Verwirrung um die Personalie Pierre Gasly in der Formel 1. Zunächst hieß es am Samstagabend in der Pressemitteilung der Scuderia Toro Rosso zum überraschenden Renault-Wechsel Carlos Sainz', Daniil Kvyat würde beim USA GP in Austin zurückkehren und in Texas gemeinsam mit Pierre Gasly um Punkte für den Nachwuchsrennstall Red Bulls kämpfen.

Pierre Gasly: Habe noch keine Bestätigung

Doch inzwischen scheint das längst nicht mehr so sicher. "Momentan habe ich keine Bestätigung von Franz (Tost, Toro-Rosso-Teamchef, Anm. d. Red.) oder Helmut (Marko, Red Bulls Motorsportberater, Anm. d. Red.), was in zwei Wochen passieren wird. Bevor ich etwas sage werde ich warten, bis ich Helmut sehe", berichtet Gasly nach dem Formel-1-Rennen in Japan.

Hintergrund: Parallel zum Formel-1-Rennen auf dem Circuit of the Americas steigt in Japan das Finale der Super Formula. Dort war Pierre Gasly in dieser Saison, wie im Vorjahr schon McLarens Stoffel Vandoorne, zur Vorbereitung auf eine Formel-1-Karriere angetreten, liegt vor dem Finale noch voll im Meisterschaftsrennen. Nur ein halber Punkt fehlt dank zuletzt drei Podien, darunter zwei Siege, auf Tabellenführer Hiroaki Ishiura.

Künftiger Toro-Rosso-Partner Honda braucht Gasly für Japan-Titel

Das Problem: Verpasst Gasly das Finale ist für seinen Mugen-Honda-Rennstall, ist der Titel gegen Erzrivale Toyota verloren. Doch wieso sollten sich Red Bull und Toro Rosso darum scheren? Ganz einfach: Honda beliefert Toro Rosso ab 2018 mit Power Units. Entsprechend wäre es ein denkbar schlechter Start in die Partnerschaft, Honda seinen Titelkandidaten Gasly vorzuenthalten.

Gasly selbst sieht die Situation völlig entspannt, der Youngster kann mit beiden Alternativen sehr gut leben. "Für mich sind beide Optionen sehr spannend. Wenn ich zur Super Formula gehe, um den Titel kämpfe und in Mexiko zurückkehre und die Saison mit Toro Rosso beende, dann wäre das großartig. Denn ein Titel ist ein Titel", kommentiert Gasly Variante eins, den Start in Japan.

Gasly kann mit beiden Alternativen leben - Entscheidung naht

"Aber wenn ich nach Austin fahre und dort mit Toro Rosso das Rennen fahre und dann auch die Saison mit ihnen beende, werde ich mich nicht beschweren, denn das ist eine fantastische Chance. Außerdem ist es eine gute Erfahrung für mich, in der F1 zu sein", sagt Gasly über die zweite Option, den Start beim USA GP der Formel 1.

Doch wann fällt eine Entscheidung? "Im Moment müssen wir abwarten. Ich bin ziemlich sicher, dass es wir in der nächsten Woche oder der darauf herausfinden werden und alles bestätigt werden sollte", sagt Gasly am Sonntagabend in Suzuka.

Vieles deutet der genannten Honda-Zukunft Toro Rosso jedoch auf ein Gasly-Intermezzo in der Super Formula hin, ehe er in Mexiko zurück ins Formel-1-Cockpit steigt. Nur ein Aspekt nicht: Toro Rosso hat ein veritables Fahrer-Problem. Denn: Sainz ist jetzt bei Renault, der zuletzt zugunsten Gaslys ausgebootete Daniil Kvyat muss bereits den Spanier ersetzen.

Toro Rosso und das Fahrer-Problem: Wer soll Gasly ersetzen?

Einen weiteren Piloten im Red Bull eigenen Juniorprogramm gibt es derzeit nicht, die nächsten Talente stecken noch in der Kart-Schule, verfügen also längst nicht über genug Erfahrung, erst recht nicht die nötigen Punkte für die Superlizenz. Heißt: Als Gasly-Ersatzmann muss ein tatsächlich ein Mann her, kein Youngster.

Doch welcher gestandene Rennfahrer kommt hier in Frage? Die Liste potentieller Kandidaten ist wegen der scharfen Superlizenz-Kriterien der Formel 1 kurz. Denn: Nicht nur sportlich erfolgreich muss der Fahrer gewesen sein, in den vergangenen drei Saisons mindestens 40 Superlizenz-Punkte gesammelt haben, sondern auch mindestens 300 Kilometer in einem halbwegs aktuellen Formel-1-Auto - mindestens aus der Saison 2014 - absolviert haben.

Sebastien Buemi vor Formel-1-Comeback?

Die wohl einzige wirklich relevante Möglichkeit für Toro Rosso ist daher ein alter Bekannter: Sebastien Buemi. Der Schweizer verfügt dank konstant starker WM-Resultate in der WEC und Formel E nicht nur über das am besten gefüllte Superlizenz-Konto aller Kandidaten, sondern ist Toro Rosso auch bestens bekannt: Zwischen 2009 und 2011 startete Buemi 55 Rennen für das Nachwuchsteam Red Bulls.

Noch dazu gehört Buemi neben seiner Aktivitäten in der Formel E für Renault und der Langstreckenweltmeisterschaft für Toyota auch weiterhin zum Red-Bull-Kader, brennt Runde um Runde im Formel-1-Simulator in Milton Keynes ab, ist zumindest virtuell also bestens Vertraut mit aktuellen Formel-1-Boliden.

Einzig Buemis Toyota-Verbindung scheint im ersten Moment etwas heikel, allerdings heißt der Motorenpartner Toro Rossos aktuell noch Renault, was wiederum sehr gut zusammen passen würde. Noch dazu wäre ein Buemi im derzeit sowieso nicht zu großen Erfolgen fähigen Toro Rosso für Honda weitaus besser zu verschmerzen als ein Fehlen Gaslys im weitaus aussichtsreicheren Umfeld der Super Formula.

Palmer in die Verlängerung oder zwei Russen in den USA?

Wer neben Buemi noch in Frage kommen könnte? Jolyon Palmer zum Beispiel. Der Brite genießt nach seinem Aus bei Renault aus allen gut bekanntem Grund zwar aktuell nicht mehr das größte Ansehen im F1-Paddock, doch ist zumindest der mit Abstand am besten mit den aktuellen Boliden vertraute Fahrer. Fraglich jedoch, ob Palmer überhaupt Interesse an einem solchen Modell hätte. .

Alternativ könnte Renault Toro Rosso allerdings auch Entwicklungsmann Sergey Sirotkin leihen. Ob gleich zwei Russen beim US GP allerdings eine gute Idee sind, muss sich Toro Rosso selbst überlegen.

Lässt Toro Rosso alte Ferrari-Kontakte spielen?

Weitere Kandidaten sind die Ferrari-Junioren Charles Leclerc und Antonio Giovinazzi, beide ebenfalls ausgestattet mit Superlizenz und sogar einiger Erfahrung in diesjährigen F1-Boliden. Noch dazu fuhr Toro Rosso erst im Vorjahr noch mit Ferrari-Power, entsprechend direkt der Draht zwischen Maranello und Faenza.

Oder wie wäre es mit Paul di Resta? Der Schotte hatte schon in Ungarn den Ersatzmann für Felipe Massa gegeben. Dass Williams den TV-Experten jedoch einem direkten Konkurrenten borgt, erscheint allerdings unrealistisch.

PR-Sensation mit US-Fahrer?

Spannender Ansatz außerdem: IndyCar-Champion Josef Newgarden - ein Amerikaner beim USA-GP, das hätte doch was. Über genügend Superlizenz-Punkte würde er dank seines Titels sogar verfügen. Doch fehlen die 300 Kilometer im Formel-1-Auto. Anders bei IndyCar-Kollege Alexander Rossi, für den ein kurzzeitiges F1-Comeback sicher auch ein ordentlicher PR-Coup in den Staaten wäre.

Oder wie wäre es mit DTM-Meister Marco Wittmann? Entsprechende Red-Bull-Kontakte gibt es für den Deutschen, da muss man sich nur die Lackierung seines BMW ansehen. Noch dazu absolvierte Wittmann als Belohnung für seinen DTM-Titel 2014 vor zwei Jahren einen Test - mit Toro Rosso! Dort fuhr Wittmann sogar deutlich mehr als 300 Kilometer. Sein Problem sind allerdings die Superlizenz-Punkte: Weil Wittmann 2015 die DTM-Saison nur als Gesamtsechster abschloss, fehlen dem BMW-Fahrer knapp die nötigen Zähler.