Sebastian Vettel gewinnt den Großen Preis von Ungarn. Auf dem Hungaroring setzte sich der Deutsche in seinem 50. Rennen für Ferrari nach einer irren Nervenschlacht hauchdünn vor Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen durch und feierte seinen vierten Saisonsieg und seinen zweiten überhaupt in Ungarn.

Fast das gesamte Rennen über hatte Vettel mit gewaltigen Problem mit einem nach links ziehenden Lenkrad zu kämpfen. Räikkönen war permanent schneller, wurde nicht umsonst von den Fans zum Driver of the Day erkoren. Auch die Konkurrenz von Mercedes holte durch die Vettel-Probleme auf das rote Duo auf. Weil Ferrari sich weigerte, den klar schnelleren Räikkönen an Vettel vorbeizulassen schien so für lange Zeit sogar ein eigentlich sicherer Sieg in großer Gefahr.

"Man muss ganz klar sagen: Ferrari ist heute unschlagbar gewesen", bewertet Niki Lauda bei RTL die rote Pace. In der zweiten Rennhälfte übte Lewis Hamilton durch Bremsklotz Vettel jedoch gewaltigen Druck auf Räikkönen aus. "Ihr einziges Problem war Vettels schiefes Lenkrad", so Lauda.

Doch am Ende erwiesen sich großes Risiko und italiensiche Sturheit als goldrichtig, sodass Vettel dank Puffer Räikkönen einen Big Point im WM-Kampf landete: Noch dazu wurde Hamilton nicht einmal Dritter, weil er sich in der letzten Kurve hinter Teamkollege Valtteri Bottas zurückfallen ließ. "Ich habe mein Wort gegeben, also habe ich es gemacht", sagt Hamilton.

Der Finne hatte den Briten zuvor vorbeigelassen, um Hamilton eine Angriffschance auf Ferrari zu ermöglichen. Großes Fairplay also bei einem der beiden Top-Teams. Lauda dazu: "Wir haben logscherweise zurückgetauscht, da wir immer gesagt haben, beide Fahrer fahren frei und es gibt keine Teamorder. Aber die drei Punkte werden die WM nicht entscheiden. Sage ich jetzt."

Die Top-3 in Ungarn: Räikkönen war sichtlich wenig begeistert, Foto: Sutton
Die Top-3 in Ungarn: Räikkönen war sichtlich wenig begeistert, Foto: Sutton

Das sagen Vettel, Räikkönen & Bottas zum Rennen

Sebastian Vettel: "Ich bin aus dem Häuschen. Es war ein ganz schwieriges Rennen. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Irgendetwas war nach dem Safety Car nicht mehr in Ordnung. Das Lenkrad stand schief, hat nach Links gezogen. Ich konnte nicht mehr über den Kerb fahren und habe versucht, das Auto zu schonen. Ich habe Kimi damit natürlich keinen Gefallen getan, der konnte schneller. Ich konnte nie durchatmen, musste mich das ganze Rennen voll konzentrieren. Aber tolles Ergebnis, toller Tag."

Kimi Räikkönen: "Super Unterstützung hier von den Fans. Natürlich habe ich mir den Sieg gewünscht, aber jetzt haben wir einen Doppelsieg. Wir haben Ferrari eben vorne gehalten über die ganzen Runden. Ich hätte gerne gewonnen, aber für das Team ist es toll. Das Auto war großartig. Um zu Überholen muss der Typ vor dir schon einen großen Fehler machen, sonst hast du es hier schwer. Besonders wenn es der Teamkollege ist."

Valtteri Bottas: "Ich war weit weg, der Abstand wurde größer. Aber vielen Dank an Lewis, dass er das Versprechen gehalten hat und mich wieder vorbeigelassen hat. Ich habe ihm ja vorher auch die Chance eingeräumt, Ferrari zu jagen."

Das Podium: Hinter Vettel und Räikkönen komplettierte Mercedes' Valtteri Bottas das Podium als Dritter, Lewis Hamilton musste sich mit P4 anfinden.

Die Punkteränge: Die Top-10 komplettierten Max Verstappen, Fernando Alonso, Carlos Sainz, Sergio Perez, Esteban Ocon und Stoffel Vandoorne. Alonso sicherte sich neben dem besten Saisonergebnis zudem die schnellste Rennrunde und feierte auf einem Liegestuhl! Überragende Bilder!

Foto: Sutton
Foto: Sutton

Der WM-Stand: In der WM baute Vettel seine Führung von nur einem Punkt wieder auf 14 Punkte Vorsprung auf Hamilton aus, liegt nun mit 202 zu 188 Punkten weiter vorne. Dritter bleibt Bottas mit 169 Zählern vorn Ricciardo mit 117, dem Räikkönen mit 116 aber dicht auf den Fersen ist. Bei den Teams macht Ferrari mächtig Boden gut auf Mercedes, liegt nur noch 39 Punkte hinter den Silberpfeilen.

Das Wetter: Brütende Hitze in der Puszta! Am Rennsonntag kletterte das Quecksilver noch höher als im Qualifying. Bereits am frühen Vormittag zeigte das Thermometer weit über 20 Grad Celsius. Zum Rennstart waren bereits 31, auf dem Asphalt sogar 55. Während des Rennen stiegen die Temperaturen weiter.

Der Start: Kimi Räikkönen kam am Start zwar etwas besser weg, doch Sebastian Vettel rettete seine Führung durch die erste Kurve vor dem Teamkollegen. Dahinter behauptete sich Valtteri Bottas auf P3 während die Red Bull in Kurve zwei kollidierten - das Aus für Daniel Ricciardo. Unfallverursacher Max Verstappen hielt sich aber vor Lewis Hamilton, den beide Bullen in Kurve eins überholt hatten nachdem Hamilton hinter seinem Teamkollegen ausgebremst wurde.

"Das ist definitiv das Schlimmste, was du machen kannst. Du kannst einen Crash haben, du kannst zu wild fahren. Aber in dem Fall ... ich weiß nicht. Er ist ziemlich knapp auf der Innenseite reingegangen. So spät wie er da gebremst hat, kann er da das Auto eigentlich nicht mehr um die Kurve kriegen. Ein dummer Fehler. Aber ein Fehler, den ein junger Fahrer vielleicht macht", sagte Ricciardo in einer ersten Reaktion. "Ich erwarte, dass er sich entschuldigt."

Es folgte ein Safety Car, da Daniel Ricciardo seinen RB13 unmittelbar nach Kurve drei abstellen musste. Die Rennleitung untersuchte den Vorfall und bestrafte Verstappen mit einer Zeitstrafe von zehn Sekunden. Dem per Funk wild fluchenden Ricciardo brachte das natürlich nichts mehr. Weiter hinten waren auch Romain Grosjean und Nico Hülkenberg aneinander geraten. Auch dieser Vorfall wurde untersucht - hier aber folgenlos.

Der Re-Start: Nach fünf Runden kam Bernd Mayländer wieder an die Box, der fliegende Start lief ideal für Sebastian Vettel. Nicht jedoch für Max Verstappen, der sich gegen einen heftig angreifenden Lewis Hamilton bis in Kurve zwei hinein wehren musste - allerdings mit Erfolg. Vettel indes fuhr in nur einer Runde bereits aus dem DRS-Fenster. Weiter hinten kamen sich Fernando Alonso und Carlos Sainz in Kurve eins nahe - Untersuchung durch die Rennleitung. Doch auch hier wurde auf Rennzwischenfall plädiert.

Die Zwischenfälle: In Runde 21 musste Romain Grosjean seinen Haas abstellen: Eine Radmutter saß nach dem Boxenstopp nicht richtig fest. Immerhin löste sich das Rad nicht, sodass der GP störungsfrei weiterging. Dennoch wird der Vorfall nach dem Rennen untersucht. Pech auch bei Nico Hülkenberg, weil Renault einen Katastrophen-Stopp hinlegte, der den Deutschen wahnsinnig viel Zeit kostete. Kurz vor Rennende drängte Magnussen Hülkenberg dann auch noch von der Strecke - unsauberes Manöver vom Dänen! Untersuchung durch die Rennleitung, 5-Sekunden-Strafe!

Die Strategien: Einzig Daniil Kvyat und Paul Di Resta starteten das Rennen auf den Soft-Reifen, der Rest optierte für Supersoft. Sauber nutzte die Safety-Car-Phase zu Beginn des Rennens jedoch, um sofort auf Soft zu wechseln. Nach 20 Runden kam auch Romain Grosjean für einen Wechsel auf Soft - allerdings nicht ganz freiwillig. Er hatte sich einen schleichenden Plattfuß eingehandelt. Von den Top-Teams eröffnete Mercedes in den Runden 30 und 31 das Boxenstopp-Fenster, wechselte auf Soft. Somit war klar: Ungarn war ein Einstopp-Rennen. In den Runden darauf folgten schließlich auch die Ferrari, erst Vettel, dann Räikkönen. Einzig Verstappen ließ sich etwas länger Zeit, kam erst in Runde 42 zum Reifenwechsel.

Der Rennverlauf: In der Anfangsphase zeichnete sich die für Ungarn typische Perlenschnur ab. Das ganze Feld schien einen streckenbedingten Nichtangriffspakt geschlossen zu haben und fuhr schiedlich friedlich hintereinander her. Im Fall Ferraris lag das jedoch mehr an deren Speed. Vettel und Räikkönen zogen Bottas spielerisch davon. Auch Verstappen machte eher Druck auf Bottas als dass er sich gegen Hamilton wehren musste. Kurios: Mercedes meldete in dieser Phase IT-Probleme in der Garage.

Mit Beginn von Runde 20 begann jedoch plötzlich Räikkönen Stück für Stück von Sebastian Vettels Vorsprung abzufeilen, drückte die Gap auf unter zwei Sekunden. Bottas fehlten zu diesem Zeitpunkt bereits neun Sekunden, Verstappen elf. Die mögliche Erklärung für die Kimi-Aufholjagd: Ein Problem am Lenkrad von Vettel, der das Lenkrad auf der Geraden leicht nach links einschlagen musste, um überhaupt geradeaus zu fahren. Währenddessen meldete Mercedes weiterhin IT-Probleme - auch mit dem Boxenfunk. Man sei nicht sicher, ob Hamilton mit dem Team kommunizieren könne, teilte der Rennstall mit. Weiter hinten machte indessen Nico Hülkenberg gewaltig Druck auf die Top-10.

Ferrari setzt für Vettel Ungarn-Sieg aufs Spiel

In Runde 30 beklagte sich Räikkönen schließlich schon, von Vettel aufgehalten zu werden, arbeitete sich ins DRS-Fenster. Auch Bottas holte auf, was Mercedes für einen Undercut nutzte. Doch der Stopp ging schief, Bottas verlor ein paar Sekunden. Ferrari reagierte jedoch nicht, dafür kam eine Runde später auch Hamilton zum Wechsel. Noch einen Umlauf später kaum auch Vettel, danach Räikkönen zum Stopp, einzig Max Verstappen blieb auf der Strecke. Supereng wurde es am Boxenausgang zwischen Vettel udn Räikkönen, doch der Deutsche rettete die virtuelle Führung.

Entsprechend zeigte sich Räikkönen wenig begeistert: "Ich hatte den Speed, um draußen zu bleiben", funkte Räikkönen. Heißt: Dem Finnen wäre ein Overcut wie ihn Ferrari Vettel in Monaco zugestand lieber gewesen. Tatsächlich waren die Sektorzeiten Räikkönens auf den alten Supersofts jenen Vettels auf frischen Softs mindestens ebenbürtig. Das Resultat der Boxenstop-Phase: Mercedes war den Ferrari deutlich näher gekommen, hatte zwei Drittel des Rückstands abgehobelt (Runde 37).

Noch dazu kam Vettel mit den Softs nicht in Fahrt, verlor sogar noch Zeit auf den Führenden, Verstappen. Dahinter setzte Hamilton Bottas unter Druck, während Alonso sich in Kurve zwei sehenswert über die Außenbahn an Sainz vorbeidrückte. Räikkönen wunderte sich derweil mehrfach über den langsamen Speed Vettels, Mercedes komme immer näher, er könne schneller. Ferrari klärte den Finnen über Vettels Handling-Probleme auf. Die Gretchenfrage für Ferrari jetzt: Räikkönen vorbeischleusen, um den Sieg abzusichern oder hoffen, dass die aus WM-Sicht ideale Reihung trotz Vettel-Problem irgendwie gut geht?

Räikkönen beschwert sich über Ferrari, Hamilton macht Druck

Nach 42 Runden war durch den Verstappen-Stopp dann auch die vollständig korrekte Reihenfolge wieder hergestellt. Nachdem er seine Strafe abgessen hatte holte er in Riesenschritten auf Mercedes auf. Bei Hamilton funktionierte derweil endlich wieder der Funk, was zu einem langen Austausch über die Ferrari führte. Und prompt fuhr Valtteri Bottas in Kurve eins mysteriöserweise zu weit geradeaus, Hamilton war vorbei und neuer Scuderia-Jäger Nummer eins. "Er wird dich wieder vorbeilassen wenn er nicht an Räikkönen vorbeikommt", funkte Mercedes die finale Bestätigung für einen angeordneten Positionstausch. Würde Ferrari mit einem eigenen Positionswechsel nachziehen?

Zunächst wiederholte Ferrari jedoch zunehmend Warnhinweise an Vettel, die Kerbs zu meiden während sich Räikkönen mit einem im Rückspiegel formatfüllenden Hamilton weiter beschwerte (Runden 45 bis 55). Dem funkte Mercedes, er habe fünf Runden Zeit. Doch ließ Hamilton nun plötzlich kurz etwas abreißen, dafür machte Räikkönen ernst, steckte Vettel jetzt fast im Getriebe, ärgerte sich weiter, er ruiniere so nur seine Reifen, müsse an Vettel vorbei. "Sollen wir so etwa das Rennen zuende fahren?", wunderte sich der Finne 15 Runden für Schluss.

Und schon war auch Hamilton wieder dran, sodass Mercedes ihm fünf weitere Runden gewehrte. Das ganz heiße Finale in Ungarn ging weiter! Fünf Runden vor Rennende fiel Hamilton jedoch wieder deutlich zurück und kam nicht mehr heran. Die Entscheidung. Vettel schaukelte den Sieg irgendwie doch vor Räikkönen nach Hause. Hamilton gab in der letzten Kurve seinen dritten Platz tatsächlich auf und ließ Bottas passieren. Ganz großes Fairplay! Verstappen wurde knapp geschlagener Fünfter.

Die Ausfälle: Für Daniel Ricciardo war der Ungarn GP bereits nach drei Kurven gelaufen - ausgerechnet Teamkollege Max Verstappen hatte ihn aus dem Rennen geboxt. Als Nächsten erwischte es Romain Grosjean in Runde 21 - eine lockere Radmutter zwang den Franzosen zur Aufgabe. In Runde 62 musste schließlich noch F1-Rückkehrer Paul Di Resta den Williams mit einem Ölleck abstellen. Kurz vor Schluss stellte auch Hülkenberg den Renault an der Box ab.

Die Analyse: Ferrari hatte in Sachen Pace in Ungarn ganz klar die Hosen an. Doch durch das Problem mit Vettels Lenkung und das Ignorieren ihres zweiten Fahrers Räikkönen machte sich die Scuderia das Leben ohne Not selbst gewaltig schwer. Riesenglück für Ferrari, dass das Kind am Ende doch noch irgendwie geschaukelt wurde. Großes Fairplay-Kino dagegen bei Mercedes. Hut ab.

Die Top-Facts des Rennens

  • Vettel gewinnt in Ungarn
  • Räikkönen und Bottas auf dem Podium
  • Vettel kämpft mit Lenkrad Problemen, Räikkönen darf nicht vorbei
  • Mercedes nutzt Ferrari-Sturheit aus und macht heftig Druck
  • Fairplay! Hamilton gibt Bottas geschenkte P3 zurück
  • Verstappen crasht Ricciardo in Kurve 2 aus dem Rennen
  • 10-Sekunden-Strafe für den Niederländer
  • Grosjean mit losem Rad raus