Max Verstappen musste in der Formel-1-Saison 2017 lange leiden, bis er beim Grand Prix von Malaysia seinen erlösenden Sieg feiern durfte. Technische Defekte und unverschuldete Kollisionen machten das Jahr für den Red-Bull-Piloten zur absoluten Zerreißprobe. Beim 15. Anlauf lief in Sepang endlich alles glatt. Einen Tag nach seinem 20. Geburtstag entschädigte sich der Niederländer mit einer Gala-Vorstellung samt F1-Sieg Nummer zwei für die Enttäuschungen der vergangenen Monate.

"Das war überfällig nach all dem Pech, was er dieses Jahr gehabt hat", zeigte sich Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko am TV-Mikrofon von Sky erleichtert. Sieben Mal sah Verstappen in dieser Saison nicht die Zielflagge. Ricciardo fuhr mit dem Sieg in Baku und sieben weiteren Podestplätzen die Ernte ein, während der Shooting Star des Teams sich ein immer dickeres Nervenkostüm zulegen musste.

"Nach der Saison die ich hatte, kam dieser Sieg zu einem sehr guten Zeitpunkt", so Verstappen, der sich endlich einmal nicht den bohrenden Fragen der Journalisten stellen musste, wie er mental mit seiner scheinbar niemals endenden Pechsträhne zurechtkommt. "Ich war sehr glücklich, als ich über die Ziellinie fuhr. Ich habe es zusammen mit meinem Vater so weit gebracht und natürlich auch dank der großartigen Unterstützung von Red Bull."

"Das war Payback", freute sich auch Papa Jos vor den Fernsehkameras. "Das Auto sah heute sehr stark aus, er konnte mit Lewis mithalten und hatte nach ein paar Runden die Chance zum Überholen. Danach hieß es für ihn, keinen Fehler zu machen. Ich bin sehr glücklich für Max, er hat es nach so vielen Ausfällen verdient", fügte der 107-fache Grand-Prix-Teilnehmer an. Verstappens Form in der bisherigen Saison war schon vor Malaysia unumstritten.

Im Qualifying hatte er gegenüber Ricciardo mit 10:4 klar die Oberhand. Nach den sich häufenden Rückschlägen betonte Teamchef Christian Horner stets, dass Verstappen in der Form seines Lebens sei und jederzeit dieselben Resultate wie sein australischer Stallgefährte einfahren könne - inklusive Siegen. "Ich hatte ja gesagt, dass, wenn das Glück zu Max zurückkehrt, es auf eine beeindruckende Art und Weise geschehen würde", fühlte sich Horner nach dem Sieg seines Schützlings bestätigt.

Verstappen überholt Hamilton mit einer Extraportion Aggressivität

Mit Startplatz drei hatte sich Verstappen am Samstag eine gute Ausgangslage für die Abschiedsvorstellung der Formel 1 in Malaysia gesichert. Ursprünglich wären es Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen gewesen, die ihm die freie Sicht auf die erste Kurve versperrt hätten - doch Ferraris Fortsetzung des Technik-Debakels von Sepang sorgte dafür, dass letztendlich nur noch der Mercedes des WM-Leaders vor Verstappen stand.

Bei Red Bull hatte man ursprünglich Räikkönen als Favoriten auf den Sieg ganz oben auf der Liste. Angesichts der ungewöhnlich schwachen Silberpfeile wurde davon ausgegangen, im Duell gegen Hamilton realistische Chancen auf einen Triumph aus eigener Kraft zu haben. "Es macht es immer einfach, wenn es ein Konkurrent weniger ist", so Verstappen. Mit dem Iceman außer Gefecht drohte nach dem Start aber zunächst Valtteri Bottas, sich zwischen Verstappen und Hamilton zu schieben.

Verstappen gelang es jedoch den Angriff des Finnen zu parieren und die zweite Position zu halten. Was im Duell mit Bottas gleich auf den ersten Metern ersichtlich wurde, war die Entschlossenheit, mit welcher der 20-Jährige an diesem Sonntag zu Werke ging. Vier Runden später musste sich Hamilton Verstappen ergeben. Beim Anbremsen auf Kurve 1 gelang es dem Briten trotz konsequenter Kampflinien nicht, den Red Bull mit der Startnummer 33 hinter sich zu halten.

"Ich wusste, das Lewis mehr zu verlieren hatte, weil er um die Weltmeisterschaft kämpft. Ich habe mich deshalb entschieden, mehr Risiko zu gehen. Es war meine einzige Chance", erklärt Verstappen, der sich innen auf der letzten Rille an Hamilton vorbeipresste. "Ich habe mich verteidigt, wollte aber nicht zu viel Risiko eingehen. Also habe ich die Tür nicht komplett zugemacht", gestand Hamilton.

Bei der Chefetage von Red Bull ging die Vorstellung von Verstappen runter wie Öl. "So ein Überholmanöver ist natürlich Weltklasse", lobte Marko seinen Zögling. "Obendrein ist es natürlich eine Genugtuung für uns, Mercedes unter regulären Bedingungen auf der Strecke zu überholen", so der Österreicher weiter.

Red Bull schlägt Mercedes und profitiert von Ferrari-Pech

Nach dieser Aktion bewahrheitete sich, was Red Bull nach den Trainings vermutet hatte. Mercedes war nicht in der Lage, die Pace mitzugehen. "Das Auto war unglaublich. Ich hatte Pace und wenn ich das Tempo anziehen musste, konnte ich es einfach machen", zeigte sich Verstappen von der Performance seines RB13 begeistert. An der Spitze des Feldes das Rennen kontrollieren zu können, war für ihn in der Formel 1 eine gänzlich neue Erfahrung.

"Es war das erste Mal, dass ich das in meiner Karriere hatte und ich habe gewonnen. Es so zu machen, war natürlich großartig", erklärte er. Andererseits ließ er nicht außeracht, dass das wohl stärkste Auto an diesem Sonntag nicht in den Kampf um den Sieg eingreifen konnte: "Wenn wir auf die reine Performance von Sebastian schauen, wären sie natürlich sehr stark gewesen. Das war also in gewisser Weise ein Geschenk."

Ohne die Ferrari-Gefahr war Verstappens Aufgabe nach dem Manöver gegen Hamilton jedenfalls klar. "Nachdem ich an Lewis vorbei war, musste ich mich auf die Pace konzentrieren und auf meine Reifen aufpassen", erklärte der Youngster, der seinen Vorsprung schnell auf über fünf Sekunden ausbaute. Hamilton bereute seine verminderte Gegenwehr angesichts dessen nicht.

"Letztendlich hatte Max sowieso eine bessere Pace als ich und es wäre ein harter Kampf geworden, auch wenn er an diesem Punkt nicht vorbeigekommen wäre. Wahrscheinlich hätte er es dann woanders geschafft", war sich der Mercedes-Pilot sicher. Verstappen blieb in den darauffolgenden 52 Runden ohne Fehl und Tadel. Lediglich beim Überrunden hatte er einen haarigen Moment zu überstehen.

"Ich musste mich sehr konzentrieren, denn bei den Überrundungen konnte man viel Zeit verlieren. In der ersten Kurve wurde ich einmal fast abgeschossen, aber danach konnte ich alles kontrollieren", so Verstappen, der in der zweiten Rennhälfte auf einen Zweikampf zwischen Jolyon Palmer und Kevin Magnussen auflief, bei dem die beiden Gegner auch noch kollidierten.

Verstappen ließ in Malaysia im Duell mit Hamilton nichts anbrennen, Foto: LAT Images
Verstappen ließ in Malaysia im Duell mit Hamilton nichts anbrennen, Foto: LAT Images

Verstappen: Malaysia-Sieg besser als Barcelona 2016

Ganze 504 Tage musste Verstappen warten, bis er nach seinem Sensationssieg beim Red-Bull-Einstand 2016 in Spanien wieder ganz oben auf das Siegertreppchen steigen durfte. Der zweite Grand-Prix-Sieg im 55. Rennen hatte für ihn jedoch einen ganz anderen Stellenwert. "Damals hatten wir definitiv nicht die Pace für einen Sieg. Heute hatten wir sie und wir konnten kämpfen und überholen. Es war etwas anders und fühlt sich tatsächlich besser an", erklärte Verstappen.

Nachdem der Bann der Saison 2017 für ihn gebrochen scheint, hofft er, in den ausstehenden daran anknüpfen zu können: "Es war bisher eine dramatische Saison und ich bin froh, dieses Rennen gewonnen zu haben. Natürlich hoffe ich, dass es ab jetzt in Ordnung sein wird." Gleichzeitig will er sich nach den Erfahrungen in diesem Jahr auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: "Ich werde nicht sagen, dass wir jetzt jedes Rennen gewinnen wären, aber wir wollen zumindest viele Punkte holen. Bis jetzt war es nämlich wirklich eine Saison zum Vergessen."

Wenn es am kommenden Wochenende in Japan weitergeht, so weiß Verstappen, sind die Karten wieder neu gemischt und der Sieg aus Malaysia ist nur ein Eintrag in den Geschichtsbüchern. "Wir müssen das Auto jedes Wochenende gut abstimmen. Das müssen wir erst abwarten, wenn wir nach Suzuka kommen. Es wäre zu früh um jetzt zu sagen, dass wir dort konkurrenzfähig sein werden."