Für viele ist die Formel-1-Saison 2017 nach dem doppelten Pech von Sebastian Vettel schon entschieden, für den Ferrari-Piloten selbst jedoch nicht. Auch wenn er vom 20. und damit letzten Startplatz in den Großen Preis von Malaysia starten muss, sieht Vettel noch keine Vorentscheidung im WM-Kampf gegen Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, der von der Pole Position aus ins Rennen geht: "So weit denke ich gar nicht, ich reflektiere nicht so sehr. Ich genieße das, was ich mache."

"Doch viel konnte ich heute nicht genießen, denn es gab nicht viel zu tun", gestand Vettel. Der WM-Zweite schied schon im ersten Qualifikationsabschnitt aus, weil sein Motor zu wenig Leistung lieferte. Nach einem Motorwechsel zwischen dem 3. Freien Training und Qualifying gab es erneut Probleme an seinem Aggregat.

Als Vettel seine schnelle Runde beginnen wollte, fehlte im Leistung. "Es hat sich angefühlt, als hätte ich keinen Ladedruck", so der Pechvogel. Auch die hektischen Reparaturarbeiten in der Ferrari-Box führten zu nichts, obwohl es so aussah, als würde Vettel noch einmal rausgeschickt. Doch sobald der Motor in der Garage angelassen wurde, erkannten die Ingenieure auf den Telemetriedaten, dass das Problem noch immer da war. Feierabend für Vettel.

Obwohl Vettel schon in Singapur nach dem Start-Crash 25 Punkte auf WM-Rivale Lewis Hamilton verlor, steck der Deutsche den Kopf nicht in den Sand. Dabei ist der Technik-Defekt doppelt bitter, weil Ferrari in Sepang erneut das schnellste Auto hat. "Es wird aber sicher ein gutes Rennen weil wir ein sehr gutes Auto haben", gibt sich Vettel zuversichtlich.

Vettel: Platz eins realistisch möglich

Obwohl er von ganz hinten starten muss, hat der Ferrari-Pilot den Sieg noch nicht abgeschrieben: "Das Beste, was man erreichen kann, ist P1. Es könnte auch realistisch sein, man weiß nie, wie die Rennen laufen. Wir haben vor zwei Wochen gesehen, wie schnell sich Dinge ändern können."

Ein konkretes Ziel will Vettel nicht ausgeben, verschiedene Faktoren machen ihm aber tatsächlich Mut, noch weit nach vorne zu kommen. "Überholen hier ist auf jeden Fall machbarer als noch in Singapur", so Vettel. "Und man kann gar nicht an so viele Dinge denken, die im Rennen passieren können." Stichwort Kanaldeckel.

Doch es gibt auch wahrscheinlichere Faktoren als defekte Kanaldeckel. "Wir haben durch das Qualifying Reifen gespart", zählt Vettel auf. Tatsächlich hat er noch drei fabrikneue Pirelli Supersofts und einen nur leicht angefahrenen, während die Mercedes-Konkurrenz und Daniel Ricciardo gar keine frischen Supersofts mehr haben. Nur Max Verstappen und Kimi Räikkönen haben noch je einen frischen Satz der weichsten Reifen übrig.

"Vielleicht kann man mit dem Reifenvorteil etwas über die Strategie machen", hofft Vettel. Allerdings könnte die Konkurrenz gar keinen zusätzlichen Satz Supersoft benötigen, weil auch eine Einstopp-Strategie möglich ist. Mehr als zwei Stopps sind unter normalen Umständen nicht realistisch.

Schnellste Strategie bei Reifenabbau geringer als 0,1s pro Runde:
Einstopp-Strategie: Start auf Supersoft (15-23 Runden), 2. Stint Soft
Schnellste Strategie bei Reifenabbau größerals 0,1s pro Runde:
Einstopp-Strategie: Start auf Supersoft (12 Runden), 2. Stint Supersoft (16 Runden), 3. Stint Soft

Immerhin darf sich Vettel im Gegensatz zu seinen Hauptkonkurrenten die Startreifen selbst aussuchen. Er könnte mit Soft losfahren und anschließend zweimal Supersoft fahren. "Wir sollten morgen eine Menge an Boden gut machen können. Bis an die Führungsgruppe sollte ich normalerweise herankommen", glaubt der WM-Zweite. Sollte am Ende ein Safety-Car das Feld zusammenbringen, könnte Vettel mit frischen Supersofts noch eine Chance gegen die Spitze haben, sollte die dann auf Soft wechseln müssen.

Ricciardo: Wenn ich Vettel sehe, ist mein Rennen scheiße

Die Konkurrenz glaubt nicht wirklich, dass Vettel unter normalen Umständen so viel aufholen kann. "Hoffentlich sehe ich Vettel nicht. Wenn ich ihn sehe, läuft mein Rennen wohl ziemlich scheiß", scherzt Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo.

Das Safety-Car ist Teil von Vettels Hoffnungen. Der Sepang International Circuit hat in seiner 18-jährigen Geschichte schon für einige kuriose Rennverläufe gesorgt. Allerdings war die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit zuletzt etwas geringer: Bei den letzten fünf Malaysia GPs kam Bernd Mayländer nur bei zwei Rennen zum Einsatz.

Aber auch ohne Safety-Car könnte Vettel Hilfe bei seiner Aufholjagd bekommen. Das Äquator-Wetter zeigte sich schon am Freitagmorgen zum Training von seiner besten Aufholjagd-Seite. Auch für das Rennen sagen die Meteorologen eine ernstzunehmende Regenwahrscheinlichkeit voraus.

Weil er zu wenig Benzin im Tank hatte, musste Vettel seinen Red Bull 2012 im Abu-Dhabi-Qualifying abstellen - seine beste Aufholjagd folgte, Foto: Red Bull
Weil er zu wenig Benzin im Tank hatte, musste Vettel seinen Red Bull 2012 im Abu-Dhabi-Qualifying abstellen - seine beste Aufholjagd folgte, Foto: Red Bull

Die Geschichte spricht übrigens gegen Sebastian Vettel: Der vierfache Weltmeister konnte noch nie ein Rennen gewinnen, wenn er außerhalb der Top-3 gestartet war. Seine spektakulärste Aufholjagd zeigte er in Abu Dhabi 2012: Nach der Disqualifikation im Qualifying kämpfte er sich von Rang 24 bis auf Platz drei nach vorne. Das Kunststück, außerhalb der Top-10 gestartet aufs Podium zu fahren, gelang ihm allerdings nur ein weiteres Mal: Beim US GP 2015 wurde er wegen eines Motorwechsels auf Platz 13 zurückversetzt, landete aber am Ende ebenfalls noch auf P3.

Trotz der durchwachsenen Aufhol-Statistik glaubt Vettel an seine Chance: "Wenn du das schnellste Auto hast, kannst du große Rennen liefern." Dass der Ferrari konkurrenzfähig ist, daran zweifelt er keine Sekunde: "Ich hätte heute auf Pole landen können."

Ferrari darf Vettels Motor zum Nulltarif wechseln

Immerhin einen Trostpreis erhält Sebastian Vettel von Ferrari für den verpatzten Samstag: Der Heppenheimer darf mit einem komplett neuen Motor rechnen. Zwar wurde erst für das Qualifying ein neuer Verbrennungsmotor samt MGU-H eingebaut, allerdings musste Ferrari bei anderen Komponenten auf ältere Teile zurückgreifen. Allen voran beim Turbolader, der schon seit dem Spanien GP im Einsatz ist. Den hätte Vettel nicht mehr straffrei wechseln dürfen.

Die anfallende Strafe kann Vettel nun egal sein. Weil er keine gezeitete Runde setzte und somit nicht die 107-Prozent-Regel erfüllte, mussten ihm die Stewards erst die Starterlaubnis erteilen. Passiert das, startet der betroffene Fahrer ohnehin vom letzten Platz, egal ob es noch Strafen für andere Piloten gibt oder nicht.