig begeistert und stellt sein Trio zur Rede. Manfred wehrt sich und beteuert, mit ihm habe keiner was besprochen, "war ja alles nur in Englisch, ob ich das verstehe, kümmert ja keinen." Doch die Dreierbande lernt schnell und fährt den etablierten Stars ordentlich um die Ohren. Vor allem Manfred zeigt im Tourenwagen ein Feingefühl und Verständnis für das Material, das seinesgleichen sucht. Er beendet die Deutsche Rennsportmeisterschaft nach einem Sieg in Zolder als Gesamtdritter und Klassenbester vor Hans Heyer, Surer und Cheever. BMW finanziert den Aufstieg in die Formel 2...

"An zweiter Stelle bekommt der durch den Spritverbrauch immer leichter gewordene March Aufwind, überschlägt sich erst rückwärts in der Luft und dann in mehreren Rollen seitwärts. Winkelhock hopst mit einem Satz aus den Resten..." (Erich Kahnt in "Die Deutschen in der Formel 1")

Der große Allrounder Manfred Winkelhock in seinem Element., Foto: Sutton
Der große Allrounder Manfred Winkelhock in seinem Element., Foto: Sutton

Die Debütsaison beendet Manfred mit einem Podestplatz im March-BMW als Achter. Europameister wird sein erfahrener Teamkollege Bruno Giacomelli. Da sich BMW 1979 auf die Procar-Serie konzentriert, fehlen dem Waiblinger wichtige Geldgeber. Ein glanzvoller dritter Platz beim Eifelrennen in einem alten, unterlegenen Cassani-Ralt sorgt für Aufsehen, während sein Freund Marc Surer den Titel holt. In der Deutschen Rennsportmeisterschaft wird Winkelhock im Schnitzer-BMW wieder Gesamtdritter. 1980 folgt die Rückkehr ins March-Werksteam. Robin Herd ist sehr angetan vom Waiblinger, schätzt seine fahrerischen Qualitäten und seine sympathische Art im Umgang mit den Mechanikern. Die Saison hingegen verläuft etwas glücklos. Und ein siebenfacher Salto beim Eifelrennen auf dem Nürburgring am Streckenabschnitt "Flugplatz" macht Manfred auf einen Schlag berühmt. Er übersteht seine Flugeinlage bis auf einen kleinen Kratzer am Arm unverletzt. Die Bilder vom Unfall laufen weltweit durch sämtliche Sportsendungen. Im September sitzt Manfred beim Grand Prix von Italien (Imola) erstmals in einem Formel 1 (Arrows), scheitert aber als 26. knapp an der Qualifikationshürde. Zurück im Formel 2 steht Winkelhock 1981 wieder - wie so oft - in der ersten Startreihe und kämpft um die vorderen Plätze, doch eine Zielflagge sieht er selten...

"Der Manfred war ein ganz sympathischer Fahrer. Wir sind zusammen nach Portugal geflogen, als er sein Formel 1 - Rennen im Brabham fuhr. Ich hab die Zeit miterlebt und sagte, siehst du mein Freund, du bist jetzt plötzlich richtig gut, weil du ein gutes Auto hast." (Hubert Hahne zu Motorsport Yesterday, 2005)

1982 bekommt Winkelhock einen Formel 1-Vertrag beim Bad Dürkheimer Felgenfabrikanten Günter Schmid, zusammen mit dem Chilenen Eliseo Salazar im Team von ATS-Ford. In Kyalami startete er als Zehnter in seine erste Formel 1 - Saison und in Rio de Janeiro springt dank der Disqualifikation von Piquet und Rosberg ein 5. Platz heraus. Dies sollten nach 3 Nichtqualifikationen (Montreal, Brands Hatch, Monza), einigen Ausfällen (in Detroit nach einem hervorragenden 5.Startplatz) und Aberkennung eines 6. Platzes in Imola (zu leichtes Auto) seine beiden besten Platzierungen in diesem Jahr bleiben. Doch bereits 1983 kann sich der Schwabe im umgestellten „Ein-Wagen-Team“ mit neuem BMW-Turbo-Motor etablieren. So sichert sich Manfred während der Trainings 9 mal einen Startplatz unter den ersten zehn Fahrern. Doch wegen einer endlosen, frustrierenden Ausfallserie aufgrund technischer Mängeln reicht es nicht für die Punkteränge. Auch 1984 ändert sich nichts daran und so wird Winkelhock nach dem GP von Deutschland in Hockenheim von Gerhard Berger abgelöst. Am Ende der Saison wird Manfred als Ersatz für Teo Fabi ins Brabham-Team berufen. Er fährt in Estoril ein eher unauffälliges Rennen und belegt nach Startplatz 19 den 10. Rang. Teamkollege Piquet steht auf Pole und wird Sechster. Winkelhock landet 1985 zusammen mit Konstrukteur und Freund Gustav Brunner beim kleinen britischen RAM-Rennstall. Erfolge bleiben (8 Einsätze, 3 Zielankünfte) weiterhin aus, denn die Hart-Motoren erweisen sich als viel zu unzuverlässig...

"Die Formel 1 lohnt sich ohne gutes Auto einfach nicht. Außerdem ist sie viel zu gefährlich. Glaub mir, nach dem Sieg mit dir in Monza bin ich wieder glücklich und richtig motiviert. Ich möchte nur noch Sport- und Tourenwagenrennen fahren." (Manfred Winkelhock zu Marc Surer, 1985)

Winkelhock in einem ATS des Jahres 1984, Foto: Sutton
Winkelhock in einem ATS des Jahres 1984, Foto: Sutton

Sportliche Befriedigung fand Manfred im Langstreckenrennsport. Mit den Marken BMW und Porsche erreicht er in der IMSA-Serie, im Tourenwagensport und in der Sportwagenweltmeisterschaft achtbare Ergebnisse. In der Endurance Weltmeisterschaft teilt sich Winkelhock mit Marc Surer einen Kremer-Porsche. 3 Podestplatzierungen (Mugello, Monza, Silverstone) zum Saisonauftakt 1985 bieten eine gute Ausgangsposition für die Meisterschaft. Beim sechsten Saisonlauf am 11.8 in Mosport (Kanada) kommt es zur Tragödie. Die Unfallursache ist bis heute nicht wirklich geklärt. Winkelhock holt sich - wahrscheinlich - von einer Kante im Belag eine Delle im rechten Vorderrad und es kommt zu einem schleichenden Plattfuß. In der nächsten Linkskurve hat der Porschefahrer keine Chance mehr zu korrigieren und prallt geradeaus mit etwa 200 km/h frontal in eine Mauer. Er fällt sofort in ein Koma, aus dem er nicht mehr erwacht. Familienmensch Manfred wird nur 33 Jahre alt, hinterlässt seine Frau Martina und seine Kinder Markus (5) und Marina (2). Der heimatverbundene (wohnhaft in Berglen -Steinbach) Schwabe war ein natürlicher, sympathischer und offener Mensch, der oft eigensinnig, aber immer kämpferisch seine Ziele verfolgte. Er galt als sparsam, war aber sehr großzügig, wenn es um die Familie ging. Auch seine Freunde lud er gerne mal ein, spielte mit ihnen Karten, ging Surfen oder zum Radfahren. Sein größter Traum war es, einmal die Welt zu umsegeln...

von Tom Distler, motorsport-yesterday.de (2020)

Quellen: Zeitungsarchiv Motorsport Yesterday, Erich Kahnt "Die Deutschen in der Formel 1", Marc Surer und Matthias Brunner "Motorsport Explosiv", Hubert Hahne im Gespräch.