Obwohl Lewis Hamilton den Belgien GP in Spa nach einem packenden Zweikampf mit Sebastian Vettel für sich entscheiden konnte, war der Mercedes-Pilot nicht rundum glücklich. Für Hamilton war es ein Sieg mit Beigeschmack. Vettel hingegen machte als Zweiter einen glücklicheren Eindruck. Der Grund für die umgekehrte Rollenverteilung ist klar: Auf der Highspeed-Rennstrecke von Spa-Francorchamps hatten nicht wenige mit einer dominanten Vorstellung der Silberpfeile gerechnet.

Doch es kam anders: 44 Runden lang musste sich Hamilton gegen Vettel erwehren. Nach der dominanten Vorstellung in Silverstone, auf einer Strecke, die ebenfalls viel Leistung und eine effiziente Aerodynamik abverlangt, war Spa ein böses Erwachen für Mercedes. "Es ist sehr schwer, ein Muster zu erkennen, welche Strecken welchen Autos gut liegen, das haben wir gesehen. Du denkst du bist gut, bist es aber nicht - oder umgekehrt", analysiert Mercedes Motorsportchef Toto Wolff.

Lewis Hamilton wurde gegenüber Motorsport-Magazin.com deutlich: "Die Pole war der Schlüssel zum Sieg. Wäre ich nicht in Führung gewesen, hätte ich nicht gewonnen. Ferrari war schneller, ich habe definitiv nicht wegen der Rennpace gewonnen."

Wer vermutet, Hamilton hätte das Rennen vor Vettel kontrolliert, liegt falsch. Der WM-Zweite fuhr von Anfang bis Ende Vollgas. "Und Sebastian war in der Lage, zu nah zu folgen", so Hamilton. "Selbst auf den schnellen Runden war er in der Lage auf eine Zehntel dranzubleiben. Es gab keinen Raum für Fehler, ich hatte nur einen kleinen Spielraum."

Vettel von eigener Performance überrascht

Auch Vettel selbst war überrascht, wie nah Ferrari und Mercedes in Spa bei der Pace zusammenlagen. "Wir haben verglichen mit Silverstone nicht so viel verändert. Das zeigt einerseits, dass Silverstone nur ein schlechtes Wochenende war und auf der anderen Seite, dass wir das Auto verbessert haben. Vor allem bei der Rennpace. Dort waren wir im Schnitt eine Sekunde pro Runde weg, deshalb ist es ein großer Schritt. Ich bin sehr, sehr glücklich."

Was die Lage für Mercedes noch ernster macht: Mercedes opferte extra Qualifying-Performance für den Renntrimm. Im Qualifying kann man sich eigentlich mehr Flügel erlauben, weil DRS geöffnet werden darf. Mehr Abtrieb hilft im Mittelsektor. Im Rennen darf DRS nicht immer geöffnet werden, folglich wäre ein guter Mittelsektor mit schwächeren Zeiten in Sektor eins und drei verbunden.

"Wir haben auf Performance im zweiten Sektor verzichtet, um im Rennen einen Vorteil zu haben", gesteht Wolff. Zwar half Hamilton der Speed, sich gegen Vettel zu verteidigen, doch die Pace des Silberpfeils war nicht beeindruckend. "Das Auto war im Quali-Trimm großartig, aber im Rennen haben wir gekämpft", so Hamilton. "Im letzten Rennen waren wir im Quali-Trimm nicht gut, aber im Rennen war ich sehr stark. Es ist seltsam und wechselt von Rennen zu Rennen."

Hamilton schlägt deshalb Alarm: "Obwohl wir ein solides und gutes Wochenende hatten, hat es nur gerade so gereicht, um vorne zu sein." Wenn es auf Strecken, die Mercedes eigentlich liegen sollten, nur gerade so reicht, dann droht es auf anderen Strecken richtig schwierig zu werden. Auf den High-Downforce-Strecken Monaco und Budapest kam Mercedes jeweils in größere Probleme.

Singapur Hamiltons nächster Stolperstein?

Nach Monza droht mit Singapur der nächste große WM-Stolperstein für Hamilton. "Ihr Auto ist unter solchen Bedingungen sehr gut", weiß der Brite. Auch Wolff ist sich der Problematik bewusst: "Auf Strecken, die viel Abtrieb erfordern, waren wir nicht großartig. Das müssen wir für Singapur verbessern." Vettel hingegen sieht den restlichen acht Rennen gelassen entgegen: "Wir sind auf dem richtigen Weg und wir haben von jetzt an keine Angststrecken mehr."

Hamilton sieht in der Allzweckwaffe Ferrari den WM-Vorteil: "Es gibt so viele Geschichten, dass unser Auto das beste und schnellste wäre. Es ist aber schwierig zu sagen: Es gibt Vor- und Nachteil von beiden Autos, Bereiche, in denen wir schneller sind und Bereiche, wo sie schneller sind. Es ändert sich von Rennen zu Rennen, aber sie hatten die konstantere Saison, deshalb führen sie."

Doch Hamilton hatte sein Team zuletzt immer wieder gelobt, er sieht nicht die Felle davonschwimmen - ganz im Gegenteil. "Was die Entwicklung angeht, sind wir genauso stark wie sie", glaubt der Spa-Sieger. "Aber es geht auch um die Balance, wie viel du in das neue Auto investierst. Wir wollen nicht die Letzten sein, die mit dem neuen Auto anfangen. Ich denke, da findet das Rennen statt, abzuwägen wie viel Zeit wir investieren dieses Auto weiterzuentwickeln, um den Job zu Ende zu bringen und wie viel in das nächste Jahr investiert wird."

Ferrari hat Motor-Upgrade in der Hinterhand

Der Brite will deshalb nicht nur auf der Strecke performen, sondern sieht sich auch selbst in der Pflicht: "Ich überlege, wie ich meinen Jungs positive Energie schicken und sie ermutigen kann, um in den nächsten Rennen noch mehr Magisches zu bringen, damit wir gewinnen können. Es braucht von jedem einzelnen von uns alles, um am Ende oben zu stehen."

Bei Mercedes läuten nach Spa die Alarmglocken. Im Gegensatz zu Ferrari brachten die Silberpfeile in Belgien schon die letzte Motorenausbaustufe. Ferrari kann an dieser Front wohl in Italien nachlegen, hat also noch ein Ass im Ärmel. Wirkliche Stärken scheint es bei Mercedes nicht mehr zu geben - nur noch mögliche Schwächen.