Der Freitag des Singapur GP 2017 wird in die Geschichte der Formel 1 eingehen: Innerhalb von 14 Minuten flatterten fünf richtungsweisende Presseaussendungen von McLaren, Toro Rosso, Honda und Renault in das Postfach. Weil die Vorgänge bei Teams und Herstellern alle miteinander zu tun haben, fassen wir das Beben in der Formel 1 zusammen.

  • McLaren trennt sich Ende 2017 von Honda
  • McLaren fährt von 2018 bis 2020 mit Renault-Motoren
  • Toro Rosso trennt sich Ende 2017 von Renault
  • Toro Rosso fährt ab 2018 mit Honda-Motoren
  • Carlos Sainz wird 2018 von Toro Rosso an Renault verliehen
  • Fährt Red Bull ab 2019 mit Honda?

Auslöser des Domino-Effekts war McLaren. Der Traditionsrennstall hatte es nach drei Jahren mit Honda-Motoren satt, sein Schicksal nicht selbst beeinflussen zu können. Seit Jahren ist McLaren felsenfest davon überzeugt, eins der besten Chassis im Feld zu haben. Doch der chancenlos unterlegene und zudem unzuverlässige Honda-Motor raubte McLaren seit 2015 jegliche Chancen auf Top-Ergebnisse.

McLaren will unbedingt von Honda weg

McLaren wollte für 2018 unbedingt von Honda weg, auch Star-Pilot Fernando Alonso setzte das Team unter Druck. Die Trennung allerdings war aus drei Gründen schwierig: Erstens finanziert Honda McLaren. Kostenlose Motoren, Übernahme eines Teils der Fahrergehälter und Sponsoring bringen zusammen geschätzt rund 100 Millionen Dollar jährlich. Darauf verzichtet McLaren nun. Kurzfristig kann sich der Rennstall das leisten.

Das zweite Problem für McLaren waren mangelnde Alternativen. Ferrari und Mercedes wollen den Konkurrenten nicht mit Motoren beliefern. Übrig blieb einzig und allein Renault als Alternative. Ausgerechnet jener Hersteller, über den Red Bull seit vier Jahren schimpft und sich in einer ähnlichen Misere wie McLaren mit Honda sieht.

Doch die etwas besseren sportlichen Aussichten waren McLaren genug, um einen Wechsel zu riskieren. Blieb noch ein drittes Problem: Es gab es einen gültigen Vertrag zwischen Honda und McLaren. Die Briten mussten einen Weg finden, nicht vertragsbrüchig zu werden oder Honda irgendwie zufriedenzustellen.

Wäre McLaren einfach davongegangen, wäre Honda ohne Kunden und mit einem grandios gescheiterten Formel-1-Projekt dagestanden. Also versuchte McLaren, Toro Rosso das japanische Triebwerk schmackhaft zu machen. Und tatsächlich fiel McLaren bei Toro Rosso auf fruchtbaren Boden.

Red Bull will mit Toro Rosso sparen

Red Bull Besitzer Dietrich Mateschitz steht nicht mehr grenzenlos hinter dem Juniorteam seines Vorzeigerennstalls Red Bull. Statt viele Millionen für einen bedingt konkurrenzfähigen Motor von Renault zu bezahlen, wurde Toro Rosso von den finanziellen Vorzügen des Honda-Antriebs überzeugt. Die Japaner liefern ihre Power Units kostenlos nach Faenza.

Für McLaren war der Kuhhandel - abgesehen von den finanziellen Einbußen - perfekt: Honda kann mit Toro Rosso sein Gesicht wahren und bleibt in der Formel 1. Gleichzeitig hat Renault Kapazitäten frei, um McLaren 2018 mit Motoren beliefern zu können. Und Fernando Alonso hat nun einen Grund, bei McLaren zu bleiben.

Renault fordert Sainz von Red Bull

Allerdings hatten McLaren und Toro Rosso die Rechnung hier ohne Renault gemacht: Die Franzosen wollten sich nicht einfach von Team zu Team schubsen lassen. Für die Vertragsauflösung forderte Renault einen Gegenleistung: Carlos Sainz.

Der Spanier kokettierte schon im Juni öffentlich mit einem Wechsel von Toro Rosso zu Renault, wurde aber von Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko vehement zurückgewiesen. Sainz hat noch einen bestehenden Vertrag mit Red Bull, kann nicht einfach 2018 zu Renault wechseln, nur weil er innerhalb der Red-Bull-Familie keine Aufstiegschance Richtung des A-Teams sieht. Wenn Sainz zu Renault darf, dann nur für eine ordentliche Ablöse, so Marko.

Also sah Renault die Chance, den Motoren-Kuhhandel zwischen McLaren und Toro Rosso für sich nutzen zu können. Für das Auflösen des Motorenvertrages forderte Renault die Freigabe von Carlos Sainz. Schon beim Malaysia GP 2017 sollte der den erfolglosen Jolyon Palmer im Renault Werksteam ersetzen und dann auch 2018 für die Franzosen an den Start gehen.

Palmer verhindert frühzeitigen Sainz-Wechsel

Doch da hatte Renault die Rechnung ohne Palmer gemacht: Der Brite zahlt für sein Renault-Cockpit und hat einen wasserdichten Vertrag. Palmer pochte auf die Einhaltung seines Vertrages und will die Saison 2017 auf jeden Fall zu Ende fahren.

Aus diesem Grund kommt Sainz erst 2018 zu Renault. Der Spanier bleibt allerdings im Red-Bull-Kader und wird für diese Saison nur ausgeliehen. Sollte Red Bull 2019 mit Max Verstappen oder Daniel Ricciardo einen seiner Star-Piloten verlieren, könnte man Sainz wieder zurück zur Bullen-Truppe holen.

Folgt Red Bull dem Motoren-Beben?

An diesem Punkt ist das Formel-1-Beben für 2018 erklärt. Allerdings könnte es noch weitere Auswirkungen für die fernere Zukunft geben: So könnte auch Red Bull in Zukunft mit Honda-Motoren fahren. Der Fahrerlager-Funk meldet hier noch verschiedene Versionen: Manche glauben, Renault will Red Bull nach 2018 nicht mehr beliefern. Andere meinen, Red Bull wartet die Honda-Entwicklung bei Toro Rosso ab und wechselt - sofern die Zahlen vielversprechend sind - 2019 freiwillig zu Honda. Möglicherweise als Werksteam.