Pirelli arbeitet seit Beginn des Jahres unermüdlich an den Reifen für die Formel-1-Saison 2018. Im Rahmen der Ungarn-Testfahrten stand den Italienern zuletzt Mercedes für einen der zahlreichen Reifen-Testtage zur Verfügung. Während die Fabriken der Teams in der Sommerpause im August ihre Tore schließen, wird bei Pirelli in Mailand das Tempo jetzt richtig angezogen: Die Konstruktion für die 2018er Reifen muss innerhalb der kommenden vier Wochen finalisiert werden. Bis dahin bleiben dem Reifenhersteller nur noch zwei Testtage mit Ferrari.

"Wir hatten gestern einen Testtag mit Mercedes und Valtteri Bottas zwecks Entwicklung der 2018er Reifen. Das Programm konnten wir dabei komplett abspulen, obwohl es mit 155 Runden ein ziemlich umfangreicher Plan war", resümiert Pirelli-Manager Mario Isola den 16. der über das Jahr hinweg insgesamt 25 angesetzten Reifen-Testtage. "Wir haben sowohl die Mischungen als auch die Konstruktion getestet. Was das angeht müssen wir natürlich parallel arbeiten, aber wir waren mit dem Resultat sehr glücklich", fügt er an.

Während Fahrer und Teams sich nach dem zweitägigen Test auf dem Hungaroring in den Urlaub verabschieden, zieht Pirelli gleich weiter zum nächsten und möglicherweise wichtigsten Test des Jahres. "Am Donnerstag und am Freitag testet Ferrari in Barcelona mit uns, wo Antonio Giovinazzi hinter dem Steuer sitzen wird. Das sind die letzten beiden Testtage, bevor wir uns auf die Konstruktion für nächstes Jahr festlegen müssen", verrät Isola. Die Deadline zur Abgabe ist der 1. September 2017. An diesem Stichtag muss Pirelli die finalisierte Konstruktion für die nächste Reifengeneration einreichen.

"Das machen unsere Mitarbeiter in Mailand. Sie werden im August daran arbeiten", so Isola, der erklärt was genau in den kommenden Wochen auf Pirelli zukommt: "Wir müssen einen kompletten Datensatz zur ausgewählten Konstruktion zur Verfügung stellen und nicht nur oberflächliche Informationen. Wir haben eine detaillierte Liste von Tests die zu erledigen und Daten die zu sammeln sind, welche wir den Teams zur Verfügung stellen müssen", so der Italiener. Nach dem Stichtag hat Pirelli bis in den November noch sieben weitere Testtage. "Bei den letzten paar Testsessions wird es um die Mischungen gehen", fügt er an.

Pirellis Ziele für 2018: Mehr Abbau für mehr Action

Die Zielvorgaben für Pirellis nächste Reifengeneration zeichneten sich schon früh in der Saison 2017 ab. Bereits bei den Pre-Season-Testfahrten in Barcelona klagten einige Piloten über zu harte Reifen. "Wir wissen, dass wir in der ersten Saisonhälfte zu konservativ waren, was den Reifenabbau anbelangt. Wir arbeiten daran, nächstes Jahr weichere Mischungen zu haben", sagt Isola, der einen groben Ausblick gibt: "Es wird nur eine Stufe sein. Um es zu vereinfachen: Der jetzige Soft-Reifen wird 2018 das Medium-Level darstellen und die anderen Mischungen werden dementsprechend ausgelegt." Der Hintergrund für den erhöhten Abbau ist, dass es im Rennen wieder größere Performance-Unterschiede geben soll. "Wir haben das Gefühl, dass wir den Abbau steigern müssen, um unterschiedliche Strategien zu sehen und damit alle drei Mischungen eingesetzt werden", so Isola.

Das Ziel ist außerdem, dass die weichen Mischungen in Sachen Performance wieder ein etwas stärkeres Gefälle aufweisen. "Die Rundenzeiten zwischen Soft und Supersoft beziehungsweise Supersoft und Ultrasoft sind aktuell etwas zu eng. Wenn die Deltazeit zwischen Ultra- und Supersoft diese Saison bei etwa 0,3 Sekunden liegt, soll sie nächstes Jahr bei 0,8 bis 0,9 Sekunden liegen. Wir wollen einen Ultrasoft haben, der mehr performt", so Isola, der mit seinen Ingenieuren außerdem dafür sorgen will, dass die harten Compounds, die momentan mehr oder weniger unbrauchbar sind, wieder Anklang bei den Teams finden: "Der jetzige Medium ist 1,3 Sekunden pro Runde langsamer als der Soft. Wir wollen einen Medium haben, der näher am Soft ist."

Um verstärkter Blasenbildung entgegenzuwirken, wie sie zum Beispiel in Österreich auftrat, will Pirelli bei der Konstruktion ansetzen. "Wir wollen die Aufstandsfläche besser zum Funktionieren bringen. Das erreichen wir durch eine bessere Verteilung von Temperatur und Druck auf der Lauffläche", so Isola, der im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com den Lösungsansatz erklärt: "Der Reifen hat Bereiche, wo mehr Temperatur generiert wird. An der Vorderachse sieht man die Blasenbildung auf der Innenflanke anhand der schwarzen Linie, die sich dort abzeichnet. Das kommt daher, weil die Oberflächentemperatur an dieser Stelle ansteigt. Wenn du die Konstruktion so modifizieren kannst, dass die Temperatur besser verteilt wird, verhinderst du die Blasenbildung."

Pirelli will keine Rückkehr zu Kaugummi-Reifen von 2016

In erster Linie will Pirelli mit dem 2018er Reifen verhindern, dass die Rennen zu langweiligen Prozessionen verkommen. "Die aktuellen Reifen haben auch einen toten Punkt, aber wir wollen den Abbau in der ersten Phase steigern. Der Unterschied zwischen einem neuen und einem benutzten Reifen soll größer sein, aber schon bevor der Reifen einbricht", so der Plan von Pirelli. Während der sogenannte Drop-off in dieser Saison durch Verschleiß herbeigeführt wird, kam er in der Vergangenheit durch Überhitzung des Reifen zustande. Auf ein Niveau wie vor 2017, als sich die Reifen regelrecht auflösten, zielt Pirelli jedoch keinesfalls ab.

"Das ist das Schwierige dabei. Wir wollen den Abbau erhöhen, aber nicht das Überhitzen haben, das wir letztes Jahr hatten", erklärt Isola, der mit seiner Test-Mannschaft im Jahr 2016 genau an diesem Kritikpunkt der Piloten so hart gearbeitet hatte: "Dieses Überhitzen ist genau das, was die Fahrer nicht wollen. Sie wollen mit dem Reifen pushen. Einen temperaturbedingten Abbau können sie akzeptieren. Sie können ihn fühlen und den Fahrstil anpassen." Mit der Reifengeneration 2017 sieht sich Pirelli in dieser Hinsicht bereits auf dem richtigen Weg.

"Mit den Autos dieses Jahr ist es so: Wenn du einem Gegner folgst, beginnst du zu rutschen und überhitzt den Reifen. Aber sobald du wieder freie Bahn hast oder Abstand hältst, kühlt der Reifen ab und du bekommst die Performance zurück. Das ist etwas sehr Gutes, das wir für das nächste Jahr nicht verlieren wollen", sagt Isola, der trotz mehr Spielraum für Strategien nicht will, dass die Rennen an der Box entschieden werden: "Wenn du gute Manöver hast und nur einen Boxenstopp, heißt das, dass die Positionen auf der Strecke erkämpft werden. Das ist besser für den Sport."