Platz zwei beim Malaysia GP, Sebastian Vettel nur Vierter, WM-Führung erneut klar, auf nun 34 Punkte, ausgebaut. Eigentlich müsste Lewis Hamilton nach dem 15. Saisonlauf der Formel 1 2017 mit der asiatischen Sonne über Sepang nur so um die Wette strahlen.

Tut er aber nicht. Auf dem Podium, in der Pressekonferenz und in seinen Medienrunden präsentiert sich der dreimalige Weltmeister vielmehr zerknirscht. Der Grund: Mercedes schwache Performance am Freitag war keine Nebelkerze. Im Rennen bestätigte sich nach einem etwas besseren, weil kühleren, Qualifying der erste Eindruck. Die Silberpfeile sahen in Sachen Pace schlecht aus, waren Ferrari, selbst Red Bull, klar unterlegen.

Wolff: WM-Führung ausgebaut? Sehe nichts Positives!

"Wir wussten vor dem Rennen, dass wir nicht das schnellste Auto haben würden. Unsere Deltas haben gezeigt, dass Ferrari acht, Red Bull fünf oder sechs Zehntel schneller sind als wir", berichtet Hamilton. Genau das trat im Malaysia GP ein. Einzig dem schieren Glück, dass Vettel nach Motorproblemen vom letzten Platz starten und Kimi Räikkönen statt von P2 zu starten aus demselben Grund noch im Grid aufgeben musste, war zu verdanken, dass Hamilton die eigentliche Ferrari-Übermacht in Schach zu halten vermochte.

Genau dieser Aspekt ist es, der auch Toto Wolff trotz erneut verbesserter Situation in beiden Meisterschaften so gar nicht zufrieden aus Sepang abreisen lässt. "Ich habe keine gemischten Gefühle: Ich sehe nichts Positives heute. Klar kann man es punktuell betrachten und sagen, wir haben in der WM aufgeholt, aber wir haben nur aufgeholt wegen Pech von Kimi und Sebastian. Und das Pech anderer kann mich nicht in Begeisterung versetzen. Mir geht es immer um die eigene Pace und in Wahrheit haben wir heute 30 Sekunden auf Ferrari verloren", klagt der Motorsportchef.

Der Hoffnungsschimmer am Samstag sei einzig auf Wetter und die besonderen Künste Lewis Hamiltons zurückzuführen gewesen. "Auf eine Runde ist er eine echte Macht, hat das Maximum herausgeholt und von den kühleren Bedingungen profitiert", berichtet Wolff. "Auf eine Runde wurde das grundlegende Problem, das wir im Auto haben, nicht so sichtbar."

Mercedes: Schmerzhafter, frustrierender Schlag

Ganz anders am wieder wärmeren Sonntag. "Für mich ist es ein sehr schmerzhafter Tag gewesen", klagt Wolff. Absoluter Tiefpunkt: Schon in Runde vier, als Max Verstappen Lewis Hamilton Ende Start/Ziel relativ entspannt überholte. " Bereits nach wenigen Runden war klar, dass sowohl Red Bull als auch Ferrari heute schnellere Autos hatten als wir", kommentiert Wolff die Szene. "Das war frustrierend, aber es war ein Spiegelbild unserer heutigen Pace, die einfach nicht gut genug war", bestätigt Andrew Shovlin, leitender Ingenieur an der Rennstrecke bei Mercedes.

Ganz andere Gefühle natürlich auf der Gegenseite. "Es ist natürlich eine Genugtuung für uns, Mercedes unter regulären Bedingungen auf der Strecke zu überholen", sagt Red Bulls Berater Helmut Marko bei Sky.

Lewis Hamilton: Sowieso nur Kanonenfutter für Verstappen

Lewis Hamilton dagegen störte sich nicht groß daran, so leicht überholt worden zu sein. Er habe immerhin gar nicht erst versucht, sich zu wehren. "Ich wusste nicht wie nah Max dran war, ich hatte einige Probleme am Anfang des Rennens, Probleme mit De-Rates und der Batterie-Aufladung. Aber selbst wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen. Ich wollte verteidigen, aber wollte es nicht riskieren und habe die Tür nicht zugemacht", berichtet Hamilton.

"Ich musste eine Entscheidung treffen, ihn nicht zu bekämpfen, um nicht zu riskieren, dass er in mich reinfährt. Denn du weißt, dass er alles geben wird während ich alles zu verlieren hatte. Ich habe es ihm nicht sehr schwer gemacht. Max hatte ohnehin mehr Pace als ich, es wäre problematisch geworden. Ich habe dann versucht, die Position zu halten und es ist immer noch gut, P2 gehalten zu haben", ergänzt der Brite.

Max Verstappen ließ Lewis Hamilton stehen wie eine Überrundung, Foto: LAT Images
Max Verstappen ließ Lewis Hamilton stehen wie eine Überrundung, Foto: LAT Images

Das Ergebnis an sich stimmt Hamilton ohnehin noch halbwegs zufrieden. Mit Blick auf die WM hätte es angesichts der wahren Performances in Sepang dramatisch schlechter laufen können. "Ich fühle mich gut", sagt Hamilton deshalb auch mit Blick auf die WM-Stand-Entwicklung. "Aber wenn du bedenkst, dass Vettel als Letzter gestartet ist, ist es nicht gerade großartig, um ehrlich zu sein. Wir hätten heute gewinnen sollen, aber wir hatten nicht die Pace. An manchen Stellen war das Auto gut, aber an anderen haben sich unsere Probleme mit dem Auto noch vergrößert. Ich könnte da nicht wirklich viel ausrichten."

Noch weniger gut fühlt sich der Brite angesichts des riesigen Pace-Nachteils und der offenbar doch noch nicht gelösten Mercedes-Rätsel mit dem W08 jedoch mit Blick auf die nächsten Rennen. "Es war ein echter Schlag für uns mit diesen Problemen, die wir hatten. Das ist nicht akzeptabel für ein so großartiges Team wie wir es sind. Wir müssen daran arbeiten und das wissen wir alle", sagt Hamilton.

Hamilton: Fundamentales Problem - 2017 keine Lösung mehr

Doch fürchtet Hamilton, dass in diesem Jahr keine wirkliche Lösung mehr zu finden sein wird. Das Problem sei im Auto verankert. Hamilton: "Die Pace war nicht da am Wochenende. Wir haben viel Arbeit zu tun. Aber wir können nichts tun, denn so ist das Auto nun einmal. Die Leute haben das ganze Jahr über gesagt, wir hätten das beste Auto. Es ist auch Fakt, dass das Auto sich in manchen Rennen als besser erwiesen hat, aber insgesamt ist offensichtlich, dass wir nicht das beste Auto haben, denke ich."

Vielmehr habe Mercedes mit einem herausragenden Job geschafft, die Nachteile zu kaschieren. Und die seien nicht einmal klein. "Es gibt ein paar richtig große Probleme, die ich nicht wirklich erklären kann. Aber wir müssen sicherstellen, dass wir sie für nächstes Jahr korrigieren, wenn wir wirklich gegen beide Ferrari und Red Bull kämpfen wollen, wenn sie zulegen", sagt Hamilton. "Wir müssen daran arbeiten - aber es ist mit dem diesjährigen Auto ein fundamentales Problem."

Sonderlich optimistisch für den gegenwärtigen WM-Kampf klingt das nicht gerade. "Ich weiß nicht, welches der folgenden Rennen gut für uns sein wird, aber wir werden alles geben, um zu versuchen, vorne zu bleiben", gibt sich Hamilton dennoch kämpferisch. Auch sei er natürlich voll davon überzeugt, dass jeder Mitarbeiter in der Fabrik wirklich alles gebe, um die Dinge zu verbessern.

Wolff widerspricht Hamilton: Mercedes hat das beste Auto

Doch reicht das? Toto Wolff bleibt zuversichtlich, will den Mercedes-Boliden noch dazu so gar nicht als das nur zweitschnellste Auto diskreditiert wissen. "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir über ein Auto reden, das Fahrer- und Konstrukteurs-WM anführt. Es ist also keine lahme Ente. Dieses Auto war in vielen Fällen das schnellste Auto. Monza und Silverstone fallen mir ein, da haben wir alle weggeblasen! Es gibt einfach gewisse Bedingungen die uns underperformen lassen. Aber es ist nicht die fundamentale Pace. Das Auto ist gutes Auto, vielleicht das schnellste."

Dennoch sei auch Wolff besorgt. Weniger wegen der eigenen Probleme als wegen der Pace Ferraris und Red Bulls in Sepang. "Aber ich bin immer besorgt", relativiert Wolff. Vor allem auch um Valtteri Bottas. Der Finne hat zuletzt insgesamt, besonders ersichtlich in Sepang, noch deutlich mehr zu kämpfen gehabt als Hamilton. Fast eine Minute fehlte Bottas in Malaysia auf Sieger Max Verstappen. "Aber er wird über diese Phase schon hinwegkommen", hofft Wolff. "Ich denke, er kann sich befreien und stärker zurückkommen."

Valtteri Bottas hatte Sebastian Vettel nichts entgegenzusetzen, Foto: LAT Images
Valtteri Bottas hatte Sebastian Vettel nichts entgegenzusetzen, Foto: LAT Images

Bottas selbst fordert dazu allerdings eingehende Analyse, insbesondere der verschiedenen Aero-Pakete. Anders als Hamilton war der Finne in Sepang ja mit einer neuen Konfiguration unterwegs. Die noch größeren Performance-Probleme scheinen jedoch mehr mit Bottas selbst zusammenzuhängen. "Nicht im Arbeitsfenster der Reifen zu sein ist für uns die fundamentale Story des Jahres 2017. Der Fahrstil spielt da eine Rolle, Lewis konnte sich besser daran anpassen als Valtteri", erklärt Wolff. Das sehe man allerdings auch bei anderen Teams.

Valtteri Bottas im Nirgendwo: Schwerster Moment der Karriere

Doch auch Bottas gesteht sich hier inzwischen ein Stückweit eine Mitverantwortung ein. Er erlebe gerade die schwierigste Zeit seiner Karriere. "Ich denke, wir haben als Team damit zu kämpfen gehabt, das Auto für diese Bedingungen gut genug zu machen und dann ist es nochmal eine andere Geschichte, warum von meiner Seite aus Pace gefehlt hat. Ich denke da gibt es verschiedene Gründe für, die wir jetzt herausfinden müssen. Ich bin zeige momentan definitiv nicht mein Bestes oder habe das bestmögliche Vertrauen", gesteht Bottas.

Viel schlimmer sind jedoch auch für Bottas die grundlegenden Probleme bei Mercedes. "Es war definitiv nicht das Rennwochenende, das wir hier erwartet hatten, denn wir hätten hier wirklich richtig stark sein können. Aber von Freitag an haben wir gekämpft. Heute war es dasselbe, die Pace hat einfach gefehlt", hadert der Finne.

Und so bleibt bei Mercedes weiter nur das Hoffen, dass Malaysia schlicht einfach nur ein weiterer Ausreißer war - nach Monaco, Singapur und Ungarn allerdings schon der vierte im 15. Rennen. "Und die Fragezeichen sind sogar noch größer. Denn Monaco ist eine einzigartige Rennstrecke. Aber auf dieser Strecke, wo wir dachten, konkurrenzfähig zu sein?", warnt Bottas fragend.

Das große Hoffen auf die japanische Kälte

Dennoch: Schon in Japan kann es für die Silberpfeile wieder viel rosiger aussehen, sollten die in der Regel kühlen Temperaturen in Suzuka Mercedes wieder besser liegen. "Aber man kann nichts mehr sagen, es kommt immer anders. Wir müssen die Reifen verstehen. Warum sie manchmal im Fenster sind und manchmal nicht - und warum uns die Hitze Probleme macht", sagt Wolff.

Doch genau die sollte es in Japan eben kaum geben. "Suzuka ist ein viel kühlerer Kurs als hier. Ich denke, da sollten wir besser sein. Wir können noch einige der nächsten Rennen gewinnen, müssen aber pushen. Die kommenden Rennen werden entscheidend, um die Probleme mit dem Auto auszubügeln", sagt Lewis Hamilton. So ganz verloren hat der Brite das Vertrauen also doch nicht. Nicht wirklich. "Wir müssen jetzt einfach das Maximum aus dem Auto holen und den Vorteil (nach Punkten, Anm. d. Red.), den wir haben, bis zum Saisonende mitnehmen", ergänzt Toto Wolff.

Eines sei jedenfalls sicher: Eine Hochdruck-Analyse wie nach Monaco werde es in Brackley jetzt ganz sicher wieder geben. Wolff: " Wir reisen mit vielen Fragezeichen aus Malaysia ab und wir müssen in den kommenden Tagen und Wochen Antworten darauf finden. Nur so können wir sicherstellen, dass wir vorwärts kommen und im letzten Saisonviertel an der Spitze mitkämpfen. Wir dürfen uns nicht davon ablenken lassen, dass wir an diesem Wochenende wieder das Glück auf unserer Seite hatten."