Der Grand Prix von Italien 2017 sah den dritten Mercedes-Doppelsieg in dieser Saison. Mit 36 Sekunden Vorsprung für Sieger Lewis Hamilton vor dem Drittplatzierten Sebastian Vettel erlebte die Formel 1 zum ersten Mal in diesem Jahr die alles dominierenden Silberpfeile, die in den vergangenen drei Jahren die Konkurrenz in die Verzweiflung trieben. Vor nur einer Woche hatte die Scuderia in Spa noch bis zur letzten Runde Druck gemacht. Der plötzliche Abstand in Monza überraschte selbst die Mercedes-Bosse.

"Die Mercedes-Power ist definitiv einfach besser als die Ferrari-Power", entgegnete Hamilton auf dem Podium den pfeifenden Tifosi mit einem Seitenhieb mitten ins rote Scuderia-Herz. Diese hatten den silbernen Rennsieger auf dem Podest mit Pfiffen und Buh-Rufe belagert. Hamilton genoss seinen Triumph trotzdem in vollen Zügen. "Es ist unausweichlich, dass du hier der Bösewicht bist, wenn kein Ferrari-Fahrer ganz oben steht. Aber an manchen Tagen bin ich gerne der Böse, das stört mich nicht."

Unter dem Strich sah er die Reaktion der Italiener sportlich. "Ich respektiere die Fans und ihre Leidenschaft. Sie fühlen sich an wie aggressive Fans im Fußball - aber alles im Namen der Liebe für die roten Autos", erklärte er, nachdem er den Gegnern über eine halbe Minute aufgebrummt hatte - solch einen Rückstand hatte Ferrari dieses Jahr nur in Silverstone zu verzeichnen. Dort kam Kimi Räikkönen 37 Sekunden hinter Hamilton ins Ziel, allerdings mussten beide Ferrari in den Schlussrunden mit Reifenschäden an die Box. In Italien drückten die Silberpfeile der Scuderia diesen Abstand ganz ohne Pech bei den Italienern auf.

"Was Mercedes hier gegen Ferrari gezeigt hat, kann sich sehen lassen. Da kann man nur die Kappe ziehen vor der deutschen Qualität", freute sich Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda bei RTL. Die Silberpfeile hatten schon im Training bei den Longruns die Nase klar vor den Lokalmatadoren von Ferrari. Dass es im Rennen allerdings so deutlich aussehen würde, hatte selbst Teamchef Toto Wolff nicht auf dem Zettel. "Unserer Analyse nach, basierend auf den Longruns vom Freitag, dachten wir, dass sie näher dran sein würden", so der Österreicher.

Hamilton hatte trotz seines Sieges in Spa gesagt, dass der Ferrari an diesem Sonntag das schnellere Auto war. "In Spa gab es Sektionen, wo Ferrari uns richtig plattgemacht hat", so der Monza-Sieger. "In Spa fehlte uns Low-Downforce-Performance, Bremsstabilität, Kurvenstabilität und Traktion. Wir versuchten das zu verstehen und für Monza zu optimieren. Hier sahen wir dann, dass wir in den langsamen Sektoren keinerlei solcher Probleme mehr hatten", erklärte Wolff. Nach Belgien hatte sich Mercedes für Monza dementsprechend ins Zeug gelegt.

"Der Job, den die Jungs bei der Analyse der Spa-Defizite gemacht haben, war der Wahnsinn." Nicht nur in Sachen Setup, sondern auch bei der Fahrzeug-Konfiguration legte Mercedes für den Highspeed-Kurs in Italien auch nochmal eine Schippe drauf. "Alle reden über den Monza-Flügel. Wir konnten auch sehen, dass einige Konkurrenten wie Red Bull mit Low-Downforce-Flügeln experimentiert haben. Was sie hier gebracht haben, war auf Messers Schneide. Wir hatten auch ein Monza-Paket, aber das war keine komplette Low-Downforce-Konfiguration", so Wolff.

Über die Brücke, dass der enorme Vorsprung auf Ferrari alleine den Anpassungen bei Setup und Aeropaket zu verdanken war, wollte Wolff aber nicht gehen. "Unsere Pace war wirklich gut. Im Mittelsektor waren die Ferrari viel zu weit weg. Es sah viel mehr nach Problemen an deren Auto aus, als nach einer Dominanz von uns", übte sich Wolff wie gewohnt in Understatement. "Red Bull startete vom Ende des Feldes und wurde fast Dritter. Da stimmt etwas nicht", schob Wolff einen weiteren vermeintlichen Beweis für Ferraris schwache Performance nach.

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Wolff: In Singapur kann für Mercedes wieder alles anders aussehen

Während Lauda von der Leistung seiner Mannschaft äußert angetan war, trat Wolff auf die Euphoriebremse: "Nikis Erwartungshaltung müssen wir etwas dämpfen. Wir waren selbst überrascht. Aber wir haben in diesem Jahr gesehen, dass die Performance hin- und herschwingt." Beim kommenden Rennen in Singapur könne es schon wieder ganz anders aussehen: "Singapur war in der Vergangenheit nicht der beste Ort für uns."

2016 konnte Nico Rosberg für Mercedes in Singapur zwar gewinnen, eine Garantie ist das für Wolff aber nicht. "Ich glaube immer noch, dass es bestimmte Streckencharakteristiken gibt, die unserem Auto liegen oder eben auch nicht", so der Teamchef. Dementsprechend würde es ihn nicht wundern, wenn die Konkurrenz dieses Jahr wieder stärker aufgelegt ist: "Ich erwarte, dass es für uns ein schwieriges Wochenende als Monza oder Silverstone wird."

Auch Bottas hält Monza nicht unbedingt für richtungsweisend. "Monza ist so ein spezieller Kurs. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir jetzt etwas gefunden haben, das uns den Rest des Jahres überall hilft", so der Finne. "Wir kommen nach Singapur und wissen, dass es schwierig für uns werden kann." Toto Wolff sieht seine Truppe gar nur in der Verfolgerrolle: "Nach Ungarn und Monaco ist es schwierig, das Kräfteverhältnis da einzuschätzen. Ich sehe uns eher auf den Plätzen fünf und sechs."