Force India presst seine Formel-1-Streithähne Sergio Perez und Esteban Ocon nach den Vorfällen in Spa in ein neues Regel-Korsett. Beim Belgien GP waren die Teamkollegen gleich doppelt aneinander geraten, hatten sich durch ihre Crashs so gegenseitig das Rennen zerstört und Force India ein besseres Team-Ergebnis gekostet. Noch dazu gingen sich der Mexikaner und der Franzosen daraufhin verbal an die Hälse. Nicht der erste Vorfall in diesem Jahr: Schon in Kanada als auch Baku waren Perez und Ocon heftig aneinander geraten, mal mit, mal ohne Unfall.

Schnell, noch unmittelbar nach Rennende, hatte der Rennstall Folgen angekündigt. Sogar von einer möglichen Rennsperre für einen der zerstrittenen Piloten war zeitweise die Rede. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen: In Monza saßen sowohl Perez als auch Ocon in den Freien Trainings wie gewohnt wieder im Force-India-Cockpit nachdem sie sich am Vortag in der FIA-Pressekonferenz, unmittelbar nach einer vorherigen persönlichen Aussprache, geläutert präsentiert hatten, versicherten das Team fortan nicht mehr in eine solche Lage zu manövrieren.

Force India stellt klar: Team steht immer über dem Einzelnen

Genau dazu sollen ab sofort, also schon beim Italien GP in Monza, neue Regeln bei Force India gelten, Stichwort „Rules of Engagement“, Verhaltensanweisungen des Teams für verschiedene Rennsituationen. „Vergangenes Wochenende hatten wir eine Gelegenheit, unsere Rules of Engagement auf der Strecke zu diskutieren und zu ändern“, schildert Force Indias Otmar Szafnauer auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. „Jetzt sind wir alle - einschließlich der Fahrer - darauf fokussiert, die Punkte für das Team zu maximieren und nicht die Positionen der Fahrer. Es sollte jetzt alles klar sein.“

Heißt im Klartext: Freies Racing wird es zwischen Perez und Ocon zunächst nicht mehr geben, im Vordergrund steht immer das maximal beste Resultat aus Teamsicht. „Wir denken, dass es dieses Wochenende damit viel besser laufen sollte“, sagt Szafnauer. Doch wie genau sehen die Regeln nun aus? „Wenn es für das Team kein Potential nach oben gibt und nur ein Risiko nach unten wenn sie gegeneinander fahren würden, dann werden sie nicht gegeneinander fahren“, schildert Szafnauer Motorsport-Magazin.com.

Teamorder für weniger Risiken

Heißt: Auch einen Call, dass der schnellere Pilot vorbei gelassen werden muss, könnten wir in Zukunft erleben. Zu Beruhigung aller Racing-Puristen: Wildwuchs in dieser Hinsicht dürfte dabei nicht zu erwarten sein. „Es hängt alles von den Umständen ab. Vielleicht ist der Schnellere hinten und marginal schneller, was passieren kann, denn sie sind im gleichen Auto und ihre Talente sind sich nah genug. Wenn dann der marginal Schnellere hinten ist und sie 20 Sekunden hinter dem Kerl liegen, den sie jagen und der dahinter ist 20 Sekunden weg, dann macht es keinen Sinn gegeneinander zu fahren. Denn du wirst den davor nie einholen oder von dem dahinter eingeholt werden“, schildert Szafnauer.

Teamordner wird es bei einem solchen Szenario dennoch geben. „In solchen Situationen werden wir unsere Stellung halten“, stellt Szafnauer bei Motorsport-Magazin.com klar. Gerne gehe Force India diesen Weg nicht, versichert der Geschäftsführer des britisch-indischen Rennstalls. „Aber wir müssen uns daran erinnern, dass es zuallererst ein Teamsport ist. Und wie in jedem anderen Teamsport geht es vor allem darum, das Ergebnis des Teams zu maximieren“, erklärt Szafnauer die Beweggründe Force Indias.

Befolgen Perez & Ocon die Regeln?

Das sei vergleichbar mit anderen Sportarten, auch dem Fußball. Dort gebe es auch immer Spieler, die unbedingt in Sachen Tore Rekorde für sich selbst aufstellen wollen und deshalb oft den Ball zugeschustert bekommen würden. „Aber zuerst spielst du das Team-Spiel. Wenn dann der Spieler auch noch das Tor erzielt, umso besser. Das ist nichts anderes“, vergleicht Szafnauer. Doch wie im Fußball stellt sich auch in der Formel 1 die Frage: Siegt am Ende nicht doch die Eigensinnigkeit? Oder setzten es die Spieler respektive Fahrer tatsächlich um? Ocon und Perez jedenfalls versicherten genau das hoch und heilig. Szafnauer jedenfalls vertraut seinem Personal: „Ich habe da keine Zweifel.“

Genauso sieht es Robert Fernley. „Ich denke, dass sie beide realisiert haben, dass sie sich selbst, ihrer Reputation und ihren Karrieren damit nichts Gutes getan haben“, sagt der stellvertretende Teamchef. Diesen Aspekt habe dem Duo auch Teamchef Nummer eins, Vijay Mallya, wohl mehr als deutlich dargelegt. Verstanden haben werden es die Fahrer ganz sicher. „Sie sind intelligent und sehr, sehr gute Teamplayer. Sie sind nur etwas vom Weg abgekommen und ich erwarte da keine weiteren Probleme“, ergänzt Fernley.

Problematisch: Bei einem Verstoß sind die Sanktionsmöglichkeiten Force Indias offenbar nicht die Besten. Denn: Die kurzzeitig im Raum stehende Rennsperre erscheint dem Team inzwischen alles andere als attraktiv. „Wir wollen unser Fahrer-Line-Up nicht beeinträchtigen nur weil wir für eine kurze Zeit suboptimale Ergebnisse hatten, weil sie mal gecrasht sind. Du könntest einen anderen Fahrer reinsetzen und dann immer suboptimal sein“, erklärt Szafnauer auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Statt Sanktionen gibt es allerdings einen Anreiz für Perez und Ocon: Bei gutem Betragen könnte der neue Verhaltenskodex wieder aufgehoben werden, freies Racing also auch teamintern wieder gestattet sein. Ausschließen will Szafnauer das jedenfalls nicht: „Lass’ und abwarten wie es läuft.“

Force India will mit „aufregender Paarung“ auch 2018 weitermachen

Über die Saison 2017 hinaus will Force India indessen trotz aller Spannungen unbedingt mit der aktuellen Fahrerpaarung weitermachen. Szafnauer: „Wir planen auf jeden Fall, sie beide zu behalten. Es sind zwei gute Fahrer.“ Fernley bestätigt: „Von unserer Seite sind wir vollständig davon überzeugt, sie beide zu behalten. Das wird unsere Objektive sein, keine Frage. Es ist eine phänomenal aufregende Paarung. Es mag etwas schwierig sein, sie zu kontrollieren - aber dieses Problem habe ich gern.“ Zerschlägt sich da gerade trotz aller Turbulenzen die für Pacal Wehrlein vielleicht einzige Hoffnung, 2018 doch noch einen Platz in der Formel 1 zu ergattern?

Rückblick Spa: Was genau war passiert zwischen Ocon und Perez?

Gleich zweimal kamen sich die beiden Force India-Piloten beim Großen Preis von Belgien in die Quere. Nach einem verpennten Start verlor Perez einiges an Boden und befand sich nach La Source im Pulk. Darunter auch Teamkollege Ocon, den der Mexikaner allerdings nicht gesehen haben will. Er zog nach rechts, und es kam zur ersten Berührung zwischen den beiden, die allerdings noch glimpflich ausging.

Im weiteren Verlauf waren die zwei auf einem soliden Punktekurs, als es zum eigentlichen Aufreger kam. Perez durfte wegen einer ihm aufgebrummten Strafe seinen Boxenstopp vorziehen, obwohl er hinter Ocon lag. Durch den Undercut gelang es dem Mexikaner, an seinem Teamkollegen vorbeizuziehen, der fortan am Heck von Perez klebte. In Runde 29 dann der große Krach. Ocon kam nach La Source besser heraus und setzte sich neben Perez. Der Mexikaner zog darauf nach rechts und drückte seinen Teamkollegen damit an die Mauer. Der spektakuläre Unfall zog sich dann noch durch die gesamte Eau Rouge.

Die beiden lieferten sich darauf einen öffentlichen Social-Media-Krieg. Ocon zum Beispiel sprach per Twitter davon, dass ihn Teamkollege Perez zweimal versucht habe, umzubringen. Eine Aussprache war also mehr als überfällig, zumal die beiden in Spa nicht zum ersten Mal aneinandergeraten sind. In Aserbaidschan beispielsweise sorgten die Ocon und Perez nach einem Zwist mit einer folgenschweren Berührung für eine Rennunterbrechung