McLarens Entscheidung, Honda nach drei erfolglosen Jahren den Laufpass zu geben, war hinsichtlich der Formel-1-Saison 2018 sicherlich nicht die größte Überraschung. Die Partnerschaft mit Renault ist allerdings etwas, worauf nicht jeder vor Monaten sein Geld gesetzt hätte. Anfangs schien eine Rückkehr zu Mercedes naheliegend zu sein. Ferrari hingegen war selbst für das Team niemals eine Alternative.

"Wir haben nie mit Ferrari gesprochen", erklärte McLarens Executive Director Zak Brown in Singapur auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Ein McLaren Ferrari in der Starterliste wäre in den Augen vieler Fans und Experten sicherlich eine sehr gewöhnungsbedürftige Kombination gewesen. Schließlich gelten McLaren und Ferrari seit jeher als große Rivalen.

Schon die ersten McLaren-Titel erkämpften Emerson Fittipaldi und James Hunt in den 1970er Jahren gegen Niki Lauda im Ferrari. Es folgten die WM-Kämpfe zwischen Ayrton Senna und Alain Prost Anfang der 1990er Jahre, gefolgt vom Schlagabtausch zwischen Mika Häkkinen und Michael Schumacher zur Jahrtausendwende. Vor zehn Jahren kämpften Lewis Hamilton und Fernando Alonso für die Briten gegen Kimi Räikkönen und Felipe Massa in den Farben der Italiener.

"Es liegt nicht an der Geschichte", nahm Brown zunächst Bezug auf das, was wohl den Meisten an dieser Kooperation gewöhnungsbedürftig vorgekommen wäre. Dass die Motorenschmiede aus Maranello nie als Partner für McLaren in Frage kam, hatte kommerzielle Hintergründe. "Sie sind auch in der Automobilbranche aktiv und es wäre schwierig, einen McLaren Ferrari zu haben", erklärte der US-Amerikaner, dass eine Partnerschaft mit dem großen Konkurrenten im Segment der Supercars keine Option sein konnte.

Dass es mit Honda im Jahr 2018 nicht weitergehen würde, zeichnete sich für McLaren aber schon früh ab. "Der Start der Wintertests war schon der Punkt, an dem wir wussten, dass wir ein großes Problem hatten", so Brown, der zusammen mit der Chefetage McLarens erst über ein halbes Jahr später den Abschied von Honda verkündete. "Es war eine gemeinsame Entscheidung und wir haben sie weder schnell getroffen, noch haben wir sie uns einfach gemacht", fügte der 45-Jährige an.

McLaren tat alles, um Honda zu helfen

Nachdem sich McLaren Honda 2016 gegenüber dem ersten Jahr der Partnerschaft deutlich verbessert hatte, war die Ernüchterung angesichts der Probleme 2017 umso größer. Der Ton McLarens gegenüber den Japanern wurde zunehmen rauer. Nicht nur Fernando Alonso schimpfte im Cockpit immer ungehaltener über die schwache und unzuverlässige Power Unit. Auch die McLaren-Führung stellte die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Juni erstmals konkret in Frage.

"Wir haben versucht mit Honda zu arbeiten, ihnen Hilfestellung zu leisten und Hilfe für sie zu bekommen", so Brown, der entgegen anderer Stimmen wie der von Bernie Ecclestone nicht glaubt, dass Woking noch mehr hätte tun können: "Ich denke nicht. Wir haben alles versucht, was wir konnten." Letztendlich war der Glauben auf Besserung im vierten Jahr einfach nicht mehr gegeben.

"Mehr als drei Jahre kann man nicht einräumen, für ein Programm das nicht die Resultate liefert, die wir sehen wollten. Für uns war es an der Zeit für eine Änderung", erklärte Brown. Eine nicht unerhebliche Rolle hat in den Augen der Öffentlichkeit hierbei Fernando Alonso gespielt, der einen Verbleib beim Team vermeintlich von der Wahl des Motorenpartners abhängig machte.

"Wir haben uns für den Motorwechsel entschieden", unterstrich Brown, dass der Superstar des Teams bei der Entscheidung kein Gewicht hatte: "Wir dachten, dass es langfristig die beste Wahl im Interesse von McLaren sein würde. Wir würden keinen Motorenlieferanten aufgrund des Wunsches eines Fahrers aussuchen."

McLaren: Top-3-Risiken der Honda-Trennung & des Renault-Wechsels: (04:05 Min.)

Brown: McLaren trotz Kundenmotoren von Renault siegfähig

Ursprünglich bestand die Motivation hinter dem Wechsel von Mercedes-Kundenmotoren zu Honda darin, dass McLarens ehemaliger Teamchef Ron Dennis fest davon überzeugt war, nur mit Werksunterstützung um WM-Titel fahren zu können. Aus dem Mund der neuen McLaren-Chefs klingt das ganz anders. "Ich denke nicht, dass es einen Unterschied zwischen dem gibt, was im Heck des Renault, des Red Bull und des McLaren sein wird", so Brown.

Um die WM-Chancen von Kundenteams zu erhöhen, muss die Formel 1 seiner Meinung nach ganz woanders ansetzen: "Mein größtes Bedenken ist der Budget-Nachteil, der von den beiden Top-Teams weiterhin unterdrückt wird. Darum muss sich der Sport kümmern, ganz im Gegensatz zu vermeintlichen Unterschieden zwischen Werks- und Kundenmotoren. Die gibt es meiner Meinung nach nicht. Zumindest nicht in der Welt von Renault."

Obendrein soll beim Austausch zwischen Woking und Viry McLarens Racing Director Eric Boullier dafür sorgen, dass dem Team das konkurrenzfähigste Material zur Verfügung gestellt wird. "Eric ist sehr zuversichtlich, dass wir nicht benachteiligt werden - auch wegen seiner Beziehung zu Renault und seiner Geschichte dort", zeigte sich Brown vom Einfluss seines französischen Kollegen überzeugt: "Außerdem denke ich, dass Renault sehen will, dass wir Rennen gewinnen - genau wie es Red Bull getan hat.

Angesichts des derzeitigen Kräfteverhältnisses wird es für McLaren 2018 ähnlich schwer wie für Red Bull, Rennen zu gewinnen. Für McLaren ist das jedoch nicht in Stein gemeißelt. "Renault hat viele Rennen gewonnen. Wir kennen ihre Pläne und haben Vertrauen in sie. Ferrari war vor ein oder zwei Jahren auch nicht da, wo sie jetzt sind. Es kann in der Winterpause noch viel passieren und es wäre zu früh um anzunehmen, dass sie die drittbeste Kraft bleiben", zeigte sich Brown vom Potential der Franzosen überzeugt.

McLaren: Beziehung zu Honda ist nicht vergiftet

Unter den für 2018 gegebenen Voraussetzungen wird sich McLaren in erster Linie mit der Nummer eins unter den Kundenteams messen müssen. Auf den Schlagabtausch zwischen seinem Team und Red Bull blickt Brown bereits voller Vorfreude: "Ich denke, wir werden mit Red Bull großartige Rennen haben. Sie sind ein tolles Team, mit super Fahrern und ausgezeichneten Technikern, die sich mit der Power Unit bestens auskennen. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihnen einen harten Kampf liefern können."

Red Bulls Schwesterteam Toro Rosso, das ab 2018 die Honda-Aggregate von McLaren übernimmt, soll von den Japanern an die Top-3 herangeführt werden. Sollte die neue Partnerschaft dieses Ziel erreichen, könnte McLaren seinen Abschied leicht bereuen, oder? "Man muss nach vorne schauen und nicht zurück. Wenn sie nächstes Jahr Rennen gewinnen und wir nicht, würden wir sicherlich etwas dumm aussehen. Aber wir müssen zu den Entscheidungen stehen, die wir getroffen haben - egal, was dabei herauskommt", erklärte Brown.

Abgesehen davon sei die Beziehung zwischen McLaren und Honda längst nicht so zerrüttet, wie es in der Öffentlichkeit oft dargestellt werde. "Die Beziehung ist ganz gesund, anders als viele denken oder geschrieben haben. Sie sind genauso frustriert und enttäuscht wie wir. Es gab nie Schuldzuweisungen, Geschrei oder Gemecker. Es hat einfach nicht funktioniert und sie wären die Ersten, die das bestätigen würden. Zwischen uns gibt es kein böses Blut", versicherte Brown.

Übrig bleiben damit lediglich die Kinder der gescheiterten Ehe, denn Hondas Power Unit samt Antriebsstrang bestand nicht ausschließlich aus eigenen Komponenten. "Es besteht eine Vereinbarung mit McLaren Applied Technologies und wir erarbeiten gerade, wie eine Fortsetzung der Beziehung aussehen könnte. Dinge wie zum Beispiel das Getriebe fallen darunter, denn in diesem Bereich haben wir einiges an Equipment geteilt. Wir schauen, wer was weitermacht", so Brown.