Die Formel-1-Weltmeisterschaft 2017 wird aller Wahrscheinlichkeit nach beim 18. Rennen der Saison in Mexico City entschieden. Bei 75 ausstehenden WM-Punkten und 66 Zählern Vorsprung auf Sebastian Vettel, ist Lewis Hamilton der vorzeitige Gewinn seines vierten WM-Titels kaum noch zu nehmen. Der Brite hat sich nach den Rückschlägen in der Saison 2016 wieder zurückgekämpft. Die Mercedes-Bosse sind überzeugt: Hamilton hat einen neuen fahrerischen Zenit erreicht.

"Er ist der Beste, ganz einfach. Da gibt es gar keine Frage. Er ist derzeit der schnellste Fahrer", hat Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda nicht geringsten Zweifel daran, dass die Nummer eins seines Teams auch in Hinblick auf das gesamte 20-köpfige Fahrerfeld außer Konkurrenz ist. "Er war immer schon gut, aber jetzt ist er noch besser", fügt die Formel-1-Legende an, die Hamilton 2013 mit viel Überzeugungsarbeit von McLaren loseiste und zu Mercedes holte.

Als der WM-Kampf zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton innerhalb seiner Garage tobte, betonte der Toto Wolff stets, dass Rosberg sich dem besten Fahrer der Königsklasse gegenüber sah. Die Entwicklung seines Star-Piloten sieht er ähnlich wie Lauda. "Er ist jetzt seit fünf Jahren hier und ich habe ihn noch nie auf solch einem Niveau gesehen. Seine reine Pace ist spektakulär, er versteht die Reifen und das Potential des Autos", so der Österreicher.

"Er ist nun auf einem Performance-Level unterwegs, wie ich es zuvor noch nicht gesehen habe." Hamilton hingegen vermag nicht, sich selbst einzuschätzen. "Ich denke, ich lasse meine Leistung auf der Rennstrecke sprechen", so der 32-Jährige. Ob die Team oder Öffentlichkeit ihn diese Saison als einen noch stärkeren Fahrer sehen, überlässt er seinen Beobachtern: "Das müsst ihr entscheiden. Was ich denke, sage ich euch lieber nicht und fahre stattdessen so, dass ihr es selbst beurteilen könnt."

Ob Hamilton 2017 tatsächlich besser fährt als im vergangenen Jahr, lässt sich aus den Zahlen der beiden Saisons nicht unbedingt schließen. 2016 gewann Hamilton zehn Rennen, dieses Jahr hat er bisher neun Siege auf dem Konto - zwölf sind bei noch drei ausstehenden Veranstaltungen maximal möglich. Auf der Pole Position stand Hamilton 2017 bisher elf Mal. Letztes Jahr ging erst zwölf Mal vom ersten Startplatz in einen Grand Prix - obwohl er aufgrund technischer Gebrechen an drei Qualifikationen nicht teilnehmen konnte.

Hamilton vs. Vettel: So lief das Formel 1-Duell in Austin 2017: (04:04 Min.)

Aussprache nach Rosberg-Kampf war für Hamilton der Schlüssel

Der große Unterschied auf dem Papier ist letztendlich, dass Hamilton die Weltmeisterschaft 2016 nicht gewinnen konnte. Nachdem er drei Jahre lang zumeist deutlich die Oberhand über Rosberg hatte, musste Hamilton sich erstmals dem Teamkollegen geschlagen geben - und das nicht nur in einem teaminternen Duell, sondern im Kampf um den Titel. Die Niederlage gegen Rosberg und die über den Saisonverlauf hinweg aufgebauten persönlichen Spannungen zwischen ihm und dem Rivalen machten sich mental negativ bemerkbar.

"Natürlich war es sehr unkomfortabel. Ich kann nicht sagen, dass es letztes Jahr schön war", blickt Hamilton auf den Psychokrieg innerhalb der Garage zurück. Beim Finale in Abu Dhabi hatte er alle Register gezogen, um das Ruder in der WM doch noch herumzureißen. Unter völliger Missachtung der Anweisungen vom Mercedes-Kommandostand, sorgte er im letzten Rennen der Saison für einen Eklat, den Toto Wolff & Co. in der Folge lang und breit vor den Medien verkaufen mussten.

"Ich denke, und das ist meine persönliche Meinung, dass wir einen schwierigen Moment letztes Jahr in Abu Dhabi hatten", so Wolff, der nach der Befehlsverweigerung seines Fahrers darauf bedacht war, das Verhältnis zwischen Hamilton und dem Team schnellstmöglich wieder zu kitten. "Ein paar Tage später haben wir uns getroffen und einen langen Abend in meiner Küche verbracht", fügt er an. Neben dem Zwist mit Rosberg zeigte Hamilton sich auch unglücklich darüber, dass innerhalb des Teams die Crews rotiert wurden und er sich von seiner Weltmeister-Mannschaft verabschieden musste.

"Wir haben dabei alles ausgeräumt. All die Frustration und auch die Fragen, die sich über all die Jahre angesammelt hatten. Wir haben alles auf den Tisch gepackt und er kam danach mit einer tollen Einstellung zurück, was man auch an der Beziehung zu Valtteri sehen kann", sagt Wolff. Für Hamilton war die Aussprache mit dem Chef ebenfalls ein richtungsweisender Moment. "Ich denke, für mich war das Ende des letzten Jahres entscheidend. Einfach alles auf den Tisch zu legen und zu sagen, was gesagt werden musste um dann daran zu arbeiten, eine neue und stärkere Beziehung aufzubauen", erklärt er.

Hamilton mit Lob für den Teamchef und die Ingenieure

Für Wolff war sein Job als Teamchef angesichts der Reibereien zwischen Hamilton und Rosberg oft ein wahrer Spießrutenlauf. "Natürlich gab es Dinge, die wir besser oder anders gemacht hätten, wenn wir die Chancen hätten", so Hamilton, der dem Teamchef für seine Arbeit in den vergangenen Jahren Rosen streut. "Toto macht einen außergewöhnlichen Job, um dieses Team zu managen." Um Hamilton wieder ein besseres Gefühl zu geben, wurde ihm für 2017 offenbar die Rückkehr seiner Ingenieure angeboten, mit denen er zuvor zwei Weltmeisterschaften gefeiert hatte.

"Anfang des Jahres hieß es: Möchtest du deine Crew zurück?", erklärt Hamilton, der jedoch festentschlossen war, auch mit seiner neuen Mannschaft an die alten Erfolge anknüpfen zu können. "Ich sagte: Nein, ich mache mit den Jungs weiter. Funkt mir da jetzt bloß nicht rein. Es funktioniert und ich möchte auf dieser Beziehung aufbauen." Die Erfolge scheinen diese Entscheidung zu bestätigen. "Meine Jungs machen einen unglaublichen Job. Meine Beziehung mit dem gesamten Team, egal auf welcher Seite, ist stärker als je zuvor" so Hamilton.

"Wir arbeiten konstant daran, die Kommunikation zwischen uns zu verbessern. Sie müssen das Maximum aus den Fahrern herausholen und meine Tage in der Fabrik haben sich sehr geändert. Früher bei McLaren waren sie eher Zeitverschwendung. Ich bin kein Typ, der fünf Stunden in einem Meeting sitzen kann. Ich kann mich auf so etwas nicht so lange konzentrieren", erklärt der dreimalige Weltmeister. "Seit ich diesem Team beigetreten bin, hat sich die Dynamik und was ich an diesen Tagen mache, komplett geändert."

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Hamilton ist stolz auf seine Leistung

Doch auch an sich selbst hat Hamilton 2017 kontinuierlich weitergearbeitet. In der Winterpause hatte er bekanntgegeben, in diesem Jahr auf die körperliche Vorbereitung mit einem persönlichen Physiotrainer verzichten zu wollen und sich stattdessen auf eigene Faust auf die Rennen vorzubereiten. "Persönlich fühle ich mich besser als je zuvor, sowohl physisch als auch mental", erklärt er. "Ich habe mich mental zwar schon das ganze Jahr stark gefühlt, aber körperlich habe ich auch nochmal einen großen Schritt gemacht.

Maßgeblich dazu beigetragen haben soll seine vegane Diät. "Die beste Entscheidung war, diesem Team beizutreten und die zweitbeste war, meine Ernährung umzustellen", ist sich Hamilton sicher. "Letztendlich versuchst du immer dein Potential im Leben und auf der Rennstrecke voll auszureizen." In der ersten Saisonhälfte war der neue Teamkollege und Rosberg-Nachfolger Valtteri Bottas noch regelmäßig auf Augenhöhe mit Hamilton unterwegs. Seit der Sommerpause hat der Brite den Finnen jedoch im Griff.

"Ich mag es, dass er mich fordern kann. Besonders zu Beginn des Jahres gelang ihm das. In der zweiten Saisonhälfte war ich aber in der Lage, das Auto auf ein neues Level zu bringen", unterstreicht Hamilton seine ansteigende Formkurve. Das Duell gegen Sebastian Vettel tut in diesem Jahr sein Übriges, um ihn bis ans Limit zu fordern. "Wenn du gegen einen viermaligen Weltmeister fährst, weißt du, dass du gegen einen der Besten fährst. Du fährst gegen jemanden, der in Form ist", so Hamilton.

Bei diesem Kampf die Oberhand zu behalten, wie es ihm zuletzt im direkten Duell in Austin gelang, hat für ihn einen besonders hohen Reiz. "Ihr seid beide auf Messerschneide und einer wird straucheln. Ich liebe diese Herausforderung, nicht derjenige zu sein, der strauchelt. Ich fühle, mental einen guten Schritt gemacht zu haben und keine Fehler, oder nur selten Fehler zu machen Ich schaue nicht auf einmal hoch und habe den Scheitelpunkt verpasst und fahre neben die Strecke. Das ist etwas, worauf ich sehr stolz bin."