Der Mexiko GP der Formel 1 2017 hat genau einen klaren Höhepunkt: den Start. Polesetter Sebastian Vettel, Max Verstappen und Lewis Hamilton kommen allesamt gut weg, nach einem fast einen Kilometer langen Windschatten-Fight erreichen sie im Parallelflug die erste Kurve.

So lief der Formel-1-Startunfall in Mexiko

Vettel wählt in der Rechtskurve ganz innen den kürzesten Weg, doch Verstappen ist außen direkt neben ihm auf gleicher Höhe. "Sie haben versucht, an die gleiche Stelle zu fahren, waren Seite an Seite. Verstappen hatte dann mehr mechanischen Grip, sodass er voll da war", schildert Jacques Villeneuve im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Als der Ferrari wieder nach außen kommt berührt er den Red Bull leicht. Hamilton indes muss zunächst leicht zurückstecken, beobachtet von hinten wie Verstappen in der folgenden Linkskurve jetzt die bessere Linie hat, Vettel leicht nach außen drückt, um dem Ferrari in der direkt folgenden Rechtskurve drei keine Konter-Chance zu lassen.

Dabei berühren sich die Boliden ein zweites Mal. Bei Vettel splittert links ein Teil des Frontflügels weg. Hamilton nutzt die Situation und sticht ganz innen rein. Für Verstappen reicht das nicht, der Red Bull kommt als Erster aus Kurve drei, doch an Vettel hat sich Hamilton außen vorbeigeschoben.

Der Ferrari-Pilot aber holpert innen über den Kerb, verliert offenbar kurz untersteuernd die Kontrolle und kracht Hamilton auf den Hinterreifen. "Als Lewis es dann außen versucht hat musste er zurückstecken, sodass Seb ein bisschen in ihn reingefahren ist", sagt Villeneuve.

Vettels Frontflügel wird erneut beschädigt, genauso Hamiltons Reifen. Beide müssen an die Box. Rennen ruiniert, für Verstappen ist der Weg zum Sieg frei. "Wenn drei Autos in die erste Kurve zufahren, kann man sein Geld darauf wetten, dass Max als Erster herauskommt. Sorry, aber das ist eine seiner Spezialitäten", sagt Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Hamilton unterstellt Vettel im Boxenfunk Absicht

Die Stewards teilen wenig später mit: Der Vorfall sei notiert. Wirklich angesehen wird die Szene jedoch nicht. Eine Untersuchung findet nicht statt. Genau das soll später Mercedes auf die Palme bringen - trotz des dennoch eingefahrenen vierten WM-Titels für Lewis Hamilton.

Schon per Funk polterte der noch dreifache Formel-1-Champion, Vettel habe den Unfall absichtlich herbeigeführt. Später gibt sich der inzwischen vierfache Weltmeister zahmer. "Ich weiß nicht, was da in Kurve drei passiert ist. Ich hatte einen guten Start und habe genug Platz gelassen und habe danach einfach alles gegeben, um zurück zu kommen", sagt Hamilton in einer ersten Reaktion direkt nach Rennende.

Mit etwas mehr Abstand klingt Hamilton allerdings wieder etwas vorwurfsvoller. "Ganz ehrlich: Es war eigenartig", sagt Hamilton in den TV-Interviews. Ihn treffe jedenfalls keine Schuld. "Was konnte ich schon machen?", fragt Hamilton. Völlig defensiv, einfach nur zuschauen, habe er nicht wollen. Hamilton: "Ich habe vorher ja schon gesagt, dass ich Gas geben würde in Kurve eins. Ich denke nicht, dass ich zu aggressiv war. Ich habe mein Auto in die richtige Position gebracht. Ich freue mich aber jetzt schon auf die Zeitlupe ..."

FIA stellt klar: Keine Absicht, Vettel hatte keine Chance

Die, so glaubt Hamilton offenbar, wird ihn in seiner Meinung nur bestärken. Die FIA jedoch sieht das ganz anders. Nach mehrfachen Presseanfragen nach einer Erklärung teilt ein Sprecher klar mit: "Vettels Onboard-Video hat klar gezeigt, dass er Hamilton nicht absichtlich in Kurve drei der ersten Runde berührt hat, aber Untersteuern hatte und es so nicht verhindern konnte."

Dennoch: Überzeugt ist Mercedes davon nicht. Hamiltons Vorgesetzte stärken dem Briten den Rücken: Niki Lauda und Toto Wolff machen Vettel ganz klar und allein verantwortlich. "Nach dem Rammstoß von Sebastian in der ersten Kurve war er weit abgeschlagen", poltert Lauda bei Sky.

Lauda: Vettel-Rammstoß, übertrieben aggressiv

"Sebastian ist mit Untersteuern in Lewis' Hinterreifen gefahren. Ich verstehe dieses aggressive Manöver von Vettel in der ersten Kurve nicht, das Lewis hart getroffen hat. Hätte er ein bisschen langsamer gemacht, wäre nichts passiert. Lewis kann mal gar nichts dafür, er war klar vorne. Seb ist hineingedriftet."

Doch nicht nur Vettel erzürnt den Mercedes-Chefaufseher, sondern auch die FIA. "Aus meiner Sicht kann man es als Rennunfall sehen - wenn die Stewards überall gleich entscheiden würden. Das ärgert mich immer - einmal wird so entschieden, einmal so", kritisiert Lauda. "Aber wir haken das jetzt als Rennunfall ab, die Sache ist erledigt."

Wolff versteht Nicht-Entscheidung nicht

Zu den Akten legen möchte auch Wolff den Vorfall am liebsten. Doch vorher macht der Motorsportchef bei RTL noch deutlich, dass er die Lauda-Meinung in beiden Punkten teilt. "Ein Wa

hnsinnsstart - unglaublich eigentlich. Aber ich möchte mir die Stimmung nicht vermiesen lassen durch eine Entscheidung - oder Nicht-Entscheidung -, die ich nicht nachvollziehen kann. Es war nicht das Rennen, das wir wollten. Aber egal jetzt, er ist vier Mal Weltmeister", sagt Wolff. Das Rennen selbst habe er dennoch von der ersten Sekunde an gehasst, ergänzt er bei Sky.
Lewis Hamilton wird in Mexiko Formel 1 Weltmeister 2017 (00:50 Min.)

Vettel äußert sich nicht

Und Sebastian Vettel? Will sich in seiner Medienrunde mit den schreibenden Medien am liebsten gar nicht äußern. Weder zum Vorfall in den ersten Kurven noch dem Rennen allgemein oder der verpassten WM. "Definitiv kein Highlight ...", sagt Vettel nur auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com, ob es sein härtester Tag in der Formel 1 gewesen sei.

Im TV-Pen gibt Vettel ebenfalls keine konkrete Einschätzung zur Szene. "Das Thema war heute nach drei Kurven vorbei. Es spielt jetzt nicht wirklich eine Rolle mehr. Ich glaube, es ging nach der ersten Kurve einfach so ziemlich alles in die Hose", sagt Vettel hör- und sichtbar geknickt.

Red Bull: War was?

Völlig entspannt sieht das Red-Bull-Lager indessen die Szene in den ersten Kurven - wenig überraschend, war Max Verstappen trotz gleich zweier Berührungen doch als großer Gewinnen aus dem Chaos in den ersten drei Kurven hervorgegangen. "Ganz klar war der Start heute wichtig. Ich bin Außen vorbei, alles lief gut", sagt Verstappen. "Uns hat es ja nicht betroffen. Wir sind als erste aus der Kurve gekommen und hatte nur eine ganz leichte Berührung. Da ist nichts schiefgegangen", bestätigt Helmut Marko bei Sky.